Verfassungsrechtler greift Gauck wegen Aussagen zur AfD an

Jetzt will Bundespräsident Joachim Gauck alles nicht so gemeint haben. Doch ein Audiomitschnitt belegt seine Kritik an der AfD. Verfassungsrechtler Degenhart spricht von „problematischen Äußerungen“.

 

Wegen seiner Äußerungen über die Alternative für Deutschland (AfD) wird Bundespräsident Joachim Gauck nun auch von einem Verfassungsrechtler kritisiert. Christoph Degenhart von der Universität Leipzig spricht von „problematischen Äußerungen“, die geeignet seien, die Autorität des Bundespräsidenten zu untergraben.

Während einer Diskussionsveranstaltung mit dem polnischen Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) hatte Gauck die AfD in eine Reihe mit rechtspopulistischen Parteien anderer europäischer Länder gestellt und gesagt, er sei „sehr dankbar“, dass es in Deutschland bislang noch keine solche Partei ins Parlament geschafft habe.

„Ein Missverständnis“

Obwohl ein Audiomitschnitt die Worte des Bundespräsidenten dokumentiert, will Gauck die AfD nicht verunglimpft haben. Laut einem Bericht von „Spiegel Online“ spricht das Bundespräsidialamt von „einem Missverständnis“. Der Verlauf der Podiumsdiskussion, über den auch „Welt Online“ berichtete, sei nicht richtig wiedergegeben worden. Gauck habe sich erfreut gezeigt, dass in Deutschland keine populistische Partei im Bundestag sei. Zu einem späteren Zeitpunkt in der Diskussion habe der Bundespräsident in Bezug auf die AfD gesagt, man dürfe es sich mit dieser Partei nicht zu einfach machen, sondern müsse sich mit ihren kritischen Positionen zu Europa auseinandersetzen.

„Der Eindruck, der Bundespräsident habe sich dankbar über den gescheiterten Einzug der AfD in den Bundestag gezeigt, beruht auf einem Missverständnis. Das bedauert der Bundespräsident“, sagte eine Sprecherin des Staatsoberhauptes.

Audiomitschnitt der Veranstaltung

Allerdings unterschlägt das Bundespräsidialamt einen Satz, den Gauck während der Diskussion an der Vidadrina gesagt hat. Das belegt der Audiomitschnitt der Veranstaltung. Gauck sagte: „Aber jetzt sind wir an der Schwelle, dass eine Partei einziehen möchte, möglicherweise bei der Europawahl reüssieren wird: die Alternative für Deutschland.“

Diese Aussage sieht der Leipziger Verfassungsrechtler Degenhart überaus kritisch. „Ich halte diese Äußerung für problematisch“, sagte er der „Welt“. „Meines Erachtens konnte mit den Äußerungen des Bundespräsidenten in Frankfurt nur die AfD gemeint sein.“

Gauck und die ESM-Klagen

Schließlich habe Gauck sich nicht als Privatmann geäußert. Er sei als Bundespräsident eingeladen worden und habe als solcher in Frankfurt gesprochen. „Er ist ja schon einmal übers Ziel hinausgeschossen“, sagte Degenhart. Er erinnerte den Auftritt des Bundespräsidenten in Brüssel, wo er den zahlreichen Klagen den ESM vor dem Bundesverfassungsgericht „keinen Erfolg“ gewünscht habe. „Hinterher sprach er dann vom selbstverständlichen Recht der Bürger auf solche Klagen“, so Degenhart. „So etwas kann auf Dauer die Autorität des Bundespräsidenten untergraben. Gauck muss integrierend wirken und darf nicht einzelne Gruppen ausschließen.“

AfD-Chef Bernd Lucke reagierte mit Unverständnis auf die Darstellung der Diskussion durch das Bundespräsidialamt. „Ich denke, das Bundespräsidialamt macht es sich zu einfach, wenn es in diesem Fall von einem Missverständnis spricht“, sagte Lucke der „Welt“. „Die Äußerungen des Bundespräsidenten bezüglich der AfD waren unmissverständlich.“ Der Bezug auf die AfD sei jetzt vom Bundespräsidialamt verschwiegen worden. „Hier hat das Bundespräsidialamt retuschiert“, so Lucke. Er habe Verständnis dafür, dass auch dem Bundespräsidenten Fehler unterlaufen könnten. „Aber dann sollte ein Fehler auch eingestanden werden statt irreführende Ausflüchte zu suchen.“ Er stünde nach wie vor bereit, dem Bundespräsidenten die Ziele und Grundsätze seiner Partei näher zu erläutern, sagte Lucke.

Audomitschnitt der Diskussionsrunde. Die Stelle mit der AfD beginnt ab ca. 24:10 Minuten:


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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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