Warum Hans-Olaf Henkel jetzt AfD wählt
Der frühere BDI-Chef rechnet mit der FDP ab. Die Partei Philipp Röslers und Guido Westerwelles haben ihre liberalen Prinzipien verraten. Und seit er für die AfD eintrete, werde er öffentlich verunglimpft, sagt Henkel.
Irgendwie hat Hans-Olaf Henkel ja schon immer in der Politik mitgemischt. Immer an der Seite der FDP. Doch die mag er schon länger nicht mehr. Vor allem, weil sie die Euro-Politik Angela Merkels unterstützt. Kurzzeitig ließ er sich deshalb auf einen Flirt mit den Freien Wählern ein. Nun aber ist er endgültig dem Charme der professoralen Alternative für Deutschland erlegen und bekennt vor Journalisten in Berlin sogar öffentlich: „Ich habe die AfD bereits per Briefwahl gewählt.“
Was da zwischen Henkel und der regierungskritischen Alternative läuft, scheint auf eine dauerhafte Bindung zuzusteuern. Denn so, wie Henkel mit der FDP ins Gericht geht, ist der Bruch wohl endgültig. Im deutschen Meer der Gleichmacherei sei ihm die FDP immer wie ein liberaler Fels in der Brandung erschienen, sagt er. „Liberale Leuchttürme wie mein Soziologieprofessor Ralf Dahrendorf und der frühere FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff, übrigens beides Eurogegner der ersten Stunde, garantierten einen klaren Kurs“, erläutert er und fügt unmissverständlich hinzu: „Seit deren Nachfolger die wichtigsten liberalen Grundsätze auf dem Altar des Euros opferten, ist die FDP für mich unwählbar geworden.“
Verhältnis zur FDP zerrüttet
Kein Zweifel, sein Verhältnis zur FDP ist zerrüttet. Und der frühere Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) spricht ganz offen darüber. Unter Guido Westerwelles und Philipp Rösler habe die FDP das Prinzip der Subsidiarität in der Europapolitik aufgegeben, also der Verankerung von Verantwortung möglichst nah am Bürger. „Das Bekenntnis zum Wettbewerb, Kernkompetenz jeder liberalen Partei, hat die FDP durch das Predigen von der Harmonisierung in der Eurozone ersetzt“, sagt er. Letztlich betreibe sie nichts anderes als Gleichmacherei. Die Rösler- und Westerwelle-FDP ersetze das Prinzip der Eigenverantwortung durch eine schleichende Sozialisierung der Schulden in der Eurozone. Für ihn sei all das nicht mehr tragbar, und darum müsse er die Konsequenzen ziehen. „Deshalb wähle ich jetzt AfD“, sagt Henkel.
Auch wenn er dafür verunglimpft werde. Seit der die neue Partei unterstützte habe sich der öffentliche Umgang mit ihm radikal verändert. „Seither muss ich ständig erklären, dass ich Europäer und kein Populist bin, bevor ich in diesem Land die Wahrheit sagen kann“, sagt Henkel. Nicht nur von den Medien und der FDP sei er enttäuscht, sondern auch von der CDU. „Die CDU benutzt die Adenauerstiftung dazu, die AfD in die rechte Ecke zu stellen“, sagt er. „Ich selbst bin von denen bereits dreimal auf Rechtspopulismus untersucht worden.“ Seit Wochen stelle er eine beklagenswerte Stimmungsmache, „auch von Leuten, die die Meinungsforschungsinstitute leiten“, gegen die AfD fest.
Schimpfen auf Meinungsforscher
Seiner Ansicht nach sei die Partei durch und durch liberal. Das belege unter anderem ihr Eintreten für das kanadische Zuwanderungsmodell. „Und ihre Positionen in der Asylpolitik sind linker als die von Grünen und SPD“, sagt Henkel.
Auch der Hamburger AfD-Spitzenkandiat Jörn Kruse schimpft auf die Meinungsforscher. „Forsa-Chef Manfred Güllner ist vor sechs Wochen mit der Aussage an die Öffentlichkeit gegangen, es wäre ein Unglück, wenn die AfD ins Parlament käme“, sagt er. Güllners Aussage offenbare ein eigenwilliges Demokratieverständnis. Kruse will mit der AfD die Demokratie stärken. Er führt die wachsende Kluft zwischen Bürgern und Politik auf „Mängel des politischen Systems“ zurück. Eine auf Bundesebene eingerichtete Arbeitsgruppe der AfD beschäftige sich damit und werde demnächst Empfehlungen vorlegen, die die Demokratie-Debatte anstoßen sollten.
Direktwahl des Bundeskanzlers
Erste Anregungen aus der Arbeitsgruppe gibt es bereits. Bei Bundestagswahlen sollen die Bürger „deutlich mehr Möglichkeiten haben, selbst über die abgeordneten zu entscheiden“. Derzeit werde von den Parteiführungen durch die Listen weitgehend vorgegeben, wer in den Bundestag einziehen solle. „Künftig sollten die Wähler aus allen Kandidaten der Parteien und Unabhängigen einzelne Kandidaten auswählen können“, sagt Kruse. Auf diese Weise würden die Abgeordneten vom Fraktionszwang befreit.
Der Volkswirtschafts-Professor setzt sich für die Direktwahl des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder ein, weil auch die Abgeordneten von bestehenden Zwängen befreie, die sie heute zum „Stimmvieh“ der Regierung und des Oppositionsführers machten. Kruse will den Lobbyeinfluss und den Einfluss der Parteien bei der Besetzung gesellschaftlich wichtiger Ämter etwa beim Bundesverfassungsgericht oder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk minimieren.
Weimar scheiterte im Parlament
Der aus der Schweiz stammende und an der Berliner Humboldt-Universität Volkswirtschaft lehrende Professor Charles Blankart unterstützt die Forderung der AfD nach mehr direkter Demokratie. „Weimar ist nicht an der direkten Demokratie gescheitert, sondern an der parlamentarischen Demokratie, als die Reichstagsmehrheit am 23. März 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz billigte“, sagt Blankart. Wer etwas anderes behaupte, habe sowohl von Geschichte als auch von Demokratie keine Ahnung.