Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung gegen Verfassungsrichter
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle und Verfassungsrichter Peter M. Huber werden der vermuteten Rechtsbeugung bezichtigt. Sie sollen Grundrechte missachtet haben.
Unmittelbar vor der öffentlichen Anhörung des Bundesverfassungsgerichts am 11. und 12. Juni über unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen aus Krisenländern durch die Europäische Zentralbank (EZB) hat eine Klägerin Strafanzeige gegen Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle, Verfassungsrichter Peter M. Huber und Unbekannt gestellt. Die Wuppertaler Menschenrechtsaktivistin und Psychologin Sarah Luzia Hassel-Reusing erstattete Anzeige wegen vermuteter Rechtsbeugung in den Verfahren zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), zum Fiskalpakt und zur sogenannten kleinen Vertragsänderung, die am 11. und 12. ebenfalls in der Hauptsache verhandelt werden.
Hassel-Reusing ist bereits mehrfach vor dem Bundesverfassungsgericht als Klägerin gegen die Euro-Politik der Bundesregierung aufgetreten. Ihre letzte Klage richtete sich gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Im November 2012 hatte sie die Strafanzeige des griechischen Verlegers Georgios Tsangras beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag unterstützt, die Tsangras gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso und Ratspräsident Herman Van Rompuy wegen „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ eingereicht hatte.
Aktenzeichen der Kripo
Aus Unterlagen der Wuppertaler Kriminalpolizei geht hervor, dass Hassel-Reusing ihre Strafanzeige gegen Voßkuhle und Huber dort am 3. Juni gestellt hat. Sie ist dort unter dem Aktenzeichen 503000-060652-13/5 registriert.
„Es ist schrecklich diesen Weg gehen zu müssen“, sagt Hassel-Reusing. „Aber er ist zur Bewahrung der Ordnung des Grundgesetzes und zum Schutz der Grundrechte und Menschenrechte der Klägerin und der Einwohner Deutschlands leider notwendig geworden.“ Die Strafanzeige sei auch moralisch begründet durch das, was „die Menschen in Griechenland, Portugal und Spanien bereits erleben“.
Die Menschenrechtsaktivistin wirft Voßkuhle und Huber vor, in den Verfahren zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), zum Fiskalpakt und zur sogenannten kleinen Vertragsänderung substantielle Grundrechte nicht anzuwenden und am 12. September 2012 den Weg für den ESM frei gemacht zu haben, obwohl das Verfassungsgericht weiterführende Klagen nicht geprüft habe.
„Was bleibt den Deutschen?“
Im September vergangenen Jahres hatte der Senat über die Anträge von fünf Klägergruppen auf einstweilige Anordnung ein einstweiliges Urteil gesprochen und darin das Inkrafttreten des ESM zugelassen. Hassel-Reusing kritisiert, dass das Gericht dabei als Prüfungsmaßstäbe nur die Demokratie und das Wahlrecht, nicht aber die Grundrechte auf Leben, Menschenwürde, Eigentum und die universellen Menschenrechte herangezogen habe. „Diese Grundwerte will der Senat also nicht mehr schützen“, sagt Hassel-Reusing.
Der Vorgang zeitige drastische Konsequenzen für die deutsche Bevölkerung. Schließlich gehe es um die Frage: „Wie viel bleibt uns Deutschen im Falle eine Staatsbankrotts etwa von Griechenland, Portugal Spanien usw.“ Wer die universellen Menschrechte als Prüfungsmaßstab anwende, müssen den Menschen mindestens ein Leben auf dem Sozialhilfe-Niveau garantieren und eine gesundheitliche Grundversorgung. Mit seinem Vorgehen aber schütze das Verfassungsgericht nicht einmal dieses Sozialstaatsgebot, sondern kümmere sich allein um die demokratische Legitimation seines Urteils.
Geschrieben für „Die Welt„