Alternative für Deutschland im Zangengriff von NPD und Linken
Die NPD behauptet, die AfD erfülle „eine lobenswerte Eisbrecher- und Türöffner-Funktion“ für national-demokratisches Gedankengut. Linke Gruppen unterstellen ihr Neonazi-Jargon.
Sogar Al Dschasira will dabei sein, wenn die „Alternative für Deutschland“ (AfD) am Sonntag in Berlin zur Partei wird. Zusammen mit dem arabischen Nachrichtensender haben sich über 130 Journalisten zum Gründungsparteitag angemeldet, die BBC hat ihr Kommen ebenso angekündigt wie japanische TV-Sender. Der Spiegel schreibt vom „Aufstand der Professoren“, die „Junge Freiheit“ titelt sehnsuchtsvoll: „Ein Hauch von Vormärz“.
Seit der Gründung der Grünen konnte keine neue Partei in so kurzer Zeit so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Allein die Tatsache ihrer Existenz und die Absichtserklärung bei der Bundestagswahl mit dem D-Mark-Versprechen antreten zu wollen, macht die AfD zu einem Ereignis, das weit über die Grenzen Deutschlands hinaus neugierig verfolgt wird.
Vor noch nicht einmal zwei Monaten war die Gruppierung kaum jemandem ein Begriff. Den Demoskopen war sie lange Zeit nicht mal eine einzige Frage wert. Dabei wetterte sie da auch schon gegen die Euro-Politik der Bundesregierung. Nur nannte sie sich „Wahlalternative 2013“ und brachte es bei der Landtagswahl in Niedersachsen im Schlepptau der Freien Wähler auf gerade mal 1,1 Prozent der Wählerstimmen. Und ganz vorne auf der Landesliste kandidierte – gänzlich erfolglos – ihr heutiger Frontmann Bernd Lucke, der inzwischen von Talkshow zu Talkshow tingelt und mit jedem Auftritt neue Anhänger einsammelt.
Auf Youtube kursiert die Sequenz einer Anne-Will-Sendung, in der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin, CSU-Urgestein Edmund Stoiber und die mehrfache Präsidentschaftsbewerberin Gesine Schwan dem D-Mark-Verfechter Lucke fast eine Viertelstunde lang nahezu widerspruchslos zuhören. Wohl nicht aus Höflichkeit, wie unschwer im Spiel ihrer Minen zu lesen ist, sondern weil Luckes Argumentation ihnen ganz offensichtlich die Sprache verschlägt. Bei Maybritt Illner mühte sich FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle vergeblich gegen den jungenhaft daherkommenden Volkswirt, der seine Gegner mit hanseatischer Nonchalance entwaffnet. Seither ist die AfD in aller Munde. Und schon spürt sie, wie nachteilig es zuweilen sein kann, Objekt der Begierde zu sein.
Hier zerrt die NPD an ihr, dort versuchen andere, sie in die rechte Ecke zu schieben. Die einen wollen sie benutzen, die anderen verteufeln. Die NPD behauptet einfach mal so, der AfD komme „eine lobenswerte Eisbrecher- und Türöffner-Funktion“ für national-demokratisches Gedankengut zu. Ihr steht das Wasser bis zum Hals, und sie macht gar keinen Hehl aus ihrer Absicht, sich am Rocksaum einer „angesehenen Professoren-Riege“ vor dem Ertrinken zu retten. Schließlich verfüge die „über den Medienzugang, den die NPD noch nicht hat“. Die AfD mache Positionen „massenmedial salonfähig, die die NPD als authentische Anti-Euro-Partei schon immer vertreten hat“, will NPD-Pressemann Frank Franz Youtube-Zuschauern weismachen.
Die Linken organisieren Kampagnen in Internetforen gegen eine angeblich rechtslastige Programmatik und Parteizugänge aus der rechten Szene. Zunächst hatte folgender Satz aus dem vorläufigen Parteiprogramm die AfD Kritik hervorgerufen: „Wir lehnen eine Gängelung der öffentlichen Meinung unter dem Deckmantel der sogenannten ,political correctness‘ ab.“
Unter dem Label „Falsche Alternative für Deutschland“ schreiben „Antifa“-Seiten nun über einen „AfD-Parteitag im Schatten des Rechtsextremismus?“ und „Nazis in der Partei/Rechtsextremes Gedankengut“. Anlass für diese Äußerungen ist unter anderem eine auf der Facebook-Seite der AfD gepostete Grafik zum Gründungsparteitag „Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung“. Das sei „Neonazi-Jargon“, heißt es in den linken Netzwerken.
Auch der AfD-Vorstand stieß sich an der Grafik und ließ sie löschen. In den vergangenen Wochen habe die Parteispitze wiederholt Postings entfernt, sagt der stellvertretende AfD-Sprecher Alexander Gauland. In diesem Zusammenhang habe sich die AfD auch bereits von zwei Leuten getrennt. Der Aufbau einer neuen Partei sei ein schwieriger Prozess, und es sei nicht immer gleich auf den ersten Blick zu erkennen, wer sich der neuen Bewegung anschließe. „Sie können Irre erst entdecken, wenn sie sich äußern“, sagt Gauland. „Wenn man Angst davor hat, dass so etwas reinrutscht, dann darf man sich nicht bewegen.“
Allerdings will die AfD schon wissen, wer in dieser Gründungsphase so alles zu ihr stößt. Aus diesem Grund sind Neumitglieder gehalten, auf einem Fragebogen darüber Auskunft zu geben, ob sie vorher bereits Mitglied einer anderen Partei waren. Anhand der Bögen ergibt sich folgendes Bild: 627 Mitglieder kommen aus der CDU, 386 aus der FDP, 357 aus der SPD, 136 aus der CSU, 92 von den Piraten und 69 von den Grünen. Die Masse der inzwischen über 7500 Mitlieder gibt an, zuvor in keiner Partei gewesen zu sein.
Als „rechts“ gilt die AfD aber auch wegen ihrer Nähe zur mittelständischen Wirtschaft. So heißt es auf einer Community-Seite der Wochenzeitung „Freitag“: „Die ,Alternative für Deutschland’ ist gefährlicher als jede andere rechtspopulistische Partei, weil sie sich als parlamentarischer Arm der Familienunternehmer formiert. (…) Die organisierten Familienunternehmer als ,Klassenfraktion für sich’ verkörpern diesen feudal-bürgerlichen Familialismus.“ Tatsächlich fühlen sich die Familienunternehmer eng mit der AfD verbunden.
„Deutlich hörbare Kritiker der Eurorettung gibt es in vielen Parteien wie etwa in CDU/CSU, FDP und SPD. Sie blieben bisher bei Abstimmungen in der Minderheit“, sagt Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „Eine neue eurokritische Gruppierung wie die ,Alternative für Deutschland’ gibt der Unruhe und den Bedenken in einem Teil der Bevölkerung eine Stimme. Sie ist ein Zeichen, dass den Sorgen vieler Menschen in den etablierten Parteien nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde.“
Ähnlich freundlich gesinnt ist der Mittelstand auch den einst von der „Wahlalternative 2013“ unterstützten Freien Wählern. Letztere distanzieren sich aber inzwischen deutlich vom früheren Partner. „Da sind radikale Tendenzen reingekommen, so dass ich ganz froh bin über die Trennung“, sagt der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. Ökonomischen Beistand holt er sich ach dem Verlust von Lucke und Hans-Olaf Henkel nun bei dem Volkswirtschaftler und Währungsexperten Wilhelm Hankel. Sozusagen als Kontrapunkt zur AfD empfehlen sie sich jetzt als Euro-Partei. Sie wollen den Euro als gemeinsame Verrechnungswährung für ganz Europa erhalten und dann zu nationalen Währungen zurückkehren. Doch so sehr sie sich auch mühen, die öffentliche Aufmerksamkeit der AfD erreichen die Freien Wähler auch damit derzeit nicht.
Auf die am Sonntag zum Parteitag nach Berlin reisenden 1.400 AfD-Mitglieder wartet ein ambitioniertes Programm. Zum einen müssen die Führungspositionen besetzt werden, wobei allein für Plätze als Beisitzer 90 Mitglieder kandidieren. Vor allem aber sollen sie das Programm beschließen, mit dem die Partei im September zur Bundestagswahl antritt und dessen Dreh- und Angelpunkt die Rückkehr zur D-Mark ist.
Geschrieben für die „Die Welt„