Steuer-Milliarden ändern nichts am Schulden-Drama der Städte
Der Staat nimmt in diesem Jahr Steuern in Rekordhöhe ein. Doch am Schulden-Drama in den Städten und Gemeinden ändern die 600 Milliarden gar nichts. Die Erblast teurer alter Kassenkredite und weiter steigenden Sozialausgaben macht die Kommunen handlungsunfähig und höhlt die Demokratie aus.
Trotzdem gibt es in den Kommunen, also dort, wo Demokratie im täglichen Miteinander vor Ort gelebt wird, gravierende Finanzprobleme.
Doch der Reihe nach. In die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden fließen bis zum Jahresende voraussichtlich erstmals mehr als 600 Milliarden Euro. Darauf deutet die bisherige Entwicklung hin. Zwischen Januar und September stiegen die Einnahmen bereits auf 403,4 Milliarden Euro. In dem Betrag sind die reinen Gemeindesteuern noch nicht einmal enthalten. Damit fällt das Neun-Monats-Plus bereits höher aus, als der für das gesamte Jahr von den Steuerschätzern zuletzt erwartete Zuwachs von 4,0 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Nach drei Quartalen haben Bund und Länder nun schon 21,5 Milliarden Euro mehr eingenommen als im Vorjahreszeitraum.
Von dieser Einnahmenflut profitieren auch Städte und Gemeinden. Sie erwarten in diesem Jahr erstmals wieder einen positiven Finanzierungssaldo. Bereits im vergangenen war das kommunale Jahresdefizit aller Kern- und Extrahaushalte von 8,8 Milliarden Euro auf 2,9 Milliarden Euro zurückgegangen.
Leider stehen den steigenden Einnahmen noch stärker wachsende Ausgaben und ein riesiger Schuldenberg gegenüber. „Trotz dieses erfreulichen Ausblicks bleibt die Finanzlage vieler Kommunen aber kritisch“, schreibt der Städte- und Gemeindebund[1].
Bis zum Ende des vergangenen Jahres sind die Schulden von Städten und Gemeinde auf die Rekordhöhe von 129,9 Milliarden Euro angestiegen.
Woher kommen diese Schulden? Nun, ganz sicher nicht aus Investitionen für Schulen, Straßen oder Krankenhäuser. Das wissen die meisten Bürger nur zu gut aus eigener Erfahrung. Ein Teil der Schulden lastet als Erbe früherer Jahre auf den Kommunen.Viele Städte und Gemeinden haben teure Kassenkredite aufgenommen, an deren Zinsen sie nun zu ersticken drohen.
Der andere Teil ist den umfassenden Sozial- und Arbeitsmarktreformen des vergangenen Jahrzehnts geschuldet, mit denen die Bundesregierung Städten- und Gemeinden rücksichtslos neue Leistungen verordnete, ohne die Gegenfinanzierung zu sicher.
So werden in diesem Jahr die Ausgaben für soziale Leistungen voraussichtlich die Rekordmarke von 45,0 Milliarden Euro überschreiten. Besonders belastet sind strukturschwache Städte und Gemeinden.
Es sind nämlich die Kommunen, die etwa für die Hilfe zur Pflege oder die Grundsicherung im Alter zahlen. In einer Zeit, da immer mehr Rentner auf diese Grundsicherung angewiesen sind, steigen die Ausgaben kontinuierlich.
Rasant gestiegen sind auch die Ausgaben für den Ausbau von Kindertagesstätten. Auch das ist eine Vorgabe der Bundesregierung.
Weil der Bund Ausgaben in Milliardenhöhe auf die Städte und Gemeinden abgewälzt hat, ohne ihnen im Gegenzug neue Einnahmequellen zu erschließen oder sie entsprechend zu unterstützen, fesseln sie die Kommunalpolitik. Die Bürger und ihre politischen Vertreter in den Stadt- und Gemeinderäten können ihr unmittelbares Lebensumfeld kaum noch politisch gestalten. Wo aber der Bürger nicht mehr gestalten kann, erschöpft sich die Demokratie im Formalen: Wahlen werden abgehalten und Kommunalparlamente, die nichts zu entscheiden haben, treffen sich zu inhaltsleeren Sitzungen. Die Wahlbeteiligung sinkt, mancherorts finden sich kaum noch Kandidaten für öffentliche Ämter. So wird die Demokratie dort, wo sie am ehesten erleb- und nachvollziehbar ist, vollständig ausgehöhlt.