Wulffs Freund geht, die Vorwürfe bleiben: Was nun, Herr Bundespräsident?
In der Affäre um einen privaten Immobilienkredit hat Bundespräsident Christian Wulff nun seinen Pressesprecher und Freund Olaf Glaeseker entlassen. Wird ihn das von den Vorwürfen entlasten? Ein Gespräch mit den Kommunikationsberater Hasso Mansfeld über die Krisenstrategie im Bundespräsidialamt. Herr Mansfeld, hat Bundespräsident Christian Wulff seinen Sprecher und langjährigen Vertrauten Olaf Glaeseker entlassen, weil er ein Bauernopfer brauchte? Hasso Mansfeld: Unabhängig von der politischen Bewertung des Falles waren die Fehler im Krisen-Management schwerwiegend. Dafür musste jemand die Verantwortung übernehmen. Unabhängig davon trägt die letzte Verantwortung der Bundespräsident selber.
Welche Fehler wurden gemacht?
Mansfeld: Zunächst einmal hat das Bundespräsidialamt viel zu spät reagiert. Wie leben im Internetzeitalter, wo Politik in Echtzeit wahrgenommen wird. Da erwarten die Menschen noch am selben Tag eine Stellungnahme. Wenn dann der Sprecher des Bundespräsidenten auch noch im Deutschlandfunk behauptet, es seien juristische Spitzfindigkeiten, die da gegen Herrn Wulff vorgebracht würden, dann ist das mehr als unklug, weil er den eigentlichen Vorwurf zur Verteidigungsstrategie macht.
Was war daran falsch?
Mansfeld: Herr Glaeseker führte die Debatte zusammen mit den Anwälten aufs juristische Terrain und stellte den Bundespräsidenten sozusagen öffentlich vor Gericht. Viel wichtiger wäre es gewesen, die Frage zu klären, in welchem Verhältnis jemand zu seinen Freunden steht, also inwieweit es unter Freunden üblich ist, sich untereinander zu helfen. Das Thema Freundschaft hätte er viel stärker thematisieren sollen. Er hätte die Frage aufwerfen müssen, ob treue langjährige Freunde für Herrn Wulff für einstehen dürfen oder nicht.
Aber genau diese Debatte haben doch die Medien geführt.
Mansfeld: Es wurde versucht, die Freundschaft dadurch zu diskreditieren, dass einige Freunde des Bundespräsidenten wohlhabend sind. Heißt das, dass ein Politiker einen Reichen nicht mehr zum Freund haben darf? Vielmehr als alles Juristische dreht sich diese Affäre doch um die Frage, inwieweit ein Politiker ein Anrecht auf ein Privatleben und eine Privatsphäre hat und inwieweit er innerhalb dieses privaten Raumes unabhängig von allen politischen Ämtern und Mandaten Mensch sein darf.
Und doch auch darum, wo er die Grenze zwischen dem Privaten und der politischen Karriere gezogen hat, oder?
Mansfeld: Wulff hat den Fehler gemacht, sein Privatleben für die Karriere zu instrumentalisieren. Er hat seine zweite Ehe bewusst in der Boulevardpresse inszeniert. Das rächt sich jetzt, weil er damit sein Privatleben politisch gemacht hat. Er selbst hat sich jeden Rückzugsraum verschlossen.
Warum inszenieren Politiker ihr Privatleben?
Mansfeld: Weil sie dem Wahn erliegen, dass sie heute Wahlen nicht mehr durch die Vermittlung von politischen Inhalten und Überzeugungen gewinnt, sondern durch Äußerlichkeiten und Glamourfaktor. Diesem Irrglauben ist übrigens auch die FDP erlegen.
Wie hätten Sie denn den als farb- und temperamentlos geltenden Christian Wulff beraten?
Mansfeld: Wie so etwas geht, zeigt das Beispiel des ehemaligen Finanzministers Hans Eichel. So einer muss auf seine inneren Werte setzen wie Aufrichtigkeit, Integrität, Überzeugung oder auch Inhaltstiefe. Das muss er rüberbringen.
Gerade mit der Aufrichtigkeit und Integrität hat Wulff offenbar ein Problem.
Mansfeld: Er druckst halt herum, statt klar Stellung zu beziehen. Damit bleibt er im Ungefähren, wo Konkretes erwartet wird. So hat er sich selbst in diese Lage manövriert.
Er hat dann aber doch alle Unterlagen offengelegt.
Mansfeld: Er hat durch seine Anwälte Schriftstücke zur Einsicht freigeben lassen. Dabei wollen wir doch alle wissen, warum er sich von einem Freund das Geld für sein Haus geliehen hat. In der juristischen Sache kommen wir eh nicht weiter, weil es sich im Kleinklein verliert.
War das vielleicht die Hoffnung, die er mit dieser Strategie verband?
Mansfeld: Mag sein. Das kann ich nicht beurteilen. Das wissen allein der Bundespräsident und sein Beraterstab.
Sie sagen, Wulff habe einerseits das Private zu sehr in der Vordergrund gespielt, andererseits die Bedeutung seiner Freundschaften im Dunkel gelassen. Wie viel Mensch lässt die Politik zu?
Mansfeld: Die eigene Persönlichkeit und die Überzeugung sollte das Fundament der Politik sein, und zwar auch das Fundament des Bildes, das ein Politiker von sich in der Öffentlichkeit abgibt. Es geht nicht um künstlich am Reißbrett entworfene Images, die mit der Persönlichkeit des Politikers nichts zu tun haben.
Glauben Sie, dass die Öffentlichkeit ein falsches Bild von Wulff hatte?
Mansfeld: Nun wird sich herausstellen, ob er der Politiker ist, der es mit der Wahrheit nicht so ernst nimmt und mit Freunden kungelt, oder ob er einer ist, der im Geldleihen in erster Linie einen Freundschaftsdienst gesehen hat.
Wie soll sich das herausstellen?
Mansfeld: Indem er entweder versucht, die Krise weiter auszusitzen oder uns glaubhaft versichert, dass er reinen Herzens nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat.
Günther Lachmann am 22. Dezember 2011 für Welt Online