Von Nemo nach Gaza. Eine Abrechnung mit dem ESC

ESC / Symbolbild / Quelle: Pixabay, lizenezfreie Bilder, open library: ktphotography: https://pixabay.com/de/photos/konzert-konfetti-feier-2527495/ ESC / Symbolbild / Quelle: Pixabay, lizenezfreie Bilder, open library: ktphotography: https://pixabay.com/de/photos/konzert-konfetti-feier-2527495/

Demos, Buhrufe, Festnahmen: Der Eurovision Song Contest (ESC) ist längst eine Veranstaltung im politischen Ausnahmezustand.

Mit „Merci, Chérie, für die Stunden mit Dir“, sang sich Udo Jürgens im Smoking am Klavier mit leicht verklärtem Blick 1966 in die Herzen der Jury. Als Sieger ging der österreichische Barde beim Grand Prix Eurovision für Luxemburg (!) über die musikalische Ziellinie. Ein Chanson, dazu noch auf Deutsch, gewann die Trophäe bei Europas zweitältestem Schlagerwettbewerb nach dem italienischen San Remo-Festival. Unschuldige Zeiten!

Was als Bühne für Komposition anspruchsvoller Unterhaltungsmusik gedacht war, ist zu einer Show des Zeitgeists mutiert. Als sich der Grand Prix zum Eurovision Song Contest wandelte, ging es nicht mehr um kompositorisches Schaffen und Sangeskunst. Seither geht es um knallharte Gesellschaftspolitik.

Wider die guten Sitten

Mehr als drei Stunden Beschallung aus der Malmö-Arena, waren nur durch reichlich Alkohol und bitterböse Kommentare zu ertragen. Schandmäuler weltweit mussten zur Hochform auflaufen ob der Gesangsdarbietungen und den (fast) immer politisch höchst korrekten Ausführungen des deutschen Moderators, erstmalig Thorsten Schorn. Dessen Vorname hätte beim woken Publikum bereits einen ersten #aufschrei auslösen müssen. THORsten, woran erinnert das gleich nochmal?!

Aber die ESC-Gemeinde zieht onomastisch und kulturhistorisch bekanntlich völlig blank. Der Ärmste musste sich ganz anderer Kritik stellen. Schorn bezeichnete den non-binären Sieger Nemo als „Er“! Das widerspricht definitiv der Definition von non-binär, also keiner klassischen Geschlechtszweiteilung zugehörig. Aber damit war der Nachfolger der Moderatoren-Legende Peter Urban noch nicht am Ende der nach oben offenen Fettnäpfchen-Skala angelangt.

Nach dem Auftritt der verfemten israelischen Sängerin Eden Golan salbaderte Schorn: „Jubel für Israel, aber nicht nur. Es hat hier in Malmö in dieser Woche mehrere Demonstrationen gegeben. An der vorgestern haben laut Polizei mehr als 10.000 Menschen teilgenommen. Es wird kritisiert, dass Russland nach dem Angriff auf die Ukraine vom ESC ausgeschlossen wurde, Israel aber ungeachtet seines Vorgehens im Gazastreifen nicht.“ Aha: Gaza gleich Ukraine. Russland gleich Israel.

Ein völlig unpolitischer ESC-Wettbewerb

Das rief das CDU-Schwergewicht Jens Nacke aus Niedersachsen auf den Plan, der den Moderator sinngemäß in die antisemitische Ecke stellte. Es folgte ein offizieller Brief mit empörtem Protest an den NDR! Pflichtschuldig wies dies der für den ESC federführende Sender zurück.

Greta Thunberg kam indes nicht so gut weg, und es rührte sich auch keine Moderatoren-, Politiker- oder Intendanten-Hand für die einstige Klima-Heroine. Sie scheint nach ihrer klimatischen Kampfzeit, nun im Gaza-Rausch den Verstand zu verlieren. Völlig losgelöst stand der gefallene Star von Fridays for Future International mit Pali-Tuch in den Tagen vor dem ESC-Finale mit ihren „Genoss:innen“ vor der Malmö-Arena. „From the river to the sea…“ skandierten die neuen Humanisten und verstiegen sich in Vernichtungsphantasien gegenüber dem jüdischen Staat. Für Greta und Freunde klickten die Handschellen: Festnahme!

In ihrer neuen Rolle als Vollzeit-Antisemitin kam die kostenlose PR gerade recht und dürfte nicht ihr letzter Auftritt mit Israel-Hassern gewesen sein. Für die israelische Sängerin glich Malmö einem Spießrutenlauf, den sie von Sicherheitsleuten eskortiert tapfer aushielt. Die Zwanzigjährige musste ihr Lied „Hurricane“, das sich auf die Ereignisse des 7. Oktober 2023 bezieht, teilweise umschreiben. Es war den ESC-Verantwortlichen zu politisch und Politik habe nach den Statuten beim Wettbewerb nichts zu suchen. Realität schlägt Satire!

Für Eden Golan war die Pressekonferenz im Vorfeld des Finales eine Achterbahnfahrt der woken Befindlichkeiten. Der später wegen angeblich ungebührlichen Verhaltens gegenüber einer Produktionsmitarbeiterin disqualifizierte Niederländer Joost Klein zog sich seine Landesfahne über den Kopf. Und die griechische Interpretin gähnte betont gelangweilt bei Golans Auftritt vor der Presse. Kühne Formen des Protests.

Tränen für Gaza

„United by Music“ hieß das diesjährige Motto. Geeint waren allenfalls die Demonstranten vor der Halle gegen Israel sowie die Fachjurys aus den Teilnehmerländern. Sie gaben dem gelungenen israelischen Song mit die wenigsten Punkte – kleinliche 52. Selbst der deutsche Beitrag „Always on The Run“ des Westfalen Isaak schnitt besser ab, was überraschend war und sogar am Ende für einem sensationellen Platz 12 reichte!

Doch das Publikum an den TV-Geräten machte bei der eigenen Punktevergabe den vermeintlichen Musikexperten einen Strich durch die Rechnung. Sie katapultierten die Israelin mit 323 Punkten aus den hinteren Rängen letztlich auf Platz 5. Außerdem verhinderten sie den Durchmarsch woker Jury-Lieblinge wie die irische Plärrtröte Bambi Thug mit ihrem aus ihr herausgeschrienen Machwerk „Doomsday Blue“. Dafür kann man nicht genug danken. Die ebenso wie der Schweizer Sieger non-binäre Nervensäge schwadronierte in die Kameras, dass sie und ihr Team geweint hätten, als Eden Golan ins Finale einzog. Geweint vor Kummer und Zorn!

Und ein Doomsday, ein Tag der Rache, war dieser ESC sicherlich. Rachelüstern konnten die Zuschauer nicht allein wegen der hässlichen Begleitumstände werden, sondern auch wegen der meist unterdurchschnittlichen Qualität des dargebotenen Liedguts. Ein Phänomen, das seit den 1990er Jahren durch die Teilnahme der Balkan- und Kaukasus-Länder den Gesangswettbewerb quält. Die klanglich oft austauschbaren Ethno-Songs und schrillen Auftritte der Künstler drangsalieren (westliche) Ohren und Augen. Es scheint fast wie eine besonders perfide Rache für den Untergang Jugoslawiens und das Ende der Sowjetunion.

Queere Machtergreifung

Russland ist wegen des Ukraine-Kriegs selbstverständlich disqualifiziert. Dass sich die Nachbarländer mit ähnlichem Musikgeschmack gegenseitig die Punkte zuschanzen, ist wahrscheinlich nicht mehr zu ändern. Deutschlands Nachbarn, insbesondere Österreich und die Schweiz, gönnen traditionell dem ungeliebten großen Bruder nicht einmal das Schwarze unter den Nägeln. Auch dieses Jahr machten sie davon keine Ausnahme. Somit ist der ESC auch immer wieder ein Fest der ganz eigenen Traditionen und Vorhersehbarkeiten.

Dass der Schweizer Nemo das Kristall-Mikro mit nach Hause nehmen durfte, war ganz auf der Linie des woken Mainstreams. Der Siegertitel „The Code“ ist handwerklich ordentlich und erzählt, wie könnte es anders sein, von seinem Weg zu sich selbst. Sein Auftritt in blass-rosa Strumpfhose mit kurzem Röckchen und viel Gigi um seine Schultern auf einer rotierenden elyptischen Schale war ganz nach dem Geschmack von Jury und weiten Teilen des Publikums.

Nachdem ab den späten 1980er Jahren die schwule Schlagergemeinde den ESC für sich entdeckt hat und ihm neuen Glanz einhauchte, ist er nun im queeren Olymp angelangt. Nur schwul oder lediglich ein guter Sänger zu sein reicht nicht mehr fürs Siegertreppchen. Nun muss es ein Nemo sein, der sich nicht mehr festlegen will. Gehorsam hatte er sich zumindest in seiner Erklärung zum Gaza-Krieg festgelegt: seine Solidarität gelte den „Unterdrückten“. Aber anscheinend nicht den entführten und ermordeten Israelis durch die Hamas, unter anderem bei einem Musikfestival in der Negev-Wüste. Fast schon schwarzer Humor. Unterdrückt sind für Nemo, Bambi Thug und nicht zuletzt Greta die anderen.

Wie wäre es, wenn die European Broadcasting Union als ESC-Veranstalter beim nächsten Mal einen palästinensischen Sänger einlädt? Der womöglich noch gewinnt! Dann fände der Wettbewerb in Gaza statt mit freundlicher Unterstützung der Hamas. Auftritte der non-binären, queeren Community bekämen so eine neue Dimension mit ungeahnten Folgen. „Gays for Palestine“ gibt es schon – es wird Zeit einen Schritt weiter zu gehen: ESC for Gaza. Zum Glück muss das Udo Jürgens nicht mehr erleben. No merci, Chérie.

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Lisa Hutchison
Lisa Hutchison
2 Monate her

!!!!!!! zum Glueck wird dieser Schund hier nicht uebertragen

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
2 Monate her

Die Veranstaltung ist hoffnungslos und vermutlich unrettbar politisiert.

Um Musik geht es gar nicht wirklich – und um gute Musik schon gar nicht.

fufu
fufu
2 Monate her

Zynismus in Reinkultur die berechtigten Proteste der Jugend gegen Massenmord und Kriegsverbrechen Israels in Gaza als antisemitisch zu bezeichnen.

Nathan
Nathan
2 Monate her

Der Zeitgeist heißt „Sodom und Gomorrha“.

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