Kai Wegners Liebesglück blüht auf dem Berliner CDU-Sumpf

Hier regiert Kai Wegner: das Rote Ratahus in Berlin / Qiuelle: Unsplash, lizenzfrei Fotos, open library: Hannes Kocholl; https://unsplash.com/de/fotos/ein-grosses-gebaude-mit-einem-glockenturm-in-der-nacht-1jlzoM5PjI8 Hier regiert Kai Wegner: das Rote Ratahus in Berlin / Qiuelle: Unsplash, lizenzfrei Fotos, open library: Hannes Kocholl; https://unsplash.com/de/fotos/ein-grosses-gebaude-mit-einem-glockenturm-in-der-nacht-1jlzoM5PjI8

In der Berliner CDU gibt es viele offene Rechnungen mit Bürgermeister Kai Wegner und viele Gerüchte. Was offenbart sein neues Liebesglück im Roten Rathaus?

In einem Unternehmen ginge das nicht, kommentierte vollmundig Harald Burkhart von der Jungen Union Berlin (JU) im „Spiegel“ das Liebesleben des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner. Der Nachwuchspolitiker ging mit seiner Kritik noch weiter, indem er monierte, dass Abhängigkeitsverhältnisse in der Berliner CDU keine Seltenheit seien und bezog sich vor allem auf die Landesgeschäftsstelle. Selbst die in Berlin marginalisierte FDP übte über ihren Landeschef und Bundestagsabgeordneten Christoph Meyer Kritik und forderte Aufklärung vom Regierenden Bürgermeister. Aufklärung worüber eigentlich?

Liebe am Arbeitsplatz

Vordergründig geht es um eine Beziehung Wegners mit der CDU-Senatorin für Bildung Katharina Günther-Wünsch, die inzwischen offiziell bestätigt ist. Für die Kritiker Wegners in den eigenen Reihen und in der Opposition geht es nun darum, ob das Verhältnis der beiden bereits vor der Ernennung Günther-Wünschs zur Senatorin bestanden hatte.

Dazu hat Wegners Anwalt Christian Scherz, geübt in der Vertretung prominenter Mandanten, der Deutschen Presse-Agentur bestätigt, dass der Regierende und seine Senatorin seit Herbst 2023 ein Paar seien. Scherz sagte weiter, dass eine derartige Konstellation keinen rechtlichen Bestimmungen widerspreche. Und dass die Beteiligten im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung Privates und Berufliches strikt trennten.

Klar ist also: der Berliner CDU-und Regierungs-Chef und seine Bildungssenatorin sind seit Herbst des letzten Jahres ein Paar. Die Ernennung der Senatorin durch Wegner erfolgte vor dem Herbst, und zwar am 27. April 2023 bei der Einsetzung des neuen Senats nach der Wiederholungswahl vom Februar. Damit sind Wegner und Günther-Wünsch auf der rechtlich sicheren Seite.

Ob es Interessenkonflikte gibt, ist aber eine andere Frage. Jedoch sind beide in derselben Partei und sollten im Senat an einem Strang ziehen. Einen Interessenkonflikt könnte man eher hineininterpretieren, wenn Regierungschef und Senatorin in unterschiedlichen Parteien wären. Weshalb die Aufregung ausgerechnet aus der Partei des Regierenden?

Verlegenheitskandidat wird Bürgermeister

Zwei Blicke zurück – zuerst in den April 2023. Kai Wegner hatte für viele überraschend die Berliner Wiederholungswahl gewonnen. Nach Sondierungen mit den Grünen entschied er sich für eine Koalition mit der SPD, die ihm angenehmer erschien. Kein Wunder, die abgewählten Sozialdemokraten um Franziska Giffey wollten weiter an den Pfründen der Macht bleiben.

Jedoch verlief die Wahl Wegners zum Regierenden Bürgermeister Ende April holprig. Er brauchte mehrere Wahlgänge, und Kommentatoren sahen die Stimmenverweigerer eher in seiner CDU als beim Koalitionspartner SPD. Am Ende brüstete sich die AfD-Fraktion, aus staatspolitischer Verantwortung für Wegner gestimmt und ihn damit ins Amt geholfen zu haben.

Wegners Hausmacht in der Berliner CDU liegt im Westen, der selbst aus Spandau stammt. Mit den Bezirksverbänden im Osten hadert der Landesvorsitzende, und nicht wenige hadern mit ihm. Die Ost-Berliner CDU ist konservativer als die im Westteil der Stadt. Gerüchte besagen, dass so mancher rechte CDU-Funktionär sein Kreuz bei der AfD macht und bei Wegners liberalem Kurs die Faust in der Tasche ballt.

Angefangen hat der Regierende als rechter JU-Funktionär, über den manche Beobachter noch in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter meinten: Rechts von ihm ist nur noch die Wand. Für etliche CDU-Funktionäre war Wegner mehr eine Verlegenheitslösung für die Berliner Spitzenkandidatur als Wunschlösung. In den Jahren davor hatte sich die Hauptstadt-Union vor allem durch Intrigen ausgezeichnet. Insider meinen dazu, dass dies praktisch Teil der Parteifolklore sei und sozusagen endemisch.

„Hantel-Harry“

Daher ist der Blick zurück in den Sommer 2023 mit seinen Ereignissen folgerichtig: Jung-Funktionär Harald Burkhart schickte sich an, den Vorsitz der JU Berlins zu erobern. Dafür choreografierte er mit der Bild eine putzige Medienkampagne, die ihn bekannt machen sollte. Die Redaktion stellte ihn als Deutschlands fittesten Politiker vor, der mit seinen körperlichen Reizen nicht geizt.

Seine Social-Media-Profile zeigen den 28-jährigen Jura-Studenten mit trainiertem Körper, über den die Bild die Leser abstimmen sollten. Eine Mehrheit entschied sich für einen Spitznamen: Hantel-Harry war geboren.

Die Inszenierung sollte durch einen internen Gegner Harrys an Fahrt aufnehmen. Marc-Eric Lehmann, Ortsvorsitzender der CDU-Frohnau im Bezirk Reinickendorf, fing medienwirksam ein Techtelmechtel mit dem schrillen Modedesigner Harald Glööckler an. Lehmann ließ sich mit der Kunstfigur in so ziemlich allen Positionen ablichten und schritt für einen Sommer die roten Teppiche entlang.

Im Boulevard ließ sich Lehmann gar als möglicher erster offen schwuler Kanzler feiern – doch das Schicksal meinte es anders. Nach einem Sommer kam das Liebes-Aus der Turteltäubchen. Lehmann gestand der Presse noch die Anstrengungen seiner medial geführten Beziehung ein und stellte fest: Nicht überall in meiner Partei kam das gut an.

Ebenfalls nicht überall in der Berliner CDU kamen die Darstellungen Harry Burkharts gut an – vor allem nicht bei Kai Wegner und seiner engsten Umgebung, zu der Lucas Schaal gehört. Jener war und ist der Favorit des Partei-Establishments für den JU-Vorsitz. Schaal war zudem Referent bei Friedrich Merz und hat bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Februar ein Direktmandat gewonnen.

Das sind gewichtige Gründe, den 33-Jährigen auf den JU-Thron zu hieven. Den hatte sich zwar bereits Burkhart bei einem Online-Parteitag gesichert, bei dem er die Abstimmung knapp für sich entschied. Doch das war das Einfallstor für seine Gegner: nicht satzungsgemäß, ungültig. Damit geht der Streit weiter, die eine wie die andere Seite will nicht klein beigeben.

15 Minuten Ruhm

Trieb Burkhart die Good Governance, für die seine JU stehen will, zur Kritik am Liebesleben Wegners? Wer das glaubt, dürfte von Politik keine Ahnung haben oder ist mindestens naiv. Burkhart und seinen Unterstützer hätten Andy Warhols bekanntes Zitat von 1968 beherzigen sollen: „In the future everyone will be world-famous for 15 minutes.“ In der Zukunft, wird jeder für 15 Minuten berühmt. Der Pop Art-Star sah prophetisch die Wirkung der Massenmedien voraus mit ihrer gleichzeitigen Flüchtigkeit.

Wer geht in der Berliner Polit-Posse als Sieger vom Platz? Vorerst geht der Etappen-Sieg an Kai Wegner, und wenn die gegnerische Seite nicht völlig beratungsresistent ist, dann unterlässt sie weitere Schmutzeleien gegen den Chef. Aber Berlin braucht solche Geschichten, da die Landespolitik ansonsten gar keine Aufmerksamkeit bekäme.

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fufu
fufu
3 Monate her

Zustaende fast wie im alten und neuen Rom, in Washington und sonstwo, nur in Berlin ein Aufreger.

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