Wie aus einem Playboy Schwedens König Carl XVI. Gustaf wurde

Schwedens König Carl XVI. Gustaf / Quelle: Pressebilder Kungahuset / Photo: Thron Ullberg/The Royal Court of Sweden; https://pressbilder.kungahuset.se/portals/detailpage/1150 Schwedens König Carl XVI. Gustaf / Quelle: Pressebilder Kungahuset / Photo: Thron Ullberg/The Royal Court of Sweden; https://pressbilder.kungahuset.se/portals/detailpage/1150

Als Playboy gestartet und mit einer Bürgerlichen glücklich verheiratet: Schweden feiert König Carl XVI. Gustaf, der am 15. September 1973 den Thron bestieg.

In meinen Augen war es falsch, das Grundgesetz rückwirkend zu verändern. Mein Sohn Carl Philip war schon geboren, und plötzlich ändert man alles. Als Vater fand ich es furchtbar.“ Zu Beginn der Feierlichkeiten anlässlich des goldenen Thronjubiläums Carl Gustafs von Schweden ließ der Monarch bei einem TV-Interview ein Bömbchen platzen. Er sinnierte über die kleinen und großen Ereignisse seiner bisherigen Herrschaft und kam auf die Thronfolgeänderung von 1980 zu sprechen.

Der drohenden Republik von der Schippe gesprungen

Es treibt ihn anscheinend immer noch um, dass sein einziger Sohn Carl Philip und Zweitgeborener nach der ältesten Tochter Victoria von Rang eins auf die Ersatzposition in der Thronfolge abrutschte. Bis zu diesem Zeitpunkt galt in Schweden: Männer zuerst! Im Recht gilt gewöhnlich in zivilisierten Staaten bei neuen Gesetzen ein Rückwirkungsverbot. Daher hätte erst mit der Generation seiner Enkel die veränderte Regelung greifen dürfen. Ausgerechnet eine bürgerliche Koalition machte Schluss mit der Bevorzugung von Männern auf dem Thron. Den König scheint es traumatisiert zu haben, dabei ist er bei seiner Thronbesteigung 1973 knapp einem echten Trauma entkommen.

Olaf Palme, der legendäre sozialdemokratische Ministerpräsident hielt wie viele in seiner Partei und der schwedischen Untertanen die Monarchie aus der Zeit gefallen. Palme diskutierte mit seiner Fraktion, ob der junge Thronfolger überhaupt als Staatsoberhaupt tauge. Das Ende der Monarchie sei nur eine Unterschrift entfernt gewesen. Es kam dann doch anders, was bis heute nicht aufgeklärt ist. War es die Frage, ob eine Republik holterdiepolter eingeführt werden könne? Würden die Schweden sich wirklich für ein republikanisches Staatsoberhaupt erwärmen? Wahrscheinlich siegte die Macht der Gewohnheit und die Regierung gab dem jungen Monarchen eine Chance. „For sverige i tiden“ – für Schweden mit der Zeit ist der Wahlspruch des Königs und der Zeitgeist hat die Dynastie Bernadotte voll erfasst. Wer ist dieser Monarch und vor allem, was ist das für eine Familie mit einem ganz und gar nicht schwedischen Namen?

Eine bürgerliche Dynastie

Am Anfang war Napoleon: Dessen erfolgreicher Marschall Jean-Baptiste Bernadotte aus dem idyllischen Pau im äußersten Südwesten Frankreichs schaffte es durch nicht planbare Umstände revolutionärer Zeiten auf den schwedischen Thron. Die Aufsteiger aus dem Bürgertum haben sich strategisch mit alten Dynastien, insbesondere deutschen – wen wundert’s – verheiratet, um dem Hautgout der Emporkömmlinge abzuschütteln. Pikanterweise erkennt das auch nach 200 Jahren Bernadotte die schwedische Adelsgesellschaft nicht an. Sie verwehrt der Königsfamilie die Mitgliedschaft! Bis zu Carl Gustafs Thronbesteigung musste der Thronfolger und sämtliche Prinzen und Prinzessinnen ebenbürtig heiraten. Ansonsten verloren sie alle Titel und Privilegien! Wie gut hat das Schicksal es mit dem sechszehnten Carl gemeint, als er als junger König eine Bürgerliche heiraten durfte, denn das war immer ein Vorrecht des Monarchen.

Die Retterin aus Deutschland

Bei den Olympischen Spielen von München 1972 schlug beim Kronprinzen der Blitz ein. Eine Chefhostess, jung und schön, polyglott, sprachbegabt und aus gutbürgerlicher Familie verdrehte dem Playboy aus Stockholm den Kopf. Silvia Sommerlath musste jedoch noch ein paar Jahre warten, bis sie Schwedens Königin und zur beliebtesten Deutschen aller Zeiten im Königreich aufsteigen konnte.

Erstmal musste Carl Gustafs Großvater, Gustaf VI. Adolf, das Zeitliche segnen. Er war mehr ein von den Fachleuten geachteter Archäologe, seine große Leidenschaft, und daher nicht traurig, dass in seiner Amtszeit Schweden sich zur rein parlamentarisch-konstitutionellen Monarchie entwickelte. Sein ältester Sohn verunglückte jung tragisch bei einem Flugzeugabsturz und der kleine Carl Gustaf rückte als Kronprinz nach.

Er war umringt von seiner deutschen Mutter Sibylla von Sachsen-Coburg und Gotha und vier älteren Schwestern, die ihn alle nach Kräften verwöhnten. Ein Hahn im Korb, der eigentlich in so einem Frauenhaushalt zum Feministen hätte heranreifen müssen. Zumindest sieht er das nach wie vor bei der Thronfolgefrage anders.

Königin Silvia gilt vielen Beobachtern des schwedischen Hofs als Retterin der Monarchie. Die Heidelbergerin bracht Schönheit, Jugend und Weltläufigkeit in die verstaubte Königsfamilie. Die Begeisterung war groß und sie hält an. Außerdem wurde der König im Laufe der Zeit politisch vollends entmachtet. Er hat rein repräsentative Aufgaben, unterzeichnet keine Gesetze und ist nicht einmal der nominelle Oberbefehlshaber der schwedischen Armee. Kurzum: Carl Gustaf, der Machtlose. Der machtloseste unter all seinen europäischen Amtskollegen. Ist die Monarchie doch nur noch einen Unterschrift von ihrer Abschaffung entfernt?

Der Zeitgeist hält Hof

Wenn es nach einer Mehrheit der befragen Schweden geht, im Schnitt rund 60 Prozent, möchten sie an den Bernadottes festhalten. Mit dazu trägt die Kronprinzessin Victoria bei, die durch ihre Liebeheirat mit ihrem ehemaligen Fitnesstrainer, der Tochter Estelle, dem Sohn Oscar als Vorzeigefamilie gilt. Victoria ist sicherlich eine ideale Vertreterin des Zeitgeists, die sich für Menschenrechte, das Klima, Frauen und LGBTI*+ einsetzt: Sie ist einfach woke royal. Sie erfreut sich hoher Beliebtheit, der Jahresrückblick über die Aktivitäten der Königsfamilie zu Weihnachten ist ein traditioneller Straßenfeger. Selbst ein Gebetbuch aus ihrer Kindheit ist nach ihr benannt und steht in so ziemlich jedem schwedischen Bücherregal.

Ihr jubilierender Papa tritt so manches Mal ins Fettnäpfchen, gilt als nicht allzu große intellektuelle Begabung mit einer großen Leidenschaft für schnelle Autos. Lästermäuler behaupten, dass in Gesprächen seine Lieblingsäußerung „brum brum“ sei. Bei seinen häufigen privaten Besuchen in der Heimat der Gattin ist er vor Jahren auf einer badischen Autobahn mit überhöhter Geschwindigkeit von der Polizei angehalten worden. Die Beamten haben den königlichen Verkehrssünder nicht erkannt, und Majestät konnte sich nicht ausweisen.

Ein König braucht keinen Führerschein oder Pass – zu bürgerlich! Mit einem Anruf bei der schwedischen Botschaft in Berlin konnte seine Identität zweifelsfrei festgestellt werden, was die pflichtbewusste Verkehrspatrouille nicht davon abhielt, seiner Majestät ein Knöllchen auszustellen.

Wenn das sein Vorfahre Karl XIV. Johann, alias Jean-Baptiste Bernadotte erlebt hätte?! Er soll der Legende nach eine Tätowierung mit dem Schriftzug „Mort aux rois“ – Tod den Königen getragen haben. Es hat ihm und seinen Nachfahren auf Schwedens Thron nicht geschadet. Carl XVI. Gustaf ist der am längsten regiereden Monarch der schwedischen Geschichte und auch seine Dynastie sitzt länger auf dem Thron als alle zuvor. So stehen die Chancen gut, dass auch noch in 50 Jahren Bernadottes die Krone tragen, dann allerdings Königinnen: Für Schweden, mit dem Zeitgeist.

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