Mediales Schweigen über AfD-Kampagne zur Staatsbürgerschaft

AfD stellt Kampagne zur Staatsbürgerschaft vor / Quelle: AfD AfD stellt Kampagne zur Staatsbürgerschaft vor / Quelle: AfD

Alle AfD-Landtagsfraktionen wollen die von der Bundesregierung beschlossene erleichterte Einbürgerung verhindern. Bleibt die Staatsbürgerschaft ein Privileg?

Wenn der Bürger von politischen Aktionen nichts erfährt, hat das meistens zwei Ursachen: Entweder ist der politische Akteur nicht in der Lage, selbst ausreichend auf seine Initiative aufmerksam zu machen. Oder die Medien ignorieren den Vorstoß, statt ihren Lesern, Hörern und Zuschauern die Nachricht zu überbringen.

In dieser Woche hat die Öffentlichkeit nichts von einer bundesweiten Kampagne sämtlicher AfD-Landtagsfraktionen erfahren. Ziel der Kampagne ist es, die von der Bundesregierung beschlossene Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts zu verhindern, das eine schnellere Einbürgerung nach bereits drei statt bisher acht Jahren sowie grundsätzlich die doppelte Staatsbürgerschaft vorsieht.

Die besondere Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Zum Start der Kampagne hatte die Vorsitzende der Berliner AfD-Fraktion, Kristin Brinker, zusammen mit Vertretern der Fraktionen aus Hessen, Brandenburg und Bayern zur die gesamte Hauptstadtpresse ins Berliner Haus der Bundespressekonferenz geladen. Gefolgt waren der Einladung jedoch nur das Deutschlandradio, die Deutsche Welle, Zeit Online sowie die Zeitungen Junge Freiheit und Hürriyet. Berichtet hat über die Pressekonferenz indes keines dieser Medien mit Ausnahme der Jungen Freiheit, die in der Printausgabe eine Meldung brachte.

Zweifellos ist das ihr gutes Recht, denn aus gutem Grund gibt es in Deutschland die für die freiheitliche Demokratie unverzichtbare und deshalb grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit. Jedem Medium steht frei, worüber und wie es berichten will.

Nicht ganz so frei ist allerdings der öffentlich-rechtliche Rundfunk, auf den die Politik über die Rundfunkräte erheblichen Einfluss hat. Außerdem wird er von allen Bürgern, die Zugang zum Internet haben, zwangsfinanziert. Aufgrund seiner Ausnahmestellung legte ihm das Bundesverfassungsgericht die Pflicht zur medialen Grundversorgung auf und sieht für ihn eine „besondere Verantwortungsbeziehung gegenüber der Allgemeinheit“.

Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlichen Verantwortung ist zu bewerten, dass neben ARD und ZDF auch der für Berlin und Brandenburg zuständige rbb die AfD-Einladung ignorierte. Und mindestens seltsam erscheint in diesem Zusammenhang die Anfrage einer rbb-Vertreterin wenige Tage zuvor bei der Berliner AfD-Fraktion, ob es denn Themen gebe, über die sie berichten könne.

Die Staatsbürgerschaft als Marketing-Instrument?

Dabei ist das Thema, über das der rbb, wie alle anderen auch, nicht berichtete, sogar von bundesweiter Relevanz. Schließlich wollen die AfD-Landtagsfraktionen die Novelle des Staatsbürgerschaftsrechts in einer konzertierten Aktion über den Bundesrat verhindern und dabei möglichst viele Bürger als Unterstützer gewinnen. Auf einer Petitionsseite im Internet können Bürger gegen die Novelle und für die Beibehaltung des jetzigen Staatsbürgerschaftsrechts unterschreiben. Mit den so gesammelten Unterschriften wollen die AfD-Landtagsfraktionen dann die Landesregierungen auffordern, gegen das Gesetz zu stimmen.

Auf diese Weise gehen sie nicht nur gegen die Regierungspläne vor, sondern bringen auch die CDU in eine schwierige Lage. Zwar kritisierte CDU-Chef Friedrich Merz wiederholt die massenhafte Einwanderung in das deutsche Sozialsystem und warnte, der „Doppelpass“ dürfe nicht zum Regelfall werden, aber er ließ seinen Worten bisher keine Taten folgen. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Möglicherweise fürchtet er Konflikte mit den CDU-Ministerpräsidenten, die dem Vorhaben der Ampel wohlwollend gegenüberstehen.

Nach Ansicht der AfD sind sich viele Bürger der Bedeutung der von der Ampel geplanten Gesetzesänderung noch gar nicht bewusst. Rührt sie doch an die innere Verfasstheit der deutschen Gesellschaft, an das Selbstverständnis der Bürger von sich und ihrem Land und das Selbstbewusstsein des Staates. Der Vorstoß der Ampel stellt Politik und Gesellschaft vor die Frage: Versteht der Staat die Verleihung der Staatsbürgerschaft weiterhin als Privileg, oder ist sie für ihn künftig lediglich eine Art Marketing-Instrument zur Anwerbung von Fachkräften im Ausland?

Innenministerin Nancy Faeser denkt da jedenfalls wohl eher in Marketing-Kategorien: „Wir werden die besten Köpfe in der Welt nur gewinnen, wenn sie in absehbarer Zeit voll und ganz Teil unserer Gesellschaft werden können – mit allen demokratischen Rechten“, sagt sie.

So viele Einbürgerungen wie seit 20 Jahren nicht mehr

Das sieht die AfD anders. Wer die von Faeser beschworenen „besten Köpfe in der Welt“ nach Deutschland holen wolle, müsse ihnen attraktiven Arbeitsbedingungen bieten, sagt etwa die Berliner Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker. Kluge Köpfe gingen dorthin, wo sie die besten Forschungsmöglichkeiten hätten, wo die Wirtschaft floriere und technologisch Vorreiter sei. Deutschland hingegen falle weit hinter die internationale Konkurrenz zurück.

„Wir lehnen die von der Bundesregierung geplante Gesetzesänderung ab, weil damit die Voraussetzungen zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft noch weiter abgesenkt werden“, sagte Brinker auf der von ihr initiierten Pressekonferenz. „Das macht die Einwanderung nicht attraktiver für jene ausländischen Fachkräfte, die wir tatsächlich brauchen und wollen – im Gegenteil: Ein Land, das seinen Pass verramscht, beweist mangelndes Selbstbewusstsein und wird dadurch unattraktiv.“

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Einbürgerungen auch ohne Gesetzesnovelle deutlich angestiegen. So wurden 2022 insgesamt 168.500 Menschen eingebürgert. Das war die höchste Zahl seit über 20 Jahren. Syrer machten dabei mit einem Anteil von 29 Prozent die größte Gruppe der Eingebürgerten aus. Insgesamt wurden 48.300 syrische Staatsangehörige eingebürgert, das waren mehr als doppelt so viele wie 2021. Sie waren im Schnitt 24,8 Jahre alt, zu zwei Dritteln männlich und hielten sich seit knapp sechs Jahren in Deutschland auf.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
7 Monate her

Gut, dass man zumindest hier über das Vorhaben erfährt.

fufu
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Reply to  Wolfgang Wirth
7 Monate her

Das war hoffentlich Sarkasmus.

fufu
fufu
7 Monate her

Schon verrueckt… Viele wollen rein, noch mehr wollen raus.

Nathan
Nathan
7 Monate her

Wir Ur-Deutschen werden so langsam zur Minderheit im eignen Land. Claudia Roth und die EU werden sich freuen, und wir müssen uns so langsam damit anfreunden, in Enklaven leben zu wollen. Wenn die „Reichsbürger“ mit ihrer Königsduselei aufhören würden, hätten sie mehr Zulauf.

fufu
fufu
7 Monate her

De facto gibt es ja keine legitime deutsche Staatlichkeit mehr da der „Buerger“wille den Regierenden nach eigener Aussage egal ist und deren Handeln im wesentlichen von ueberstaatlichen Strukturen bestimmt wird. Insofern koennte sich die Pseudoopposition auch die Scheindiskussion um die Staatsbuergerschaft sparen seit sie die EU-Mitgliedschaft nicht mehr zur Diskussion stellt. Von Seiten der Regierung ist die grosszuegige Verteilung von Staatsbuergerschaften, auch Anerkennung von Mehrfachstaatsbuergerschaften als Vorbereitung auf die EU-Staatsbuergerschaft nur konsequent.

Angermann
Angermann
7 Monate her

Es reicht nicht, dagegen zu sein. Es müssen hier ganz klar die gesellschaftszerstörerischen Kräfte benannt werden, die das im Eigeninteresse vorantreiben. Eigeninteresse, das ist einerseits die Hoffnung, die eigene Wählerschicht zu vergrößern (wählen darf ja nur jemand, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt), andererseits die one-world-Agenda der Globalisten voaranzutreiben und jegliche Grundlage für eine kulturell-identitäre Gesellschaft zu vernichten, sei es auf dem Level Individuum, Familie oder größeren Verbänden. Die gesellschaftszerstörerischen Kräfte haben Namen: die SPD, die Grünen, die Merkel-Union, die LINKE und weite Teile der FDP. Selbst die Freien Wähler sind kontaminiert. Einzig die AfD stemmt sich gegen diesen Irrsinn. Sie… Read more »

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