Großherzogtum Luxemburg – die Monarchie, die (fast) keiner kennt
BOULEVARD ROYAL
Luxemburg ist EU-Sitz und Finanzzentrum. Mit 600.000 Einwohnern ist es fast so groß wie das Saarland. Und es hat einen Großherzog, den kaum jemand kennt.
An diesem 16. April begeht der Grand Duc, wie die Luxemburger sagen, seinen 68. Geburtstag, der jedoch öffentlich am 23. Juni als Nationalfeiertag gefeiert wird. Wie so oft zelebrieren Monarchien den Geburtstag ihres Souveräns im Sommer, wenn dieser das Pech hat, in den kalten Monaten geboren zu sein. So hielt es die im April geborene Elizabeth II, so auch der im November zur Welt gekommene Charles III. und in Luxemburg Großherzog Henri.
Ein Überbleibsel der Geschichte
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Luxemburg ist für seine Diskretion bekannt, und das kleine Land an der Mosel hat dafür gute Gründe. Als internationaler Schauplatz für Bank- und Finanzgeschäfte aller Art ist es besser, nicht viel Aufhebens um sich zu machen. Diese Zurückhaltung zeichnet auch die regierende Dynastie Nassau-Weilburg aus, die seit 1890 die Großherzöge stellt und sogar zwei Frauen auf dem Thron hatte.
Einem Luxemburger sollte man nie sagen: Na, zum Königreich hat es nicht gereicht. Darauf reagiert er sensibel, und das Marketing fürs Land hat aus dem vermeintlichen Manko ein Markenzeichen gemacht: Das einzige Großherzogtum der Welt. Wie kam es dazu?
Um nicht in die Untiefen der Geschichte zu tief einzutauchen, kurz gesagt: Das Großherzogtum ist ein Überbleibsel aus dem Heiligen Römischen Reich, ebenso wie Liechtenstein, die andere letzte deutschsprachige Monarchie. Auch der Name der Luxemburger Dynastie klingt verdächtig deutsch. Und, wer hätte das gedacht, genauso ist es!
Im November 1890 trat der Erbfall ein. Wilhelm III. der Niederlande, der dank des Wiener Kongresses auch Großherzog von Luxemburg war, starb. Er hatte jedoch nur eine Tochter, Wilhelmina. Sie durfte zwar den niederländischen Thron besteigen, aber nicht den im Luxemburg. Klare Diskriminierung von Frauen, würde man heute sagen. Aber das in Luxemburg geltende salische Erbrecht sieht nur Männer als Monarchen vor. Doch Moment Mal, es gab doch zwei Großherzoginnen?!
Schon wieder die Deutschen
Richtig, die durften ran, aber nur, weil es keinen erbberechtigen Mann gab. Mit der nassauischen Erbteilung kam die aus dem hessischen Weilburg stammende Dynastie ans Ruder. Die Titulatur des Großherzogs zählt daher auch deutsche Titel auf wie Pfalzgraf bei Rhein, Graf von Katzenelnbogen, Herr von Wiesbaden, Limburg, Idstein etc. Die Familie ist von der Herkunft zwar deutsch, macht aber sehr auf Französisch. Gut, da sind die Deutschen selbst schuld, sind sie doch 1914 und 1940 uneingeladen eingedrungen. Bis 1914 war das Großherzogtum politisch, kulturell wie wirtschaftlich auf Deutschland ausgerichtet. Frankreich spielte eine untergeordnete Rolle. Großherzogin Marie Adelheid regierte während des Ersten Weltkriegs und war den Deutschen freundlich zugewandt.
Das führte am Ende des Krieges 1918/19 zu einer ernsten Staatskrise, in der sogar für sechs Tage die Republik ausgerufen wurde. Marie Adelheid dankte schließlich zugunsten ihrer jüngeren Schwester Charlotte ab. Sie ist die große Monarchin und Landesmutter im besten Sinne bis heute. Sie hat der deutschen Besetzung ab 1940 getrotzt und Luxemburg nach dem Zweiten Weltkrieg moralisch aufgerichtet. International hatte es die Folge, dass das Land sich stark an Frankreich orientierte und Deutschland nur noch eine untergeordnete Rolle spielte, vor allem kulturell.
Luxemburger tragen meist einen französischen Vornamen, der auf deutsche oder deutschklingende Nachnamen trifft. Ein schönes Beispiel ist der Langzeit-Ministerpräsident und „Mister EU“ Jean-Claude Juncker. Inzwischen haben sich die deutsch-luxemburgischen Beziehungen nicht nur erholt, sie sind eng und freundschaftlich. Deutsch ist neben Französisch und Letzeburgisch offizielle Amtssprache, und die Sprachenfolge im Bildungssystem geht so: Grundschule deutsch und letzeburgisch, weiterführende Schule Französisch.
Letzeburgisch ist ein mosel-fränkischer Dialekt, den Deutsche aus dem Südwesten ganz gut verstehen können. Zur Stärkung der Landesidentität ist die Landessprache ab den 1980er Jahren als Schulsprache eingeführt worden und zugleich Studienfach an der Universität in Luxemburg-Stadt. Natürlich sollte man Luxemburgern nicht sofort als Deutscher sagen, dass sie ja nur einen deutschen Dialekt sprechen. Unbeliebtheits-Alarm ist garantiert.
Keine Skandale?
Die großherzogliche Familie spricht unter sich Französisch, was nationalgesinnten Luxemburgern ein wenig missfällt. Bei offiziellen Anlässen redet der Großherzog Letzeburgisch, Französisch und auch Deutsch. Letzeburgisch gilt in höheren Kreisen immer noch ein wenig gewöhnlich und Französisch ist dominant. Für die Landesidentität spielt die Dynastie eine gewichtige Rolle, bringt sie doch ein wenig Glanz ins kleine Land und sie bildet eine Klammer für alle sozialen Gruppen.
Eine große Mehrheit der Luxemburger lehnt eine Republik ab, auch wenn es in den letzten Jahren etliche Affären bei Hofe gab. So soll Großherzogin Maria Teresa, eine gebürtige Kubanerin, cholerisch sein, von Alkoholproblemen ist die Rede, und die Hofhaltung soll schwer gelitten haben. Daraus folgte eine eigens zur Neuordnung des Hofes eingesetzte Kommission, die Reformvorschläge unterbreitete. Einiges davon wurde umgesetzt, und das Personalkarussell dreht sich deutlich langsamer als zuvor.
Auch die Gerüchte über den Thronfolger Guillaume, er bevorzuge das eigene Geschlecht, ebbten nach seiner Heirat mit eine belgischen Adligen Stéphanie nur schleppend ab. Jahrelang gab es keinen Nachwuchs, und dann kamen plötzlich zwei Prinzen, Charles und François! Ende gut alles gut wird sich mancher Luxemburger gedacht haben, denn die Familie des Zweitgeborenen stand schon in den Startlöchern, einmal den Thron zu übernehmen. Noch dazu mit einer Deutschen an der Spitze, Claire Lademacher, einer Millionärs-Tochter aus Wiesbaden!
Lieber in Paris?
Überhaupt die nächste royale Generation. Sie hält sich doch recht bedeckt – keine Skandale! Gut, es gab die Scheidung eines jüngeren Sohnes des Großherzogs von seiner Frau, die manchem Traditionalisten doch zu gewöhnlich war. Sie war eine Verkäuferin.
Vielleich hört man auch nicht viel über die Kapriolen der Dynastie, weil sie sich oft privat, wenn es die Pflichten zulassen, nicht in Luxemburg aufhält. Bevorzugte Refugien sind Paris und die Côte d’Azur, was ja im Vergleich durchaus verständlich ist. Oder etwa nicht? Luxemburg-Marketing hat lange mit der unbekannten Schönheit des Landes, seiner liebreizenden Natur geworben: Luxemburg – überraschend anders.