Darf Habeck sich in aller Öffentlichkeit für Kanzler Olaf Scholz schämen?

KOMMENTAR

Die Gruenen / Robert Habeck / Heizung / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Weldert; https://pixabay.com/de/photos/robert-habeck-politiker-mann-6554694/ Die Gruenen / Robert Habeck / Heizung / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Weldert; https://pixabay.com/de/photos/robert-habeck-politiker-mann-6554694/

Bei einem Auslandsbesuch in Kiew kompromittierte Robert Habeck Bundeskanzler Scholz vor laufenden Kameras. Wie der Wirtschaftsminister emotional entgleiste.

Wie viel Dissens, wie viel Hinterhältigkeit und wie viel persönliche Verletzungen hält eine Regierungskoalition aus? Spätestens nach dem Koalitionsgipfel hätte es keines weiteren Beweises für das völlig zerrüttete Verhältnis der rot-grün-gelben Koalitionäre mehr bedurft. Aber Vize-Kanzler Robert Habeck meinte wohl, es gebe noch nicht genug Zeugnisse von Rivalität und offener Feindschaft und ließ die Welt wissen, wie sehr er sich für Olaf Scholz als Krisenkanzler schäme.

Bei einem Auslandsbesuch in Kiew und vor laufenden Kameras und eingeschalteten Mikrofonen kompromittierte er Scholz auf übelste Weise. In Windeseile verbreiteten sich seine Worte über den Globus. So schrieb der britische „Telegraph“:

„Habeck übte offenbar unverhohlene Kritik an dem deutschen Mitte-Links-Kanzler Scholz, der sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, bei der Lieferung von Waffen an Kiew zu zaudern.“

„Ich schäme mich zutiefst“

Was der Grünen-Politiker sagte, dokumentierte der „Telegraph“ in einem Video:

Darin ist zu sehen und zu hören, wie der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister an sein Treffen mit Wolodymyr Selenskyj im Jahr 2021. Damals hätten sie übereinstimmend erklärt, dass die Kriegsgefahr real sei. Dann zeichnete Habeck sein Bild der Debatte in Deutschland nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022: „Damals begannen wir in Deutschland die Debatte, dass wir die Ukraine mit Waffen unterstützen sollten. Deutschland war damals weder willens noch in der Lage, das zu tun. Wir haben unsere Position geändert, aber es hat zu lange gedauert und es war zu spät.“

Und weiter: „Ich denke, nicht alle deutschen Politiker würden das Gleiche sagen, aber ich schäme mich zutiefst. Es war viel zu spät.“

Habecks Hinterhalt

Es ist kaum vorstellbar, dass Habeck so unprofessionell sein könnte, solche Worte über den eigenen Regierungschef in größerer Runde unter Anwesenheit zahlreicher Fernsehteams im Ausland versehentlich fallen zu lassen. Wahrscheinlich war es nicht einmal Fahrlässigkeit, sondern eine aus Rachsucht aufgrund der im Koalitionsausschuss davon getragenen Verletzungen getriebene hinterhältige Attacke.

Sicher, Habeck ist nicht der einzige und er wird nicht der letzte sein, der seinem Koalitionspartner auf offener Bühne das Messer in den Rücken sticht.

„Der Herr Bundeskanzler badet gerne lau“

Vielleicht erinnert sich noch jemand an den bärbeißigen Herbert Wehner, der im September 1973 auf dem Rückflug von Moskau nach Bonn gegenüber westdeutschen Journalisten, die ihn begleiteten, jene geringschätzige Bemerkung fallen ließ, die sich dann ebenso schnell verbreitete wie Habecks Worte in Kiew: „Der Herr Bundeskanzler badet gerne lau, so in einem Schaumbad.“

Habeck schämt sich für den seiner Ansicht nach unfähigen Krisenkanzler, Wehner stempelt Brandt als Weichei ab. In beiden Fällen sind führende Politiker auf internationalem Parkett emotional vollständig entgleist. Brandt und Wehner haben danach mehr schlecht als recht weitergemacht. Was Habecks Befund über Scholz mit der Koalition mach, bleibt abzuwarten. Dem Ansehen Deutschlands hat er ebenso wie Wehner geschadet.   

4.2
6
votes
Article Rating

Unser Newsletter – Ihr Beitrag zur politischen Kultur!

Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

11 Comments
Inline Feedbacks
View all comments
Wolfgang wirth
Wolfgang wirth
1 Jahr her

„Es ist kaum vorstellbar,
dass Habeck so unprofessionell sein könnte …“

Doch!
Es ist vorstellbar.

Ich denke, nach all dem Unsinn und Gestammel, was man von diesem überforderten Kinderbuchautor schon gehört hat, ist ihm diese Unprofessionalität wirklich zuzutrauen.

fufu
fufu
1 Jahr her

Es ist zum fremdschaemen.

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  fufu
1 Jahr her

Ja, zum Fremdschämen.

Etwa auch wieder sein neuester Aussetzer:

„Die Dinger sind ja gebaut“ – Habecks AKW-Satz in der Ukraine macht fassungslos“
(Zitat aus „Focus“: https://www.focus.de/finanzen/news/reitz-thema-des-tages-die-dinger-sind-ja-gebaut-habecks-akw-satz-in-der-ukraine-macht-fassungslos_id_190293460.html)

Hätte Scholz auch nur eine Spur Führungsstärke, so würde er ihn als Minister entlassen.
Man muss sich mal überlegen, wie Helmut Schmidt gehandelt hätte!

@ Christian Bauer

“ … die nichts anderes können.“
Exakt! Stimmt!

Christian Bauer
Christian Bauer
1 Jahr her

Über die verbalen und inhaltlichen Entgleisungen von Regierungsmitgliedern zu räsonieren ist müssig. Würde man das als Kindergeplapper abtun, würde man die Kinder herabwürdigen. Es ist das Geplappere jener Narren, die nichts anderes können.
Es wird Zeit für den Führerschein ab BT-Abgeordnetem aufwärts. Selbst zur Bäckereifachverkäuferin dürfte es bei den Helligkeitsgraden nicht reichen.

Thomas Bargatzky
Thomas Bargatzky
1 Jahr her

Schämen? Diese Kategorie ist vollkommen außerhalb des Fassungsvermögens dieser Regierungsmitglieder. Sie lassen sich von dieser Zierde der hohen Kunst der Diplomatie, Exzellenz Melnyk, beschimpfen, beleidigen und (verbal) bespucken, sie lassen sich vom US-Präsidenten wie Schuljungen zurechtweisen, sie machen sich in Asien und Afrika lächerlich und merken es wohl nicht einmal. Schämen müsste sich das Wahlvolk, das den Parteien, die diese Leute in die Regierung geschickt hat, die Stimme gegeben hat. Aber das merkt es wohl auch nicht. Was soll man da noch sagen? Wie bestellt, so geliefert.

Voltaire
Voltaire
1 Jahr her

Parteiübergreifend muss ich feststellen, dass ALLE im Bundestag vertretenen Parteien die größten Staats- und Verfassungsfeinde sind. Wäre dem nicht so, hätten wir gem. Art. 146 GG nämlich längst eine vom Volk beschlossene Verfassung.

Carpe diem.

fufu
fufu
1 Jahr her

Halt ein echter Deutscher… zwischen Realitaetsverlust,Hochmut und Schuldkomplex. Wie sagte doch Nixon „Sie hassen mich weil ich bin wie sie“.

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  fufu
1 Jahr her

@ fufu

Wann hat das Nixon zu wem gesagt?

fufu
fufu
Reply to  Wolfgang Wirth
1 Jahr her

Wenn es nicht von Nixon ist dann von fufu.

Geraldo
Geraldo
1 Jahr her

der amerikanische Traum:
vom Tellerwäscher zum Millionär
der deutsche Traum:
vom Schulabbrecher zum Bundestags-Abgeordneten

fufu
fufu
Reply to  Geraldo
1 Jahr her

Der letzte Aussenminister Italiens war vorher Getraenkeverkaeufer im Stadion. Das ist ja keine Schande. Nach zwei Legislaturen haette er eigentlich nach den Regeln der 5Sterne-Bewegung abtreten muessen. Anscheinend gefielen ihm und anderen das Politikerdasein und die hiermit verbundenen Privilegien so gut, dass sie sich der Folgeregierung um Draghi an den Hals warfen, um diesem traurigen Schicksal zu entgehen. Nach Ende der Regierung Draghi versuchte er es mit einer eigenen Partei wo er mit 0,5% scheiterte. Jetzt versucht er bei der EU unterzukommen. Wie man sieht… die Welt ist ein Dorf.

×