König Charles III. und der Stein des Anstoßes

BOULEVARD ROYAL

König Charles III. / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: 12019;https://pixabay.com/de/photos/prinz-von-wales-charles-80861/ König Charles III. / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: 12019;https://pixabay.com/de/photos/prinz-von-wales-charles-80861/

Vor der Krönung von Charles III. und Gattin Camilla entladen rumort es zwischen Engländern und Schotten. Stein des Anstoßes ist der sogenannte Krönungsstein.

Die Vorbereitungen für die Krönung von Charles und Gattin Camilla laufen auf Hochtouren. Für das Großereignis sind viele Details zu beachten, wie zum Beispiel: Zutaten und Weihe des Salbungsöls oder die Restaurierung des historischen Throns. Und an diesem wichtigen Möbelstück scheiden sich die Geister. Es geht fast schon um Sein oder Nichtsein – oder vielmehr Stein oder nicht Stein.

Dass die selbstbewussten Schotten Edward I. nicht besonders mögen, ist verständlich. Der englische König hat ihnen gezeigt, wo der Hammer hängt und sich so seinen Beinamen Hammer of the Scots redlich verdient. Er fügte dem aufmüpfigen Volk im Norden Britanniens 1296 eine schwere Niederlage bei und entwendete anschließend einen unscheinbaren Sandstein nach London. Dieser Stone of Scone hat für die Schotten eine hohe symbolische Bedeutung, geht er doch auf die mythischen Ursprünge des Volkes und seiner ersten Könige zurück. Jeder schottische Monarch musste auf dem Stein bei seiner Krönung knien, um wahrhaftig als Herrscher zu gelten. Das wusste auch Edward und setzte mit dem dreisten Raub dem militärischen Sieg die Krone auf. Seither besteigen alle englischen und später britischen Monarchen den Thron mit dem darin eingelassenen Stein. Auch bei Charles Krönung am 6. Mai soll das Ritual stattfinden. Aber der Stein ist gar nicht mehr in London!

Magische Rituale und Wahlkampfgeplänkel 

Die Spannungen im Vereinigten Königreich schwelen seit Langem und entladen sich meist zwischen Engländern und Schotten, unter denen viele die Unabhängigkeit fordern. In der Regierungszeit Tony Blairs versuchte sich Westminster an einigen Reformen, um den Landesteilen eine gewisse Autonomie einzuräumen. Nationale Parlamente im schottischen Edinburgh, im walisischen Cardiff und nordirischen Belfast sind die Leuchttürme dieser Bemühungen. Für die stolzen Schotten gab es aus London ein besonderes Geschenk: ihren Krönungsstein. Mit großen Pomp und Zinnober wurde er an Schottland zurückgegeben und liegt seither unter Panzerglas ausgestellt in der Burg von Edinburgh.

Für die Krönung von Charles soll er zurück nach London gebracht werden – doch die Schotten stellen sich quer. Das ganze Stein-Theater wächst sich zu einem veritablen Politikum aus. In Schottland tobt derzeit der Wahlkampf um die Nachfolge der zurückgetretenen Regierungschefin Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei (SNP). Sie ist wie die allermeisten Mitglieder der SNP eine glühende Verfechterin einer Loslösung aus dem United Kingdom. Ihr Vorgänger im Amt, Alexander Salmond, äußerte sich zum Schicksalsstein gegenüber Sky News gewohnt markig: „In einem Kontext, in dem die Regierung in Westminster dem schottischen Volk den legitimen Wunsch abschlägt, wenigstens ein Referendum zu veranstalten, sehe ich nicht, warum irgendeine schottische Regierung kleinlaut sagen sollte, wir geben euch das Eigentum wieder, das ihr uns vor 700 Jahren gestohlen habt.“

Fieberhafte Lösungssuche

Auch die als heiße Favoritin für das Amt der Ersten Ministerin gehandelte Ash Regan kommentiert die steinerne Krise in der Scottish Mail on Sunday: „Ich schätze die Tradition, den Stein des Schicksals in der Krönung zu verwenden, aber ich glaube, er sollte in Schottland bleiben als altes Symbol unseres nationalen Erbes.“ Böse (englische) Zungen behaupten gar, dass der originale Stein bei den Bombardements auf London im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sei und es sich beim ausgestellten Artefakt um eine Replik handele. Am Ende sind noch die Deutschen schuld, wenn Charles nicht rechtmäßig gekrönt wird!

Fieberhaft versuchen nun der Buckinghampalast, Downing Street No. 10 und die schottische Regierung eine Lösung zu finden. In den Medien kursiert ein Kompromiss-Vorschlag: Der magische Stein bleibt in Edinburgh, und Charles soll zu einem späteren Zeitpunkt dort kniend die Weihen als König der Schotten empfangen. Ob das rechtens wäre? Zumindest was seine Position als englischer respektive britischer König betrifft, haben einige Verfassungsrechtler Zweifel angemeldet.

Rituale und Traditionen sind in Monarchien das Salz in der Suppe – ohne sie geht es nicht. Sie sind sozusagen alternativlos. Da eine Krönung ein höchst metaphysischer und Ritual-getränkter Akt ist, kann oder besser darf nicht einfach auf wesentliche Elemente verzichten. Spekulationen über eine Krönung ohne den 152 Kilogramm schweren Brocken gehen sogar so weit, dass Charles dann kein rechtmäßiger Herrscher sei.

Muss Charles sein Knie beugen?

Letztlich ist das nur eine Minderheitenmeinung, denn die Herrscher-Frage ist staatsrechtlich klar geregelt: Mit dem letzten Atemzug des Monarchen oder dessen Rücktritt ist sein Nachfolger in Amt und Würden. Einer Krönung bedarf es nicht, sie ist eine religiöse Zeremonie, die in der Vormoderne für die Legitimität unabdingbar war, aber nicht mehr in heutiger Zeit. Elizabeth II. bestieg den Thron 1953 bei ihrer Krönung noch mit dem Schottenstein, der für sie neben den anderen heiligen Handlungen sicherlich unverzichtbar war.

Was macht aber Charles, wenn die Schotten weiter trotzig bleiben? Er wird sich als um die Einheit seines Reiches engagierter Monarch nicht den wenig schmeichelhaften Spitznamen seines Vorgängers Edward einhandeln wollen: Charles, Hammer of the Scots! Daher dürfte er wohl in Edinburgh auf dem Stein knien. Was das für eine Genugtuung für die Schotten wäre!

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