Rumänien – die Monarchie-Republik
BOULEVARD ROYAL
Rumänien versucht die Quadratur des Kreises: Ein republikanisches Staatsoberhaupt und eine „Kustodin der Krone“ repräsentieren Rumänien im In- und Ausland.
Nach dem Ende Nicolae Ceausescus mit seiner Gattin und inoffiziellen Co-Diktatorin Elena vor einem Erschießungskommando im Dezember 1989 gab einige Zeit später sein Kammerdiener in einem Interview Auskunft über die persönlichen Lebensgewohnheiten der beiden. Es gipfelte darin, dass nicht allein die rumänischen Königsresidenzen im Land beliebter Aufenthaltsort der Ceausescus waren, sondern dass beiden die Kronjuwelen besonders gefielen: „Die Krone trug er nur zu Hause.“
Sozusagen Nicolae I. und Königsgemahlin Elena privat – mit den Juwelen der abgesetzten Dynastie geschmückt. Was für ein Anblick muss das gewesen sein! Die Monarchie schien für beide auch in der Architektur ein Vorbild, allerdings in der geschmacklosen Variante: Der grotesk überdimensionierte, so genannte Palast des Volkes in Bukarest ist steinernes Symbol der Endphase der Ceausescus-Herrschaft.
Vom Kind-König zum „roten Michael“
Inhaltsverzeichnis
Der echte König Michael I. musste 1947 auf Druck Moskaus Rumänien verlassen, nachdem ihn die von der Sowjetunion installierte kommunistische Regierung ab 1945 vorerst als Staatsoberhaupt amtieren ließ. Rumänien war in diesen zweieinhalb Jahren bis zu seiner erzwungenen Abdankung am 30. Dezember 1947 in einer Art staatspolitischem Limbo. Einerseits war da eine stramm stalinistische kommunistische Partei und andererseits war da ein Monarch, der im Volk Rückhalt genoss. Das machte nicht allein die rumänische KP nervös, sondern auch Stalin. Dieser Widerspruch in sich – Kommunisten an der Regierung und ein König auf dem Thron – musste beendet werden. Nur die Rumänen leisteten sich im sowjetischen Machtraum Osteuropas diese Extravaganz.
Deutsche Dynastie und rumänische Identität
Michael von Hohenzollern-Sigmaringen, wie er familiär hieß, war der bisher letzte Rumänen-König und entstammte einem dieser deutschen Fürstenhäuser, die im 19. Jahrhundert fleißig junge Prinzen auf neue Throne im Ausland platzierten. Die rumänische Königsfamilie erlebte in ihren rund 80 Jahren an der Macht ein Wechselbad der Gefühle, da sie anfangs als vom Ausland oktroyiert galt und auch war. Insbesondere rumänisch-nationale Intellektuelle und alteingesessene Adlige rümpften die Nase über die Deutschen auf dem Thron.
Wie bei den anderen Prinzenexporten ging es auch im Karpatenstaat um mehr oder minder neutrale Fürsten aus alten, aber nicht sonderlich relevanten deutschen Kleinstaaten, die für die Großmächte wie England oder Russland machtpolitisch akzeptabel waren. Michaels Vorfahrin Elisabeth zu Wied heiratete den ersten rumänischen König Karl von Hohenzollern-Sigmaringen und gab der rumänischen Kultur in In- wie Ausland wichtige Impulse. Sie war eine talentierte Schriftstellerin unter dem Pseudonym Carmen Sylva.
Neben ihren eigenen Werken, zu denen auch Märchen gehören, die sie vor allen von den Siebenbürgersachsen sammelte, übersetzte sie rumänische Literatur ins Deutsche und Französische sowie umgekehrt. Sie war stilbildend in jeder Hinsicht: eine große Salonniere, die anfänglich feindselige Intellektuelle für sich und die Dynastie gewinnen konnte, passionierte Pianistin, die bei Clara Schumann Unterricht genoss, komponierte selbst Lieder nach Gedichten von Goethe und Eichendorff, machte Westerland als Seebad international bekannt, und nicht zuletzt sorgte sie für einen handfesten Skandal royal!
Elisabeth überwarf sich mit ihrem recht kühlen Gatten Karl und zog samt Hofdamen ins italienische Exil. Sie drohte gar mit Scheidung! An allen Höfen Europas waren die rumänischen Kapriolen Klatschthema Nummer eins, und die Königin reiste oft von Italien an die deutschen Höfe, um selbstbewusst ihre Sache zu vertreten. Dabei ging es ihr immer wieder um ihre eigene Literatur und Kunst sowie die ihrer Wahlheimat, die sie bei großen Aufführungen in deutschen Residenzstädten unter viel Beifall präsentierte.
Durch eine Vermittlung zwischen den Eheleuten kehrte die Königin nach Bukarest zurück und ließ dies mit Festlichkeiten im ganzen Land feiern. Sie hat etliches geleistet, um die fremde Dynastie den Rumänen nahezubringen und für die rumänische Identität wichtige Anstöße gegeben. Als ihr Neffe Wilhelm Prinz zu Wied 1914 als erster und zugleich letzter Fürst von Albanien herrschte, griff sie zur Feder und dichtete hoffnungsvoll für eine Zeitung mit der Überschrift: „Märchenland will seinen Fürsten haben“. Das Märchenland entpuppte sich als Albtraum und die Fürstenherrlichkeit dauert für Wilhelm nur eine Saison.
Stalin beendet die sozialistische Monarchie
Zu einem Albtraum entwickelte sich die Krone Rumäniens für Elisabeths Nachfahren Michael. Jener bestieg 1927 erstmals als blutjunger Sechsjähriger den Thron für seinen als amtsunwürdig angesehenen Vater Karl, der 1930 durch einen Coup d’État den Sohn wieder absetzte. Durch Gebietsverluste Rumäniens in der Frühphase des Zweiten Weltkriegs an Ungarn, das durch das Deutschen Reich und Italien protegiert wurde, kam König Karl oder rumänisch Carol II. allmählich unter Druck. Der eigentliche faschistische Machthaber im Land, Ion Antonescu, setzte den ohnehin ihm zu selbstbewussten Monarchen 1940 ab. Dafür durfte Carols Sohn Michael erneut den Thron besteigen.
In den Händen Antonescus und zwischen allen Stühlen sitzend, versuchte der knapp Zwanzigjährige den politischen Spagat. Vordergründig unterstützte er den Diktator im eigenen Land, aber versuchte gleichzeitig hinter den Kulissen mit unzufriedenen Offizieren und königstreuen Oppositionellen den Umsturz. Im weiteren Kriegsverlauf drohte die Rote Armee sein Schicksal und das seines Landes zu besiegeln. In der Hoffnung, dass Moskau sein Land schonen und ihn auf dem Thron lassen würde, setzte er Antonescu ab und beendete das erzwungene Bündnis mit Deutschland. Stalin ließ ihn tatsächlich noch bis Ende 1947 amtieren – jedoch stand er de facto unter Hausarrest.
In der Nachkriegszeit haben einige Historiker ihm Sympathien für Moskau und die Kommunisten unterstellt. Das darf als Unsinn bezeichnet werden, denn Michael war in einer nahezu ausweglosen Zwickmühle. Die Rote Armee war nicht mehr aufzuhalten, keine anglo-amerikanischen Retter in Sicht und die politische Lage in Rumänien zersplittert.
Ein halbes Jahrhundert Exil
In seiner langen Exilzeit war er als Geschäftsmann erfolgreich auf so unterschiedlichen Gebieten wie Geflügelzucht, Testpilot und Börsenmakler. Mit seiner Frau Anna von Bourbon-Parma und den fünf Töchtern war der Ex-König fester Bestandteil des europäischen Hochadels und gern gesehener Gast bei allen Hochfesten der amtierenden Royals.
Seine älteste Tochter, Margarita, ist nach Michaels Tod 2017 mit fast 100 Jahren heute das Oberhaupt der Familie. Sie und ihr Vater haben Jahre zuvor nach einem Streit mit der Familie Hohenzollern-Sigmaringen diesen Namen abgelegt und nennen sich seither nur noch „von Rumänien“. Einige Schlösser und Ländereien sind nach dem Ende des Kommunismus an die Familie zurückgegeben worden. Ion Iliescu, der raffinierte Putschist von Dezember 1989 gegen seinen eigenen Diktatoren-Chef Ceausescu, erfasste Panik. Könnte Michael die Monarchie restaurieren wollen? Daher ließ er ihn und seine Familie weiter lange aus Rumänien ausgegrenzt, aber unter Iliescus Nachfolgern entspannte sich das Verhältnis zwischen post-kommunistischem Staat und Königsfamilie deutlich.
Kustodin der Krone
Die Entspannung entwickelte sich sogar soweit, dass mit Margarita eine nominelle Königin in Rumänien wirkt, die den eigentümlichen Titel „Ihre Majestät Margarita von Rumänien, Kustodin der Krone“ trägt. Als Kustodin, also Verwalterin der Krone, spielt sie eine Rolle, in der sie als inoffizielle Botschafterin Aufgaben in und außerhalb Rumäniens wahrnimmt. Selbstverständlich in Absprache mit der Regierung pflegt sie ihre zahlreichen internationalen Kontakte.
Margarita hatte vor dem Tod ihres Vaters Karriere bei der UNO gemacht und studierte Politik in England, wo sie eine Zeit lang mit dem späteren britischen Premier Gordon Brown fest liiert war. Eine illustre Mischung an Verbindungen, die sie für ihre Wahlheimat nutzt. Sie ist mit einem ehemaligen Schauspieler, Radu Duda, verheiratet, mit dem sie kinderlos im Bukarester Elisabeth-Palast lebt.
Für Gerüchte hat diese Ehe anfangs gesorgt, war sie nicht gerade standesgemäß und der Prinzgemahl wirkt bei offiziellen Anlässen ein wenig hölzern. Kürzlich reiste er zu politischen Gesprächen ins Nachbarland Moldawien, dessen Lage sowohl von der rumänischen Regierung wie der Herrscherfamilie mit Sorge betrachtet wird. Die mehrheitlich rumänisch-stämmige Bevölkerung sieht sich von Russland bedroht und will unter den Schutzschirm der EU.
Margarita ist pro EU und NATO und verfolgt einen liberalen Kurs in Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie hat etliche Unterstützer in der rumänischen Politik, und bei einer Umfrage von 2013 über die Staatsform konnten sich rund 21 Prozent der Befragten eine Wiedereinführung der Monarchie vorstellen. Das ist zwar noch keine Mehrheit, aber ein guter Wert, auf dem sich aufbauen lässt.
Die Kustodin der Krone gewinnt mit ihrem bescheidenen, freundlichen und professionellen Auftreten mehr und mehr Anhänger. An eine Rückkehr in die Schweiz, wo sie mit ihren Eltern und Schwestern lange lebte und deren Bürgerrecht sie besitzt, denkt sie jedoch nicht: Die Familie setzt alles auf die rumänische Karte.
Nach ihrer in Rumänien beliebten dichtenden Vorfahrin Elisabeth war in Berlin-Prenzlauer Berg die heutige Erich-Weinert-Straße benannt: Carmen Sylva-Straße. Die SED ließ es ändern. In Bukarest hat sich inzwischen vieles geändert. Bleibt abzuwarten für Margarita, nach wem die Straßen künftig heißen oder wieder heißen werden. Und ob aus der kurzlebigen „sozialistischen Monarchie“ mit ihrem Vater Michael eine langlebige „Monarchie-Republik“ mit ihr und ihren Nachfolgern entsteht.