Wohlfahrtsverbände schummeln bei den Personalkosten

Wohlfahrtsverbände/ Pflege / Altenpflege / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: sabinevanerb;https://pixabay.com/de/photos/h%C3%A4nde-alte-alter-%C3%A4ltere-menschen-2906458/ Wohlfahrtsverbände/ Pflege / Altenpflege / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: sabinevanerb;https://pixabay.com/de/photos/h%C3%A4nde-alte-alter-%C3%A4ltere-menschen-2906458/

AWO & Co.: Wohlfahrtsverbände erhalten Fördermittel vom Staat und rechnen über 600.000 Euro Personalkosten ab, obwohl sie ihnen nicht entstanden sind.

In Mecklenburg-Vorpommern haben Wohlfahrtsverbände in vielen Förderprojekten Personalausgaben in Höhe von über 600.000 Euro abgerechnet, obwohl sie ihnen nicht entstanden waren. Zu den Einrichtungen gehören u. a. die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Diakonie und das Rote Kreuz. Es handelt sich um gemeinnützige Organisationen, die nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen.

Unter dem Dach der Wohlfahrtsverbände arbeitet eine Fülle meist rechtlich selbständiger Organisationen. Sie betreiben Krankenhäuser, Kindergärten und Altenheime, weiterhin sind sie in vielen anderen Sozialbereichen tätig, von der Ehe- und Familienberatung über die Jugendhilfe bis zur Schuldnerberatung. Ein Teil der Arbeit der Wohlfahrtseinrichtungen wird unentgeltlich im Ehrenamt geleistet, zugleich sind die Einrichtungen aber auch Arbeitgeber einer Vielzahl von hauptberuflichen Mitarbeitern.

Fördermittel werden für Personalkosten verwendet

Mecklenburg-Vorpommern gewährt Wohlfahrtsverbänden seit fast 30 Jahren finanzielle Mittel für soziale Maßnahmen, deren Zwecke auch im Interesse des Landes liegen. Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege erhalten Landesmittel als Erstempfänger und leiten diese an ihre Untergliederungen als Letztempfänger weiter. Außerdem gewährt das Land sowohl den Spitzenverbänden als auch ihren Untergliederungen direkt finanzielle Mittel. Aus den Fördermitteln werden in erster Linie Personalausgaben der Wohlfahrtsverbände beglichen.

Bei drei Spitzenverbänden und zwölf Untergliederungen, die Fördergelder erhalten hatten, wurden vor einiger Zeit Personalausgaben in Höhe von rund 11 Millionen Euro stichprobenweise überprüft. Dabei wurden erhebliche Verstöße festgestellt. Beispielsweise hatten ein Landes- und ein anderer Verband Personalausgaben für Beschäftigte abgerechnet, obwohl die Beschäftigten zur fraglichen Zeit noch nicht bzw. nicht mehr beim jeweiligen Verband tätig waren.

Teilweise wurden auch mehr Wochenstunden gegenüber dem Land abgerechnet, als die Beschäftigten bei den Verbänden tatsächlich geleistet hatten. Außerdem hatten einige Verbände finanzielle Mittel für Urlaubsrückstellungen als Personalausgaben deklariert, obwohl diese nicht zu tatsächlichen Ausgaben geführt hatten.

Zuschüsse für Zulagen, Einmal- und Sonderzahlungen verwendet

Zwei Landesverbände und zehn weitere Verbände hatten vielfach Landesmittel zur Finanzierung von Zulagen, Einmal- und Sonderzahlungen verwendet, die sie nicht für Tätigkeiten in den geförderten Projekten gezahlt hatten. Sie hatten diese vielmehr ausdrücklich für andere Bereiche und Aufgaben bzw. für besondere Anlässe gezahlt. Außerdem hatten sie aus öffentlichen Mitteln Urlaubs-, Weihnachtsgeld und Verbandsprämien für Zeiträume finanziert, in denen Beschäftigte nicht in den geförderten Projekten eingesetzt waren.

Zwei Landes- und sechs weitere Verbände hatten in Verwendungsnachweisen für mehrere Jahre finanzielle Mittel für Kranken-, Urlaubs-, Sonn- und Feiertags- bzw. Zeitzuschläge sowie für sonstige Sonderzahlungen abgerechnet. Diese waren weder Bestandteile der Finanzierungspläne noch von der Bewilligungsbehörde als förderfähig anerkannt.

Weitere Verstöße wurden bei der Abrechnung von Überstunden festgestellt. Die Angaben von zwei Verbänden gegenüber der Bewilligungsbehörde enthielten überdies eine Vielzahl von Fehlern und eine nicht nachvollziehbare Zusammenstellung von tatsächlichen und fiktiven Personalausgaben.

Über 600.000 Euro zu Unrecht abgerechnet

Alles in allem ergab die Überprüfung, dass gemessen am finanziellen Volumen von rund 11 Millionen Euro, die Wohlfahrtsverbände über 600.000 Euro und damit über 5 Prozent der Personalausgaben zu Unrecht abgerechnet hatten.

Die Bewilligungsbehörde Mecklenburg-Vorpommerns wird nicht umhinkommen, entsprechende Rückforderungen vorzunehmen. Inzwischen hat das Land die Zahlungen an die Wohlfahrtsverbände weitgehend zu gesetzlichen Leistungen umgestaltet. Für diese gelten dann nicht mehr die strengen Zweckbindungs- und Abrechnungsverpflichtungen, wie sie bisher üblich waren. So kann man ein Problem auch aus der Welt schaffen.

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Über Thomas Castorp

Thomas (Hans) Castorp blickt vom Zauberberg herab auf die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Fragenstellungen. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
1 Jahr her

Man ist geneigt zu fragen, ob diese Prüfung auch in anderen Bundesländern stattfindet oder stattgefunden hat? Wenn nicht, dann ist man neugierig … Ich möchte mal unterstellen, dass das Gros der bei den Wohlfahrtsverbänden tätigen Mitarbeiter nun ebenfalls entsetzt ist. — Im Hinblick auf den Tatbestand der Veruntreuung zugewiesener Gelder handelt es sich um eine Parallele zu den Vorkommnissen bei öffentlich-rechtlichen Sender rbb. Beide Male geht es um Veruntreuung angesichts eines gewollten Überflusses an lediglich zugewiesenen und nie selbst erwirtschafteten Geldern. Selbstbedienungsmentalität in planwirtschaftlichen Strukturen durch selbstherrlich gewordene Kleingeister, die häufig Teil einer sich selbst privilegierenden neuartigen Klasse sind. Außerdem… Read more »

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