Wie die Deutsche Bahn bei der Pünktlichkeit schläft und schummelt

Deutsche Bahn AG / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library; holzijue: https://pixabay.com/de/photos/verkehrssystem-zug-station-3228041/ Deutsche Bahn AG / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library; holzijue: https://pixabay.com/de/photos/verkehrssystem-zug-station-3228041/

Anders als in Österreich und der Schweiz ist bei der Deutschen Bahn Pünktlichkeit die Ausnahme. Viele Bummelzüge tauchen gar nicht in der Statistik auf.

Der Bund nimmt als Eigentümer der Deutsche Bahn AG seit Jahren hin, dass viele Züge des Fernverkehrs unpünktlich fahren. Die Bahn legt selbst fest, ab wann ein Zug als verspätet gilt, welche Werte in die Pünktlichkeitsstatistik einfließen und welche Kennzahlen sie über die Pünktlichkeit bekanntgibt.

Standardmäßig weist die Bahn für den Fernverkehr die sogenannte Fünf-Minuten-Pünktlichkeit monatlich auf ihrer Internetseite aus. Danach gilt ein Zug als pünktlich, wenn er seine planmäßige Ankunftszeit um weniger als sechs Minuten überschreitet. Komplett ausgefallene Züge werden bei der Fünf-Minuten-Pünktlichkeit nicht berücksichtigt. Gleiches gilt für Teilausfälle am Anfang oder am Ende einer Zugfahrt; die nicht angefahrenen Bahnhöfe fließen nicht in die Pünktlichkeitsstatistik ein. Selbst umfangreiche Zugausfälle senken somit die Pünktlichkeitsquote nicht.

Bahn schummelt bei der Pünktlichkeit

Im Jahr 2018 hat sich Bahn noch einen weiteren Trick einfallen lassen: Züge, die vor dem Erreichen des Zielbahnhofs eine nicht mehr einholbare Verspätung haben, stoppt die Bahn an einem Zwischenhalt und lässt sie umkehren. Diese verspäteten Züge lässt die Bahn nicht in die Pünktlichkeitsstatistik einfließen.

Das Bundesverkehrsministerium bezeichnet die Pünktlichkeit des Schienenverkehrs als eine der wichtigsten nicht-monetären Kennzahlen für den Zustand der Bahn. Im Jahr 2011 lag die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr bei 80 Prozent, in den Folgejahren stets darunter. Im Jahr 2020 übertraf die Bahn diesen Wert zwar. Dies war aber teilweise auf Sondereffekte der Pandemie – wie beispielsweise eine geringere Anzahl Reisender sowie Züge – zurückzuführen.

 Tatsächlich lag die von der Bahn um den Corona-Effekt bereinigte Pünktlichkeit im Jahr 2020 mit 79 Prozent erneut unterhalb des Wertes aus dem Jahr 2011. Insgesamt gelang es der Bahn in den letzten zehn Jahren nicht, die Pünktlichkeit im Fernverkehr zu verbessern.

In Österreich und der Schweiz ist die Bahn pünktlicher

Das Bundesverkehrsministerium ist sich der Probleme mit der Pünktlichkeit durchaus bewusst. Vor einiger Zeit hat es festgestellt, die Pünktlichkeit in den topographisch und klimatisch schwierigeren Nachbarländern Österreich und Schweiz liege etwa 10 Prozent über dem Wert Deutschlands. In einer internen Auswertung vom Dezember 2021 wird ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Deutsche Bahn so weit zurückliege. Um die Pünktlichkeit zu steigern, plant die Bahn, die Abwicklung ihrer Baustellen am Schienennetz zu verbessern. Überdies soll ein veränderter Pflanzenrückschnitt an den Strecken den Schienenverkehr weniger anfällig bei Stürmen und Schneefällen machen.

Die mit den Vorstandsmitgliedern der Bahn getroffenen Vergütungsvereinbarungen stellen ein wesentliches Steuerungsinstrument des Aufsichtsrates dar. Der Public Corporate Governance Kodex des Bundes sieht vor, dass vergütungsrelevante Ziele ambitioniert sein müssen. Das Vergütungssystem der Bahn berücksichtigt die Pünktlichkeit des Fernverkehrs als ein Kriterium für Bonuszahlungen an die Vorstandsmitglieder. Die zwischen den Vorstandsmitgliedern und dem Aufsichtsrat vereinbarten Pünktlichkeitsziele sind jedoch wenig ambitioniert. Sie sind nicht geeignet, die Pünktlichkeit entscheidend zu verbessern. Das Bundesverkehrsministerium sowie die vom Bund entsandten Aufsichtsratsmitglieder nehmen dies hin.

Aufsichtsrat muss aktiv werden

Das Bundesverkehrsministerium hat eingeräumt, dass die Pünktlichkeit des Fernverkehrs aktuell nicht zufriedenstellend sei. Ursachen für die Unpünktlichkeit der Fernverkehrszüge seien Bauvorhaben, Wetterextreme und Streiks. Zudem sei der Aufsichtsrat primär eine Kontrollinstanz, die nicht in das operative Geschäft des Unternehmens eingreifen dürfe. Dazu ist zu sagen, dass der Aufsichtsrat bei schwerwiegenden Fehlentwicklungen sehr wohl tätig werden kann.

Es bleibt dabei: Wenn sich etwas ändern soll, muss das Verkehrsministerium dafür sorgen, dass die Bundesvertreter im Aufsichtsrat der Bahn sich für ambitionierte Zielvereinbarungen mit dem Vorstand einsetzen, um Druck auf mehr Pünktlichkeit zu machen. Man kann sehr gespannt sein, ob die umweltpolitisch so ehrgeizige Ampel-Regierung hier tatsächlich Tempo machen wird.

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Über Thomas Castorp

Thomas (Hans) Castorp blickt vom Zauberberg herab auf die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Fragenstellungen. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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