Für den „Spiegel“ ist Scholz ein Feigling

Olaf Scholz (SPD) / Ukraine-Politik / / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: fsHH / https://pixabay.com/de/photos/mann-politiker-olaf-scholz-hamburg-2990405/ Olaf Scholz (SPD) / Ukraine-Politik / / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: fsHH / https://pixabay.com/de/photos/mann-politiker-olaf-scholz-hamburg-2990405/

In einem hart geführten Gespräch mit „Spiegel“-Redakteuren über vier Seiten wird Bundeskanzler Olaf Scholz zum Feigling erklärt. Ein bemerkenswerter Vorgang.

In dieser Woche erschien der „Spiegel“ mit einem düsteren Titelbild. Es zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Art Verhörsituation. Sein Profil verschwindet im Halbschatten, die Hände liegen auf der dunklen Tischplatte.

Kriminalfilme leben von solchen Bildern, deren Botschaft für jedermann sofort verständlich ist: Hier muss jemand Rede und Antwort stehen. Auch bei Scholz muss der Leser nicht lange über die Botschaft des „Spiegel“ spekulieren, sie ist der Subtext einer Frage gleich neben dem Foto: „Wovor haben Sie Angst, Herr Scholz? – Der Kanzler über sein Zaudern bei Waffenlieferungen, die Gefahr eines Atomschlags und die Schuld der SPD.“

Scholz antwortet brav

In einem vier Seiten langen Interview gehen die „Spiegel“-Radakteure den Kanzler hart an. Es geht um Krieg und Frieden, um Versagen und Schuld – im Falle der SPD sogar um eine Art Erbschuld. „Herr Bundeskanzler sind Sie ein Pazifist?“, lautet die erste, sicher nicht ohne vorwurfsvollen Unterton gestellte Frage. Als Scholz verneint, haken die Interviewer markig nach: „Warum nicht?“

Scholz rechtfertig sich und auch die SPD, die ebenso wenig pazifistisch sei. Er will erläutern, doch das wollen die Redakteure gar nicht: „Wir halten also fest“, werfen sie ein: „Weder Sie noch die SPD oder die Deutschen sind pazifistisch geprägt. Warum tun Sie dann nicht alles, was in Ihrer Macht steht, um der Ukraine militärisch gegen Russland beizustehen?“

So werden gewöhnlich Schulbuben zur Rede gestellt. Hier jedoch wird einem Bundeskanzler der Kopf gewaschen. Scholz antwortet artig: „Wir tun genau das.“

So ist er. Scholz macht nie viele Worte. So auch hier und jetzt nicht. Dabei weiß er doch, wie unterschiedlich er dabei oft interpretiert wird: als überheblich, vorsichtig, taktierend oder einfach nur hölzern. Auch müsste er wissen, in welcher Situation er sich beim „Spiegel“-Interview befindet. Ihm und seinen Leuten müsste das Kalkül der Fragesteller klar sein. Kommt er altklug daher, provoziert er. Und gerade seine kurzen Antworten wirken oft so.

Prompt wird Scholz harsch angegangen: „Seit Tagen drängen Kiew, die Bündnispartner und Politiker ihrer Koalition bis hin zur Außenministerin auf die Lieferung schwerer Waffen. Warum tun Sie das nicht?“

Im Gegensatz zu seinen Fragestellern bleibt der Bundeskanzler auch im weiteren Verlauf zurückhaltend. Er bemüht sich um Argumente und erklärt, die Bundeswehr habe aus ihren Beständen längst „Panzerabwehrwaffen, Flugabwehrgeräte, Munition, Fahrzeuge und viel Material geliefert, dass der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf unmittelbar geholfen hat“.

Scholz tut so, als ginge es in diesem Kreuzverhör tatsächlich um eine Art Beweisführung: Seht her, will er sagen, ich habe alles richtig gemacht. Doch die „Spiegel“-Leute habe ihn nicht aufgesucht, um ihm die Chance zu geben, seine Politik zu erläutern oder gar ins rechte Licht zu rücken. Sie wollen ihn in die Enge treiben, möchten Eingeständnisse hören und Rechtfertigungen.

Wovor haben Sie Angst?

Schon feuern sie die nächste Salve ab: „Andere liefern schweres Kriegsgerät, Deutschland zückt das Scheckbuch. Ist das die Rollenverteilung in diesem Krieg?“

Endlich scheint Scholz aufzuwachen. „Falsch!“, ruft er – und zuckt dann doch wieder zurück. er erläutert, was er mit den Engländern, Italiener, Franzosen, Amerikanern und Kanadiern alles besprochen und abgestimmt hat. Seine Gegenüber lassen das nicht gelten. Sie bezichtigen ihn, sich aus der Affäre ziehen zu wollen: „In Ihren Argumenten gegen die Lieferung schwerer Waffen schlagen Sie ständig Haken: Mal sind die Ukrainer nicht gut genug ausgebildet, mal sind die Waffen nicht startklar, mal können wir selbst nichts mehr abgeben. Merken Sie nicht, wie verwirrend diese wechselnden Botschaften sind?“, halten sie dem Kanzler vor.

„Spiegel“-Titel mit Bundeskanzler Olaf Scholz

Scholz wiederholt, dass Deutschland bereits Waffen ins Kriegsgebiet geliefert hat und weiterhin liefert. Dabei wagt er sich sogar ein wenig kritisch vor. Viele, sagt er, die früher gegen jede Form von Waffenexport gewesen seien, überböten sich nun jedoch mit Forderungen, noch viel mehr zu liefern, ohne die genaue Sachlage zu kennen. Wörtlich sagt Scholz: „Das nehme ich zur Kenntnis. Aber in dieser Lage braucht es einen kühlen Kopf und gut abgewogene Entscheidungen, denn unser Land trägt Verantwortung für Frieden und Sicherheit in ganz Europa. Ich halte es nicht für gerechtfertigt, dass Deutschland und die NATO Kriegsparteien in der Ukraine werden.“

Solche Kritik aber lassen ihm die „Spiegel“-Redakteure, die sich vielleicht gar selbst angesprochen fühlen, nicht durchgehen: „Das fordert Kiew gar nicht“, sagen sie. „Man bittet verzweifelt um Waffen. Wovor haben Sie Angst?“

Rumms. Da ist der Satz, der später die Titelseite zieren wird. Sie schleudern Scholz die sich quasi selbst beantwortenden Frage regelrecht vor die Füße. Herr Bundeskanzler, sind Sie überhaupt Manns genug für diesen Job in Kriegszeiten? Taugen Sie zum Feldherrn?

Jetzt kann Scholz sagen, was er will, denn die Frage transportiert die unauslöschbare Botschaft: Als Bundeskanzler ist er ein Feigling!

Politiker und Journalisten wieder kriegsbesoffen

Scholz entgegnet: „Ich tute alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben“. Auch dieser Satz hätte auf der Titelseite stehen können. Aber die Redaktion entschied sich für die Angst.

Was hier mit einem medialen K.O. endet, begann mit einer Regierungserklärung vom 27. Februar 2022. Damals hatte der Bundeskanzler von einer Zeitenwende gesprochen. Er wollte sie mit einer Wiederaufrüstung Deutschlands langsam herbeiführen. Was er nicht ahnte: Vielen geht das offensichtlich nicht schnell genug.

Erstmals seit dem 1. und dem 2. Weltkrieg sind deutsche Politiker und Journalisten wieder kriegsbesoffen. Einer nach dem anderen ziehen sie in die Schlacht gegen einen irre gewordenen Aggressor Putin. Alle wollen sie ans schwere Kriegsgerät. Die furchtbaren Bilder aus der Ukraine bringen sie nicht zur Besinnung, im Gegenteil.

Doch sie kuschen, wenn der Botschafter, dessen Land die Deutschen gerade nach Kräften militärisch und menschlich unterstützen, den Bundespräsidenten – über den jeder denken mag, was er will – auf unverschämte Art und Weise beleidigt. Und sie schweigen, wenn der ukrainische Präsident diesen Bundespräsidenten zur unerwünschten Person erklärt. Die politische mediale Elite jeden anderen Landes hätte sich diese Kritik und diese Behandlung verbeten! Aber dazu fehlt es den neuen deutschen Waffennarren an Mut und Charakter.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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Ketzerlehrling
Ketzerlehrling
1 Jahr her

Er ist eingeknickt, was die Lieferung der schweren Waffen angeht. So gesehen ist dies richtig, er ist ein Feigling. Wobei die es anders meinen.

Stefan Köhler
Stefan Köhler
1 Jahr her

Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem Drängen aus der Ampel und den Medien nachgegeben: Deutschland liefert schwere Waffen in die Ukraine, darunter 88 Kampfpanzer Leopard 1 und Flugabwehrkanonenpanzer Gepard. Für beide genannten Waffensysteme ist in Deutschland jedoch praktisch keine Munition mehr vorhanden und zudem müssen die Fahrzeuge vor ihrer Auslieferung auch noch gründlich überholt werden. Ferner müssen die Ukrainer erst noch auf diesen Panzern ausgebildet werden; es wird also noch Monate dauern, bis diese Systeme überhaupt zum Einsatz kommen können. Zur Begründung der Waffenlieferungen hält die Erklärung her, dass Putin einen Krieg gegen den Westen führe und unsere Freiheit auch an… Read more »

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
1 Jahr her

Ich war nie ein Anhänger von Scholz und sein gefährlich dummes Wort von den fehlenden roten Linien in der Coronapolitik war absolut daneben, aber im Moment ist die Gesamtlage so schlimm, dass er sogar etwas zum Aktivposten mutiert ist.Andererseits ist er im Zusammenhang mit den „Gepard“-Panzern ja doch wieder eingeknickt. Wer weiß, was noch kommt … ? Das unwürdige Verhalten des SPIEGEL hat Herr Lachmann sehr gut skizziert und analysiert. Tja, da wird eben deutlich, dass der (von transatlantischen Netzwerken instruierte) medial-politische Komplex auch auf die eigenen Leute schießen kann – jedenfalls dann, wenn sie auch nur etwas von der… Read more »

Nathan
Nathan
1 Jahr her

Scholz wurde gewählt, weil er, wie Merkel, Ruhe ausstrahlt. Aber bei Merkel war es eher eine überlegende Ruhe. Bei Scholz scheint es eine stoische Ruhe, die Hilflosigkeit bedeuten könnte, zu sein, was fatal wäre, weil er damit zeigen würde, daß er der Situation nicht gewachsen ist. Aber ist das so? Man könnte ihm nämlich unterstellen, daß er, kanzlerwürdig, das Ziel der US-diktatorischen imperialistischen NATO durchschaut hat und deren Diktatur an sich (und zum Schutz unseres Landes) abgleiten lassen wollte, solange es ginge Aber durch die Medien wurde er immer mehr in die Enge getrieben, durch die transatlantischen Kräfte in CDU,… Read more »

Janus
Janus
Reply to  Nathan
1 Jahr her

Mal abwarten. Wenn die SPD die Wahl in NRW gewinnt, kann er vielleicht seiner Partei mehr zumuten.

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