Darum hat Olaf Scholz die Bundestagswahl gewonnen
Olaf Scholz ist beileibe kein geborener Gewinner. Er musste viele Niederlagen einstecken, stand aber immer wieder auf und weiß, was es heißt, demütig zu sein.
Olaf Scholz hat die Bundestagswahl gewonnen, nicht die SPD. Jeder Sozialdemokrat, der gestern über das Wahlergebnis jubelte, sollte diesen kleinen aber feinen Unterschied verstanden haben. Denn diese Bundestagswahl war von Beginn an eine Personenwahl mit einer langen Vorgeschichte.
Sie begann im Oktober 2018, also vor fast genau drei Jahren, also Angela Merkel ihren Rückzug von der CDU-Spitze angekündigte und zugleich erklärte, die laufende Amtszeit werde ihre letzte als Bundeskanzlerin sein. So sehr Merkel bei diesen Ankündigungen mit sich selbst im Reinen schien, so wenig war es die CDU. Sofort brachen alte Gräben zwischen Merkel-Gegnern und den Merkel-Getreuen wieder auf.
Scholz war früher als die Union
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Als es um die Nachfolge Merkels an der Parteispitze ging, kandidierte der neoliberale Transatlantiker, Top-Lobbyist und Ex-Aufsichtsratschef der amerikanischen Investmentgesellschaft Blackrock in Deutschland, Friedrich Merz, gegen die von Merkel favorisierte Annegret Kramp-Karrenbauer. Zwar gewann Kramp-Karrenbauer, sie wurde jedoch von Beginn an ständig aus den eigenen Reihen kritisiert. Unter diesem Druck machte sie auch selbst Fehler und resignierte schließlich. Im Februar 2020 kündigte sie ihren Rückzug vom CDU-Vorsitz an und teilte zudem ihren Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur mit.
Wieder drehte sich das Personalkarussell, diesmal jedoch ohne Merkels Beteiligung. Friedrich Merz witterte erneut die Chance, die CDU zu übernehmen, aber auch Armin Laschet und Norbert Röttgen fühlten sich berufen. Laschet machte das Rennen und musste sich fortan gegen Nörgeleien aus der CSU wehren, deren Vorsitzender Marcus Söder nun seinen Anspruch auf eine Kanzlerkandidatur öffentlich machte. Wieder steckte die Union in einer schwierigen Personaldebatte.
Aus dieser Debatte ging Laschet nur deshalb als Sieger hervor, weil CDU-Granden wie Wolfgang Schäuble ihm die Kanzlerkandidatur retteten. An der Basis wäre Laschet von vornherein durchgefallen, seine Zustimmungswerte waren und sind miserabel. Im ersten Bundestagswahlkampf nach der Ära Merkel trat die Union also mit einem Kanzlerkandidaten an, den selbst die eigene Partei niemals aufgestellt hätte, weil sie ihm das Amt nicht zutraute.
Bei den Sozialdemokraten war Olaf Scholz zu diesem Zeitpunkt bereits seit über einem Jahr gesetzt. Scholz gab sich von Beginn verhalten optimistisch. Sein Ziel sei ein Ergebnis um die 20 Prozent, sagte er, dessen Partei damals seit Jahren kaum über 15 Prozent hinauskam. Kaum jemand hat damals an Scholz geglaubt. Wie sollte ein immer schmächtiger werdender kleiner Mann ohne Charisma das hinbekommen?
Scholz war schon oft Verlierer
Gegen Merkel hätte er es wohl nie geschafft, weil sie sich in vielen zu ähnlich sind: in ihrer Zurückhaltung, ihrer Bescheidenheit, ihrem Fleiß und die absolute Hingabe an die Politik. Wie Merkel hat Scholz zu Beginn seiner Karriere persönlich viel leiden müssen. Wegen seiner hölzernen Ausdruckseise wurde er als „Scholzomat“ verhöhnt. Er war das erste politische Opfer der von Gerhard Schröders Agenda-Politik. Nach nur zwei Jahren wählten die SPD-Delegierten Scholz 2004 mit 52,6 Prozent als Generalsekretär ab. Er jedenfalls fasste das Ergebnis so auf und trat zurück.
Es folgten weitere schwere Jahre in der eigenen Partei. Scholz erhielt auf den Parteitagen 2009, 2013 und 2017 jeweils das schlechteste Ergebnis aller stellvertretenden Bundesvorsitzenden, in den Jahren 2011 und 2015 reichte es zum zweitschlechtesten Ergebnis. Dennoch wagte er 2019 den Griff zum Parteivorsitz – und unterlag.
Aber er verstand es, sich an der Seite von Angela Merkel als Vizekanzler immer besser in Szene zu setzen. Die beiden harmonierten so gut, dass Scholz nun selbst belastende Affären wie die CumEx-Files oder die Wirecardpleite kaum etwas anhaben können. Im Wahlkampf war gar vom „Teflon-Scholz“ die Rede. Über seinen Erfolg in der heißen Wahlkampfphase sagt das freilich wenig aus.
Schon in der Corona-Pandemie sahen viele Bürger in Scholz einen vertrauenswürdigen Krisenmanager. Im Sommer lieferte ihm die Flutkatastrophe dann auch noch die zu einem ehrlichen, kompetenten und vertrauenswürdigen Krisenmanager passenden Bilder. Kein anderer Politiker konnte sich im zerstörten Ahrtal besser in Szene setzen, und keiner konnte den Menschen kraft seines Amtes so viel Geld versprechen.
Die Demut vor dem Erfolg
In den letzten Umfragen vor der Wahl schrieben ihm die Wähler die höchste Krisenkompetenz aller Kandidaten zu. Die allermeisten Wähler waren von keinem Kandidaten überzeugt, vielmehr waren sie vom Angebot der Parteien ziemlich enttäuscht. Angesichts der vielen Peinlichkeiten, Pannen und Fehltritte bei Laschet und Baerbock schien Olaf Scholz den Wählern das kleinste Übel zu sein. Mit ihm verbanden sie noch am ehesten die Hoffnung, Deutschland in eine bessere Zukunft führen zu können. Dazu passte die SPD-Kampagne, die ganz auf den Spitzenkandidaten setzte. Wo SPD draufstand, war nur Scholz zu sehen. Er versprach Respekt, billige Mieten und Wohlstand.
Während Laschet und Annalena Baerbock mit ihren Unzulänglichkeiten und Affären rangen, trat Scholz im Stil eines Steve Jobs auf die Wahlkampfbühne, hemdsärmelig, mit Headset und treffsicherer freier Rede. Da stand einer, der aus vielen Niederlagen nicht nur mentale Stärke und rhetorische Kraft gewonnen, sondern auch jene Demut gelernt hatte, die nur jene mitbringen, die wissen, wie hart es ist, nach jedem neuen Rückschlag wieder aufzustehen.
Was Herr Lachmann über Scholz schreibt, ist für sich genommen sicherlich richtig. Andererseits sollte nicht der Eindruck entstehen, dass er wegen irgendwelcher eigener Qualitäten oder Aktivitäten gewonnen hat. Nein, gewonnen hat er eher zufällig. Erstens, weil seine Konkurrenten erhebliche Fehler gemacht haben, zweitens, weil die Medien ihn hochgeschrieben haben („Mediokratie“) und drittens, weil der Trend zum „Stimmungswähler“ geht. Gerade, weil die inhaltlichen Unterschiede der Kartellpartien so gering geworden sind, dass der Wähler Mühe hat, sie zu bemerken, achtet er umso mehr auf äußerliche Dinge wie das Auftreten und Aussehen eines Kandidaten. So waren viele Wähler beispielsweise nicht fähig zu erkennen,… Read more »
In Hamburg zeigt man dem Wähler ziemlich deutlich, was er zu melden hat,nämlich nichts. Sollte die personifizierte Unscheinbarkeit namens Scholz Kanzler werden, haben ganz andere dafür gesorgt, denen er stets zu treuen Diensten war …
https://youtu.be/lGpo723N2Lg