Tonga behauptet sich als letzte Südsee-Monarchie

GEOLITICO ROYAL

Feiernde auf Tonga / Quelle: Unsplash, lizenzfreie Bilder und Grafiken, open library: Jovi Waqa; https://unsplash.com/photos/SimENATPDVs Feiernde auf Tonga / Quelle: Unsplash, lizenzfreie Bilder und Grafiken, open library: Jovi Waqa; https://unsplash.com/photos/SimENATPDVs

Tonga ist ein Königreich unter Palmen mit übergewichtigen Royals als Vorbilder für Schönheit und Gesundheit. Es ist aber auch ein Paradies mit Schattenseiten.

Das Bonner Protokoll hatte es im Vorfeld des Staatsbesuchs von Tongas König Taufaʻahau Tupou IV. 1985 mit ungewöhnlichen Wünschen zu tun: Seine Majestät bedurfte einer maßgefertigten Sitzgelegenheit. Als schwergewichtigster Monarch der Welt, mit mehr als drei Zentnern Lebendgewicht, passte er nicht in die filigranen Empire-Stühle der Villa Hammerschmidt. Für das Staatsbankett lieferte die für Messebau und Dekorationen bekannte Hamburger Firma Apfelstedt eine Spezialanfertigung, die aus einem zerlegbaren Stuhl ohne Armlehnen bestand. Auf der Sitzfläche von 70 mal 60 Zentimetern konnte es sich der oberste Tongaer gemütlich machen. Bereits bei vorangegangenen Staatsbesuchen in der Bundesrepublik saß der Monarch auf maßgefertigten Stühlen, der er gleich mit in die ferne Heimat nahm. Deutsche Wertarbeit zählte damals noch was.

Herzliche Beziehungen zu Deutschland

Deutschland steht bei Tongas Herrschern generell hoch im Kurs. Seit 1876 besteht ein „Immerwährender Freundschaftsvertrag“, der in der Regentschaft Tupous IV. zum 100-jährigen Jubiläum 1976 feierlich erneuert wurde. Es war ein kluger Schachzug seines Ururgroßvaters Georg Tupou I., der damit das Archipel vor der (deutschen) Kolonialisierung bewahrte, jedoch das Inselreich nicht davor schützte, zum britischen Protektorat herabzusinken.

Tupous schwergewichtiger Ururenkel verehrte hingegen Otto von Bismarck und hielt ihn für den bedeutendsten Politiker aller Zeiten. Seine Bewunderung ging so weit, dass er eine überlebensgroße Büste des Eisernen Kanzlers im Palast in der Hauptstadt Nukuʻalofa aufstellen ließ und drei Mal zu Staatsbesuchen in die Bundesrepublik reiste. Ein bemerkenswerter Umstand, allein schon durch die weite Strecke von 16.634 Kilometern zwischen beiden Ländern und dass traditionell Australien und Neuseeland für das Archipel die wichtigsten Länder für Politik, Handel und Militär sind. Tupou IV. sprach außerdem recht gut Deutsch und freute sich stets über Besucher aus dem deutschsprachigen Raum.

Für die Liebe zu Deutschland gibt es pikantes Gerücht, das sich auf Tonga hartnäckig hält. Hinter dem Begründer der amtierenden Dynastie, Tupou I., soll sich der Buxtehuder Seemann Hinrich Meyer verbergen, der mehr zufällig auf Tonga landete und 1845 eine Häuptlingstochter ehelichte und den Startschuss für eine Königsfamilie nach europäischem Vorbild gegeben haben soll. Ob es tatsächlich so war? Dazu hüllt sich die Herrscherfamilie in beredtes Schweigen. Zumindest verdankt das Inselreich ihm die Entwicklung zur Nation mit christlicher Prägung und das Ende zersplitterter Stammesstrukturen.

Schwergewichtige Legende: König Tupou IV.

Der lange, von 1965 bis 2006, herrschende Tupou IV. war noch ein Monarch klassischen Zuschnitts: autokratisch, standesbewusst, feudal, jedoch gütig. Seine Landeskinder wurden von ihm als solche behandelt und sie durften sich dem Herrscher nur gesenkten Blickes und bei Zeremonien zusätzlich kniefällig nähern. Am Ende seiner Amtszeit regierte er zunehmend autoritär und stärkte die Stellung der ohnehin einflussreichen 33 Adelsclans noch weiter, die das Archipel seit Jahrhunderten dominieren. Für ihn waren Parlament und demokratische Wahlen „fremdes Zeug“, das nicht zu Tonga passe.

Immerhin gibt es die weibliche Thronfolge, hat doch Tupou IV. den Thron von seiner Mutter geerbt! Allein seinen Lebensstil änderte der von schwerer Krankheit gezeichnete Tupou in seinen letzten Jahren. Er speckte gut 70 Kilo ab von einst rund 210 (!) Kilo, so dass er als neues ästhetisches und gesundheitsbewusstes Vorbild für die Tongaer galt. Letztlich konnte sich der royale Trend nicht bei den Tongaern durchsetzen. Höhepunkte für sein Fitnesstraining waren die Sperrungen der Landebahnen des Flughafens in der Hauptstadt, wenn seine Majestät mit einem für ihn und seine körperlichen Bedürfnisse gebautes, überdimensionales Dreirad darauf öffentlichkeitswirksam umherfuhr.

Seinen Tod 2006 betrauerten mit 15.000 Untertanen rund zehn Prozent der Einheimischen und Staatsgästen aus aller Welt, darunter der japanische Kronprinz und Abgesandte der Windsors. Bei Klängen der Musik Richard Wagners endete die bislang schillerndste Epoche Tongas feierlich und pompös, so wie er es liebte. Seliger Tupou IV.

Ende des Feudalismus

Beim Übergang zum neuen Monarchen, Tupou V., eine eher beim Volk unbeliebte Figur, kam es zu Demonstrationen für Demokratie und schweren Plünderungen und Brandschatzungen in der Hauptstadt mit Toten. Für das ansonsten friedliche Land war das eine Ausnahme, die sich nicht wiederholte.

Der fünfte Tupou regierte nicht allzu lange und beendete seine kurzlebige Herrschaft nach nur sechs Jahren auf dem Thron. Dabei hatte er gute Anlagen ein neuer royaler Playboy zu werden, er war lebenslustig, champagnerselig, kurz ein Schwerenöter mit einem Hang zum Uniform-Fetisch. Wo sein Vater noch standesgemäß mit der Kutsche, dem Rolls Royce und last but not least dem Spezial-Dreirad ausfuhr, hatte sein ältester Sohn ein Faible für sein Londoner Taxi, mit er sich durch die tongaische Kapitale chauffieren ließ.

Der Zukunft zugewandt und höhere Gewalt

Nach diesem Intermezzo folgte ihm sein jüngerer Bruder als, na klar, Tupou VI. auf den Thron. Der amtierende König deutet die Zeichen der Zeit richtig und versteht sich als Landesvater, der sich ernsthaft um Fortschritt und Wohlstand sorgt. Das ist auch bitter nötig, denn immer noch führt die Mehrheit der rund 150.000 Tongaer ein bescheidenes Dasein als Fischer und Bauern. Das Parlament hat im Vergleich zum legendären Vater zwar etwas mehr Rechte, aber die Adelsfamilien erben Parlamentssitze und haben gemeinsam mit dem König bei Streitfragen am Ende stets das letzte Wort.

Letztlich hält sich der Monarch mit seiner Familie jedoch eher zurück. Man will mit guten Taten beim Volk für sich werben und nicht über skurrile Auftritte und offensichtlich korruptes Verhalten. Was allerdings nicht erklärt, warum der Internetauftritt des Herrscherhauses ins digitale Nirvana führt. Aber vielleicht können alte und neue Freund beim technischen Fortschritt helfen. Dazu zählen neben Australien und Neuseeland besonders die Schweiz. Letztere ist bei der Entwicklungshilfe, insbesondere bei Berufsausbildung und Digitalisierung, ein enger Partner des Südseereichs. Vielleicht hängt die Beziehung auch mit der tongaischen Flagge zusammen, die der Schweizer auffällig ähnelt.

Deutschland, sein duales Ausbildungssystem und Made in Germany scheinen beim aktuellen Monarchen nicht mehr allzu hoch im Kurs zu stehen. Bedauerlich, hoffentlich kommt eine Einladung an das Königspaar nach Berlin, um das wieder zu ändern. Schlagzeilen machte das Inselreich kürzlich durch den Ausbruch eines Unterwasservulkans, der einen Tsunami auslöste und Küsten sowie Orte auf Tonga verheerte. Die Inselgruppe liegt nur wenige Meter über dem Meeresspiegel und ist deshalb besonders gefährdet. Wer für den Wiederaufbau spenden möchte, kann das leisten unter: Tonga: Hilfe nach Vulkanausbruch (caritas-international.de)

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