Abiturienten frustriert vom politischen System

Abiturienten / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: libellule; https://pixabay.com/de/photos/m%c3%a4dchen-englisch-w%c3%b6rterbuch-lesen-2771936/ Abiturienten / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: libellule; https://pixabay.com/de/photos/m%c3%a4dchen-englisch-w%c3%b6rterbuch-lesen-2771936/

In zwei groß angelegten Umfragen zeigten sich Abiturienten, die nun erstmals bei einer Bundestagswahl wahlberechtigt sind, tief enttäuscht von der Politik.

Das Krisenmanagement in der Bildungspolitik während der Corona-Pandemie hat viele Abiturienten, die am Sonntag erstmals zur Wahl eines neuen Bundestages aufgerufen sind, tief enttäuscht. Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler fühlt sich von der Politik allein gelassen und hat erheblich Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger verloren. Unzufrieden sind die Befragten zudem mit der Klimapolitik.

Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle Umfragen von Wissenschaftlern der Universität Paderborn in Zusammenarbeit mit dem Essener Startup ABIHOME. An der ersten Umfrage nahmen 7500 Schülerinnen und Schüler, an der zweiten 7654 Schülerinnen und Schüler aus den letzten beiden Oberstufenjahrgängen teil.

Treiber der Frustration bei Abiturienten

Rund 70 Prozent der befragten Abiturienten sagten, sie seien mit den bildungspolitischen Entscheidungen unzufrieden oder eher unzufrieden. Und 42,3 Prozent gaben an, sie würden der Politik viel weniger vertrauen als vor der Pandemie. Die Autoren der Studie sprechen von einer „Frustration der Abiturienten mit dem politischen System und seinen Entscheidungsträgern“.

Als Treiber dieser Frustration spiele die Bildungspolitik der Länder eine besondere Rolle. Dazu schreiben die Autoren der Studie:

„Sowohl in Hinblick auf die Organisation der Abiturprüfung als auch in Hinblick auf die Kommunikation zwischen Bildungsministerien und Schulen wird die Bildungspolitik während der Corona-Pandemie von den Absolventinnen und Absolventen der letzten beiden Abiturjahrgänge sehr schlecht bewertet. So stimmen 79,6 Prozent der Befragten der Aussage ,Die Politik hätte viel früher eine Lösung für das diesjährige Abitur finden müssen‘ und 80,3 Prozent der Aussage ,Die Kommunikation zwischen der Politik und den Schulen war schlecht‘ zu oder voll zu. 72Prozent sind (eher) der Meinung, dass die Belastung des Abiturs während der Corona-Pandemie von der Politik unterschätzt wurde und als Konsequenz die Ungleichheit zwischen den Schülerinnen und Schülern noch verstärkt wurde (70,9 Prozent stimmen zu oder voll zu).“

Eine Mehrheit der Schülerinnen und Schüler fühlt sich deshalb von der Politik nicht ernst genommen. In der Umfrage stimmten 65 Prozent dieser Aussage zu, und 67,8 Prozent meinten, die Politik habe in der Pandemie kein Verständnis für ihre Interessen gehabt und keine Rücksicht darauf genommen.

Dabei unterscheiden die Jugendlichen jedoch klar zwischen dem Handeln von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Politik insgesamt. So bewerteten 47 Prozent der Befragten das Krisenmanagement der Kanzlerin mit „gut“ bis „sehr gut“, während sie der Bildungspolitik auf Bundes- und Landesebene eine „schlechte“ Leistung attestierten.

Kritisch sehen die jungen Leute auch die durch das Corona-Krisenmanagement verursachten Kosten. Diese würden allein der jüngeren Generation aufgebürdet, während gleichzeitig wichtige Investitionen in Bildung und Klimaschutz zurückgestellt würden, sagten 75,3 Prozent der Befragten.

Furcht vor den Folgen des Klimawandels

Anders als bei vielen Älteren verdrängte die Corona-Pandemie bei den jungen Menschen nicht die Furcht vor den Folgen des Klimawandels. Dazu schreiben die Autoren der Studie:

„Dass neben der Bildungspolitik während der Corona- Pandemie die Angst vor den Folgen des Klimawandels eine Ursache politischer Frustration bei Erstwählern darstellt, legt auch die direkte Frage nach Sorgen vor extremen Auswirkungen des Klimawandels nahe, die 83 Prozent der befragten Abiturientinnen und Abiturienten der letzten beiden Jahrgänge zustimmend beantworten.“

Obwohl die Abiturienten mehrheitlich von schlechten Erfahrungen mit der Politik in der Corona-Pandemie sprechen, wollen 92 Prozent der erstmals Wahlberechtigten am Sonntag zur Wahl gehen. Dazu sagt die Studie:

„Nach einer Parteipräferenz bei der Bundestagswahl gefragt, gaben die jungen Erwachsenen zu 29,7 Prozent an, Bündnis 90 / Die Grünen, zu 14,6 Prozent die FDP, zu 10,5 Prozent die SPD, zu 7,8 Prozent die Linke, zu 5 Prozent die CDU/ CSU, zu 2,7 Prozent die Partei und zu 1,8 Prozent die AfD wählen zu wollen. 25,8 Prozent gaben an, noch unentschlossen zu sein.“

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

4 Comments
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Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
2 Jahre her

Die befragten Jugendlichen werden aber trotzdem zu 53 % jene Parteien wählen, die eben diese von ihnen kritisierte Coronapolitik zu verantworten haben.

Tja, was soll man dazu noch sagen?
Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlachter selber.

Was lehrt uns das außerdem?

Die Manipulation durch Oberschule und Medien funktioniert.

Eine ernst zu nehmende politische Bildung – etwa durchj die Landeszentralen für Politische Bildung – existiert nicht.

dragaoNordestino
Reply to  Wolfgang Wirth
2 Jahre her

@Wolfgang Wirth

Tja, was soll man dazu noch sagen?
Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlachter selber.

Einfach ein wenig kürzer treten, vor allem dann, wenn man die Jugentlichen erreichen möchte. Zuwenig Lebenserfahrung gehört nocht unbedingt in Ihre Klassifikation.

fufu
fufu
2 Jahre her

Im obigen Artikel kommt doch klar die naive Weltsicht zu tragen, die davon ausgeht, dass Politik in irgendeiner Hinsicht mit den Menschen zu tun haette. Und das nicht nur bei den Abiturienten.

Frido
Frido
2 Jahre her

Anders als bei vielen Älteren verdrängte die Corona-Pandemie bei den jungen Menschen nicht die Furcht vor den Folgen des Klimawandels…..“ – vielleicht verringert sich die Angst vor der Klimaerwärmung, wenn sie mal ein paar Wochen ohne Heizung und Strom zurechtkommen müssen.

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