Standpauke an die ostdeutschen Wähler

Brandenburger Tor im Sommer / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: noxoss; https://pixabay.com/de/photos/berlin-brandenburger-tor-sommer-2912622/ Brandenburger Tor im Sommer / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: noxoss; https://pixabay.com/de/photos/berlin-brandenburger-tor-sommer-2912622/

Der Bericht zur Einheit zeigt gravierende Unterschiede zwischen West und Ost. Ein Anlass für den Ostbeauftragen, die ostdeutschen Wähler scharf anzugreifen.

Deutschland ist ein Land mit zwei Lebenswelten. Es gibt eine Lebenswelt der Ostdeutschen und eine Lebenswelt der Westdeutschen. Diese beiden Welten unterscheiden sich zum einen durch harte wirtschaftliche Fakten, denn Ostdeutsche sind gegenüber Westdeutschen auch 30 Jahre nach der Einheit materiell immer noch schlechter gestellt. Zum anderen unterscheiden sie sich durch ihre politische Haltung.

Wirtschaftlich unterscheiden sich die Lebenswelten konkret beim Bruttoinlandsprodukt. Die Wirtschaftsleistung der er ostdeutschen Bundesländer erreichte im vergangenen Jahr lediglich rund 77,9 Prozent des westdeutschen Niveaus. Wird Berlin zum Osten gezählt, waren es 82,8 Prozent. So steht es im aktuellen Bericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit, in dem der Ostbeauftragte Marco Wanderwitz nicht vergisst darauf hinzuweisen, dass die Wirtschaftskraft des Ostens vor zehn Jahren noch weitaus geringer war und 2010 nur 69,6 Prozent des Westniveaus erreichte.

Ostdeutsche Lebenseinstellungen

Tatsächlich aber verdienen Ostdeutsche bis heute weniger als Westdeutsche, und sie müssen für den geringeren Verdienst auch noch länger arbeiten. An den westdeutschen Produktionsstandorten zahlen die Unternehmen ihren Mitarbeitern bei gleicher Qualifikation und kürzerer Arbeitszeit mehr Lohn. Außerdem setzten sie an ihren ostdeutschen Produktionsstandorten bis heute bevorzugt westdeutsche Führungskräfte ein.

Im März dieses Jahres lieferte die Bundesregierung aktuelle Zahlen zu en Einkommensunterschieden. Demnach gab es beim Einkommen den größten Abstand beim Auto-, Motoren-, Karosserie-, Anhänger- und Autoteilebau. „In diesem Bereich lag das Einkommen im Westen bei 5354 Euro brutto, im Osten bei 3690 – eine Differenz von 1664 Euro. Somit wurde im Westen 45,1 Prozent mehr verdient“, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann.

Deutliche Unterschiede gab es demnach auch im Maschinenbau, hier lagen die Löhne im Westen 43,8 Prozent über dem Ostniveau. In der Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten sowie von elektronischen und optischen Erzeugnissen waren es 43,4 Prozent, im sonstigen Fahrzeugbau 29,9 Prozent und der Herstellung chemischer Erzeugnisse 27,1 Prozent.

Solche Einkommensunterschiede wirken sich nicht nur auf die Rente im Alter, sondern auch auf das Lebensgefühl der Menschen und ihre Einstellungen im Lebensalltag aus. So heißt es im aktuellen Bericht zur Einheit:

„Die politischen Einstellungen in den neuen und den alten Ländern gehören zu den wenigen verbleibenden Feldern, auf denen man weiterhin charakteristische Unterschiede findet. Kennzeichnend dafür ist eine in den neuen Ländern – im Vergleich zu den alten Ländern – durchgängig skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellung gegenüber Politik.“

Schelte für ostdeutsches Wahlverhalten

Während der bis heute benachteiligte Ostdeutsche sich also kritisch mit seinen Lebensumständen, den politischen Institutionen und den Medien auseinandersetzt, begegnet der Westdeutsche diesen mit ungebrochen großem Vertrauen. Letzteres gründet sicherlich zum einen auf dem dort weit verbreiteten Wohlstand, aber vielleicht mehr noch auch auf der Erinnerung, 1990 am Ende des Kalten Krieges auf der Seite der Gewinner gestanden zu haben. Ihnen ist die Erfahrung schweren politischen Scheiterns längst nicht mehr so gegenwärtig wie bei den Ostdeutschen.

Dennoch geht der Ostbeauftragte der Bundesregierung mit der politischen Haltung vieler seiner Landsleute hart ins Gericht. Jenen, die in der Vergangenheit AfD gewählt haben, mag er nicht einmal ein Gesprächsangebot machen: „Aber es kann doch nicht die Reaktion der Politik sein, dass sozusagen als Dank für rechtsradikales Wählerverhalten noch eine besonders liebevolle Ansprache gewählt wird.“

Allen AfD-Wählern sagte er: „Das macht man nicht, weil das gefährdet die Demokratie.“ Wenn er sich die Abgeordneten der AfD in den Landtagen und im Bundestag anschaue, laufe es ihm „kalt den Rücken herunter“. Wanderwitz wörtlich: „Das sind Frauen und Männer, die nichts Gutes mit diesem Land vorhaben.“

„Dokument der Entfremdung“

AfD-Abgeordnete wollten „diese Demokratie und diese freiheitliche Grundordnung abschaffen“, sagte Wanderwitz und gab den Bürgern die Botschaft mit auf den Weg: „Das kann ich doch nicht ernsthaft als Wähler unterstützen.“

In den vergangenen Wochen hatte Wanderwitz den Ostdeutschen wiederholt „gefestigte nichtdemokratische Ansichten“ vorgehalten und dabei auf die Prägung durch die DDR-Diktatur hingewiesen. Seiner Ansicht nach müssen die Ostdeutschen 30 Jahre nach der Einheit endlich mit ihrer neuen Lebenswelt zufrieden sein. Anders sieht das etwa Die Linke. Sie nannte den Bericht, „ein Dokument der Stagnation und der Entfremdung“.

Wer wollte da widersprechen?

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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Barbara
Barbara
2 Jahre her

Oh Mann…Werter Herr Wanderwitz, glauben Sie selber was Sie da erzählen?!
Frauen und Männer, die nichts Gutes mit Deutschland vorhaben, nicht Ihr Ernst oder??
Nun zu Ihrer Chefin, was bitte ist aus Deutschland nach 16 Jahren geworden?, schlimmer geht’s kaum!
Und jetzt setzen, sechs…

Peter Schrein
Peter Schrein
Reply to  Barbara
2 Jahre her

Ab Merkel 2005 nur nur noch Regierungs- und Parteiendiktatur siehe Fraktionszwang dazu noch die namentliche Abstimmung Parlamentarier sollten die Regierung kontrollieren!

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
2 Jahre her

Wanderwitz ist ein gutes Beispiel für die Besetzung von Posten durch hörige Parteisoldaten – wie zuvor schon der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Schon im zarten Alter von 27 Jahren war er Bundestagsabgeordneter! Der Mann hat also im Grunde gar keine nichtpolitische Berufstätigkeit und Lebenserfahrung. Rechtsanwalt ist er ein bisschen nebenher. Sein Aufstieg ist ein Zeichen für eine Personalpolitik, die allein auf politische Willfährigkeit abzielt, nicht aber darauf, wirkliche Persönlichkeiten und Fachleute zu rekrutieren. Er hat halt ein Gespür dafür, was man hören will. Im Schatten von folgsamen Zwergen kann sich jene mittelmäßige Person im Kanzleramt dann sicherer und größer fühlen. –… Read more »

Sara Wegmann
Sara Wegmann
Reply to  Wolfgang Wirth
2 Jahre her

Ja, passt doch!!!

Auch in der DeDeR wurde man nur Abteilungsleiter wenn man in der SED war. Was zählt da Können und Leistung?

Die DeDeR ist übrigends auch zugrunde gegangen, weil sich Leistung nicht mehr lohnte. Wer hat jetzt Dejavu’s ?

Barbara
Barbara
Reply to  Sara Wegmann
2 Jahre her

Ich war Abeilungsleiter in der DDR. Und war nie in einer Partei. Weder in der DDR noch in Besatzungsrepupe.

Barbara
Barbara
Reply to  Barbara
2 Jahre her

Abteilungsleiter 😉

Egon Scherzer
Egon Scherzer
Reply to  Barbara
2 Jahre her

Hir muss ich mal einspringen. Die @sara hat schon Recht. Ja, Ausnahmen gab es immer.
Die Mehrheit aber war es, vor allen in großen systemrelevanten Kommbinaten.
Also bitte nicht immer gleich beleidigt sein.
Am besten regiert man wenn der ‚Pöbel‘ übereinander herfällt.

Barbara
Barbara
Reply to  Sara Wegmann
2 Jahre her

Du bist ein Linker, oder? Wir mußten teilweise rund um die Uhr Leistung erbringen. Das „winzig“ kleine Problem war die Währung, die die Judenmafia nicht anerkannte. Weder den Rubel, den Sloty, die tschechische Krone usw. Und der Witz ist ja. daß ich mit drei Ingenieuren zu Hause sitze und nicht mal Arbeitslosengeld bekomme. Jeder dahergelaufene Kanake bekommt mehr über Null. Ich werde das der Judenregierung Merkel irgendwann danken!

klaus-peter diehl
klaus-peter diehl
2 Jahre her

Die Lebenshaltung ist im Osten billiger. Das gleicht es aus
Sonst ist der Artikel super.

AlexanderD
AlexanderD
2 Jahre her

Die Ostdeutschen lesen viel mehr zwischen den Zeilen. Das hat dieser Herr noch nicht begriffen. Mit seinen Äußerungen will er also ,,Werbung“ für eine sozialistische Einheitspartei machen und alle, die eine Partei rechts von der nach links abgedrifteten CDU wählen, mit Rufmord überziehen?! Na, da ist er bei den Ostdeutschen richtig! Öffentliche Auftritte sollten damit zur argumentatorischen Herausforderung werden.

Eurone
Eurone
2 Jahre her

nomen est omen.

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