Nicht jeder Antifaschist ist ein Demokrat

Antifaschismus / Demonstration Hamburg / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Tama66;https://pixabay.com/de/photos/demonstration-hamburg-g20-menschen-2477988/ Antifaschismus / Demonstration Hamburg / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Tama66;https://pixabay.com/de/photos/demonstration-hamburg-g20-menschen-2477988/

In Deutschland gibt es mehr linksextremistische als rechtsextremistische Gewalt. Warum akzeptiert die Gesellschaft Gewalt von selbsternannten Antifaschisten?

Es gibt mehr linksextremistische als rechtsextremistische Gewalt in Deutschland. So steht es im Bericht des Bundeskriminalamtes zur politisch motivierten Kriminalität, der mit dem heute in Berlin vorgestellten Verfassungsschutzbericht zusammen betrachtet werden muss. In bemerkenswerter Deutlichkeit zeigen beide Berichte die Gefahr auf, die seit Jahren vom organisierten Linksextremismus ausgeht, ohne dabei die rechtsextreme Gefahr zu relativieren. Dabei schließt der Verfassungsschutz nicht aus, dass einzelne Linksextreme auch die Tötung eines politischen Gegners in Kauf nehmen würden.

Für alle, die sich noch an den linksextremen Terror der 1970er Jahre erinnern, ist diese Aussage sicher wenig überraschend. Und tatsächlich hat sich der Linksextremismus bis heute nicht von dieser Vergangenheit losgesagt. Nach wie vor will er das kapitalistisch ausgerichtete freiheitlich-demokratische System notfalls gewaltsam durch ein sozialistisches System ersetzen. Linksextremismus war und ist revolutionärer Kampf.

Geld vom Staat für Antifaschisten

In den Medien und damit in der öffentlichen Wahrnehmung existiert aber seit den rechtsextremen Pogromen gegen Ausländer in den 1990er Jahren ein anderes Bild. Es ist das Bild der engagierten Antifaschisten, der einen wertvollen Dienst an der Gesellschaft leistet. Entstanden ist dieses Bild mit großzügiger Hilfe der Linken (damals Ex-SED) und Teilen der SPD, die auf der Jagd nach Wählerstimmen den „Kampf gegen Rechts“ inszenierten und für sich instrumentalisierten und so ganz nebenher die linksextremistische Antifa hoffähig machten.

Seither ist ein mit dem Geld der Steuerzahler finanziertes Netzwerk sogenannter antifaschistischer Vereine und Organisationen entstanden, die mal mehr mal weniger eng mit den Linksextremisten (Antifa) kooperieren. Oder anders ausgedrückt, der Gewalt bereite revolutionäre Linksextremismus hat es geschafft, sich von dem Staat finanzieren zu lassen, den er bekämpft.

Politisch motivierte Kriminalität: Die Zahlen stammen aus dem BKA-Bericht.

In Deutschland gibt es laut Extremismusforscher Prof. Eckhard Jessen etwa 10.000 „Autonome“, die Gewalt gegen Sachen und Personen als notwendiges Mittel zur Durchsetzung ihre Ziele ansehen. Sie griffen nicht nur Rechtsextremisten körperlich an, sondern auch Angehörige der staatlichen Sicherheitsdienste, so Jesse. Im Linksextremismus gebe es die „Massenmilitanz bei Demonstrationen“, aber auch eine „klandestine Gewalt“, also die konspirative Planung und Durchführung von Gewalttaten.

Genau darin sieht Jesse den deutlichsten Unterschied zwischen linksextremistischer und rechtsextremistischer Gewalt. Rechtsextremistische Gewalt sei „stärker expressiv“ und folglich „sehr spontan“. Die Täter reagierten sich ab. Linksextremistische Gewalt sei hingegen instrumentell. „Man hat ein höheres Maß an Planungsintensität und versucht dann, die einzelnen Ziele umzusetzen“, sagte Jesse.

Gewaltbereiter Antifaschismus will „anschlussfähig“ sein

Zudem wissen linksextremistische Täter um den Schutz, den sie durch den politische geförderten „Kampf gegen Rechts“ genießen. Lange schon richten sie ihre Aktionen genau danach aus. „Man sagt immer wieder, die Taten, die begangen werden, müssen anschlussfähig sein. Die Gesellschaft muss letztlich akzeptieren, wenn man gegen sogenannte ,Faschos‘, gegen Faschisten vorgeht“, sagte Prof. Jesse auf „Deutschlandfunk Kultur“ über das Vorgehen der gewaltbereiten Antifa.

Dabei wird das Vorgehen gerade gegen Rechtsextremisten zunehmend brutaler, stellte der Verfassungsschutz fest. Jesse führt diese Entwicklung auf die gesellschaftlichen Reaktionen zurück. Linksextremisten gewännen den Eindruck, ihre Taten würden toleriert, ihnen würde ein gewisses Verständnis entgegengebracht, während der Rechtsextremismus in der Gesellschaft vollkommen isoliert sei.  

Antifaschismus muss demokratisch bleiben

„Wir haben in Deutschland in vielerlei Hinsicht eine Schieflage, also wir haben keine Äquidistanz gegenüber Rechtsextremismus und Linksextremismus. Und das führt dazu, dass viele Linksextremisten sich auf dem Vormarsch sehen.“ Sie hätten das Gefühl, sie müssten mit antifaschistischen Parolen Akzente setzen. „Und das stößt in Teilen unserer Gesellschaft durchaus auf Zuspruch.“

In gewisser Weise sei die Gesellschaft auf dem linken Auge blind geworden. Sie scheine bei den Linksextremisten zu übersehen, dass auch humane Ziele niemals inhumane Mittel rechtfertigen dürften. „Darauf müsste die Gesellschaft massiv hinweisen“, sagte Jesse. „Wenn man Rechtsextremismus bekämpft, was durchaus sinnvoll ist, muss man darauf achten, dass es in einer Form passiert, die demokratisch bleibt. Man kann sagen, alle Demokraten müssten Antifaschisten sein. Aber nicht jeder Antifaschist ist ein Demokrat.“ Das werde leider häufig übersehen.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
2 Jahre her

Ein wichtiges Thema. Dem, was Herr Lachmann schreibt, ist gewiss zuzustimmen. Was mir aber etwas fehlt, das ist eine kritische Betrachtung des Begriffs an sich. Was ist denn „Antifaschismus“ und von wem ist der Begriff geprägt worden? Die meisten werden es wissen, für andere, Jüngere hier ein kurzer Exkurs. Unter Faschismusverdacht standen gemäß der Dimitroff-These (1935) der Komintern im Grunde alle antikommunistischen Kräfte des Finanzkapitals, wobei die NSDAP lediglich als dessen radikalste Speerspitze aufgefasst wurde. Wörtlich: Der Faschismus als die „offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Wie radikal dieses kommunistische Begriffsverständnis war,… Read more »

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