Großbritanniens neue Freunde in Europa

Großbritannien; EU / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Elionas2; https://pixabay.com/de/illustrations/eu-gro%C3%9Fbritannien-2016-problematik-1473958/ Großbritannien; EU / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Elionas2; https://pixabay.com/de/illustrations/eu-gro%C3%9Fbritannien-2016-problematik-1473958/

Mit dem Ausscheiden aus der EU stellt sich Großbritannien außenpolitich neu auf. Es trifft Vereinbarungen mit der EFTA und bilateral etwa mit der Schweiz.

Die Europäische Freihandelsvereinigung EFTA hat nur noch vier Mitglieder: Die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. Großbritannien, Schweden, Österreich, Portugal und Dänemark waren zur EU übergetreten. In der Schweiz wurde von verschiedenen politischen Kreisen nach der Brexit-Abstimmung eine EFTA 2.0 angedacht, die mit Großbritannien ein größeres Selbstbewußtsein erlangen, und bessere Vertragsbedingungen mit der EU durchsetzen könnte. Eine Wiederaufnahme von Großbritannien war beim EFTA-Ministertreffen vom 26. Juni 2016 das Hauptthema. Das ist auf die Kürze der Zeit Wunschdenken geblieben.

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit fand am 18.12.2020 eine gemeinsame Sitzung von Vertretern des UK und der EFTA statt. Das Vereinigte Königreich und die EWR-EFTA-Staaten haben vereinbart, sich mindestens einmal jährlich nach dem Ende des Übergangszeitraums (31.12.2020) zu treffen. Bisher wurde einiges erreicht, hier ein Blick der Verhandlungen zwischen der Schweiz und dem UK. Insgesamt hat der Bundesrat sieben Abkommen mit der britischen Regierung ausgehandelt:

  • Luftverkehrsabkommen
  • Strassenverkehrsabkommen
  • Versicherungsabkommen
  • Handelsabkommen
  • Abkommen über die Rechte der Bürgerinnen und Bürger
  • Abkommen zur Mobilität von Dienstleistungserbringern
  • Polizeikooperationsabkommen

Großbritannien in die EFTA?

Auch über diese sieben Abkommen hinaus haben die Schweiz und das Vereinigte Königreich an der Gestaltung ihrer künftigen Beziehungen gearbeitet. Eine gemeinsame Erklärung vom 30. Juni 2020 etwa sieht eine engere Kooperation auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen vor. Mit einer weiteren Erklärung vom 21. Dezember 2020 beabsichtigen die Schweiz und das Vereinigte Königreich, Wege zur Stärkung der Zusammenarbeit im Migrationsbereich zu erkunden. Im Handelsabkommen ist zudem vorgesehen, daß die beiden Länder Gespräche über eine Weiterentwicklung und Vertiefung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen aufnehmen.

Da zum Ende 2020 die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und Großbritannien auagelaufen ist, ist die Arbeitsmarktzulassung seit dem 1. Januar 2021 je durch die nationalen Gesetzgebungen geregelt. Auf Schweizer Seite ist dies das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG). Der Bundesrat hat für das Jahr 2021 separate Kontingente für 3500 Erwerbstätige aus dem Vereinigten Königreich beschlossen.

Einer Wiederaufnahme des Königreichs in die EFTA stehen einige Erwägungen entgegen, andere sprechen dafür. Dagegen spricht, dass Großbritannien mit der EU andere vertragliche Beziehungen ausgehandelt hat, als die EFTA. Für Großbritannien ist beispielsweise die EU-Gerichtsbarkeit nicht zuständig, es gibt keine Personenfreizügigkeit, dafür gibt es Handelsbeschränkungen. Für die EFTA-Staaten gestalten sich die Dinge genau anders herum. Nun könnte das Abkommen mit dem Königreich zum Muster für weitere Verhandlungen werden, ein Grund warum sich Merkel und Macron gegen das Abkommen mit Johnson solange gesträubt haben.

Es gibt zahlreiche EU-Länder, die den Euro nicht haben und relativ problemlos aus der EU austreten können, wenn sie aus Brüssel noch länger geärgert werden. Für die Nordstaaten wäre eher die Brüsseler Geldpolitik ein Grund, für die Oststaaten die Migrationspolitik.

Es könnte fürs Erste ein Block mit 156 Millionen Einwohnern entstehen, dem sich später auch Österreich und die Niederlande anschließen könnten:

UK 66,7 Millionen Einwohner
Schweiz 8,6 Millionen Einwohner
Norwegen 5,4 Millionen Einwohner
Liechtenstein 0
Island 0,4 Millionen Einwohner
Polen 37,9 Millionen Einwohner
Tschechien 10,7 Millionen Einwohner
Ungarn 9,8 Millionen Einwohner
Dänemark 5,8 Millionen Einwohner
Schweden 10,3 Millionen Einwohner
Summe 155,6 Millionen Einwohner

Nord-Süd-Spannung belastet EU

In umgekehrte Richtung würde vermutlich Schottland in die EU eintreten. Wenn die Südeuropäer mit ihrer laxen Haushaltspolitik das Übergewicht bekommen, würde es immer wahrscheinlicher, dass auch  Finnland und das Baltikum die Seite wechseln.

Es ist einerseits die Nord-Süd-Spannung, welche die EU belastet. Es ist aber auch die ewige Stänkerei der Grünen, die sich als Spaltpilz erweisen könnte. Die Briten und die Osteuropäer haben striktere Vorstellungen von Demokratie. In der EFTA, die ein reines Handelsbündnis ist, hätten sie mehr Spielraum das Subsidiaritätsprinzip zu pflegen.

EFTA und EU wären nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch auf Augenhöhe, weil London und Paris gleichermaßen den Atomknopf drücken können. Derzeit hat die EU 446 Millionen Einwohner und ein BIP von 12,5 Billionen €. Die EFTA hat 14 Millionen Einwohner und ein BIP von etwa einer Billion €. Alleine durch den Wechsel von Großbritannien würde sich die Einwohnerzahl der EFTA auf 80 Millionen erhöhen und das BIP auf 3,4 Billionen €.

Mit dem Übertritt des Visegradblocks würde die Einwohnerzahl der EFTA 143 Millionen betragen, das BIP 4,2 Bio. €. Wechseln ganz Osteuropa, Dänemark, Finnland und die Niederlande würden 220 Millionen Einwohner die EFTA bevölkern mit einem BIP von 5,4 Bllionen €. Für die EU würden dann noch 306 Millionen Einwohner verbleiben mit einem BIP von 10,5 Billionen €.

Sicher, alle Blicke in die Zukunft sind spekulativ. Man weiß nicht, ob die EU nach dem Abtritt von Angela Merkel doch noch eine demokratische Erneuerung schafft und die obigen Überlegungen ins Leere laufen. Es scheint jedoch wahrscheinlicher, dass die EU mit dem derzeitigen Führungspersonal und der aktuellen Machtphilosophie zerfallen wird. Vor 35 Jahren haben nur wenige die unmittelbar bevorstehende Implosion des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) vorausgesehen. Und trotzdem gab es ihn kurz danach nicht mehr.

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Über Wolfgang Prabel

Wolfgang Prabel über sich: "Ich sehe die Welt der Nachrichten aus dem Blickwinkel des Ingenieurs und rechne gerne nach, was uns die Medien auftischen. Manchmal mit seltsamen Methoden, sind halt Überschläge... Bin Kommunalpolitiker, Ingenieur, Blogger. Ich bin weder schön noch eitel. Darum gibt es kein Bild." Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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Allbehend
Allbehend
3 Jahre her

Das sind sehr interessante Überlegungen – allerdings mit vielen Unbekannten. Eine der gefährlichsten bekannt Unbekannten sind Forderungen und Durchsetzungen des WEF und dessen sichtbaren und unsichtbaren Mitgliedern:

Z.B. fordert das WEF unter anderem mit verkündeten „Eight Predictions bis 2030“ die komplette Enteignung der Menschen. Sie können sich das Notwendige dann nur noch vom Staat leihen (Miete zahlen für das enteignete Klein-Häuschen an den Staat)…

…Übrigens wird das Wirken der gen-basierten Impfungen ebenfalls mächtige Folgen haben – z.B. den zeitverzögerten Ausbruch tödlicher Krankheiten von zig-Tausenden, siehe Prof. Dr. Dolores Cahill: Tödlicher Gesundheitsschutz, oder Prof. Dr. Stefan Hockertz…

Ulrich Bohl
Ulrich Bohl
3 Jahre her

Das Verfallsdatum einer EU die undemokratisch von unfähigem
Personal geführt wird kann man nicht voraussagen, aber sie hat in dieser Form keine Existenzberechtigung. Wenn es nicht bei den
Anfangserfolgen Großbritanniens ( z.B. Impfen ) bleibt kann das durch-
aus Signalwirkung haben und evtl. Polen und Ungarn als erste
Kandidaten zum Austritt veranlassen. Weitere werden folgen, der
Weg ist durch Großbritannien geebnet worden.

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
3 Jahre her

Ein wirklich sehr interessanter Beitrag. Danke! Ich halte die von Herrn Prabel skizzierten Möglichkeiten keineswegs für abwegig. Man muss die britische Politik in den nächsten Jahren wirklich sehr bewusst beobachten! Die Briten sind in politischer Hinsicht wahre Meister im Bohren dicker Bretter und dass sie sich von ihrer alten Politik der balance of powers verabschiedet hätten, das dürfte eher Berliner und Brüsseler Wunsch als tatsächliche Wahrheit sein. Insbesondere muss man bei ihnen zwischen oder hinter den Zeilen lesen … und Worte und Handlungen trennen! Für die osteuropäischen Staaten der Visegrád-Gruppe war der Grund für den Beitritt zur EU letzlich immer… Read more »

Ketzerlehrling
Ketzerlehrling
3 Jahre her

Die EU in dieser Form, mit quasi allen Hungerleidern in Europa als Vollmitgliedern und einer gemeinsamen Wähung, hätte nie entstehen dürfen. Eine Freihandelszone in Europa, von mir aus erleichtertes Reisen ohne Reisepass, die Möglichkeit, in anderen europäischen Ländern zu leben und zu arbeiten, das alles ist ok. Aber nicht dieses totalitäre Konstrukt namens EU, welches den Kontinent in ein Konzentrationslager verwandelt. Wenn schon eine engere Union von europäischen Staaten, dann bitte von denen, die auf Augenhöhe sind. Heisst Österreich, Schweiz. Liechtenstein, Deutschland, die Benelux-Staaten, die Skandinavier. Alle anderen benötigen Visa, ihr Aufenthalt ist begrenzt, keine Sozialleistungen etc.

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