Steinmeier zwickt das Nato-Korsett
Ausgerechnet Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der noch in der Ukraine-Frage für jede Eskalation zu haben war, kritisiert nun die Nato. Der Wochenrückblick im „Sonntagspanorama“.
Die Briten haben für den Brexit gestimmt. Die Sehnsucht nach der glorreichen (imperialen) Vergangenheit war wohl zu übermächtig. Die „taz“ schreibt, warum der 23.06.16 kein Independence-Day für Großbritannien ist und sie zurück ins Körbchen müssen:
„Die Briten müssen in die EU zurückkehren. Nicht offiziell natürlich, aber faktisch. Die Blaupause dafür existiert bereits: Norwegen. Das Land ist kein EU-Mitglied, weil die Wähler das so wollten, es gehört stattdessen dem Europäischen Wirtschaftsraum an, um einen vertieften Freihandel mit Europa zu genießen. Das mag attraktiv klingen, ist es aber nicht: Damit der Binnenhandel funktioniert, müssen die Norweger fast alle EU-Gesetze übernehmen – freilich, ohne dass sie ein Mitspracherecht in Brüssel hätten. Zudem ist der Deal auch noch teuer: Die Norweger müssen jährlich 388 Millionen Euro an die EU zahlen. Pro Kopf überweisen sie damit genauso viel nach Brüssel wie die Briten, obwohl sie offiziell unabhängig sind. Der Brexit wäre also eine ökonomische Nullnummer.“
Mit dem Norwegen-Modell würde für Großbritannien auch die vieldiskutierte Arbeitnehmerfreizügigkeit weiter gelten.
Normale Menschen im Ausnahmezustand der Bestialisierung
Inhaltsverzeichnis
Man kann die Verbrechen der Nationalsozialisten, die erschreckende Bestialisierung von normalen Menschen, im Kontext eines Ausnahmezustandes betrachten. Oder man setzt mit dem späten Antisemitismus Martin Luthers auf dem Sterbebett an und attestiert den Deutschen eine spezifische Form der Judenfeindlichkeit, die als virulente Ideologie durch die Jahrhunderte waberte und unter der Herrschaft der Nationalsozialisten zur vollen Epidemie ausbrach.
Der Journalist Jean Hatzfeld berichtete 1994 aus Ruanda über den Völkermord an der Tutsi-Minderheit. Er hat seitdem das Land mehrmals besucht und sagt heute:
„Es gab weder ein nachvollziehbares Motiv noch eine rationale Erklärung. Dieser Völkermord war ein vollkommen irrationales Geschehen. Man muss es mit dem vergleichen, was sich zwischen 1939 und 1941 in Deutschland abspielte. Dafür gibt es ebenfalls keine rationale Erklärung. Da setzte sich ein System von Propaganda, Witzeleien, Zoten, Drohungen und Gewalt auf den Straßen in Gang, das mit Beginn des Zweiten Weltkrieges im Völkermord gipfelte. Für die Ereignisse in Rwanda kann man Erklärungen vorbringen, historische Umstände heranziehen, auf die belgischen Kolonialherren oder Frankreich verweisen. Aber all das wird keine überzeugende Antwort auf die Frage liefern, warum Menschen eines Tages plötzlich zur Machete greifen, um ihre Nachbarn zu töten. Dieses Gemetzel war von surrealer Effizienz. Innerhalb von drei Monaten wurden nur mit Macheten, ohne Gewehre oder industrielle Infrastruktur, hunderttausende Menschen getötet.“[1]
Asylanträge von georgischen Straftätern
- „Ich war Schäfer, dann wurden mir fünf Schafe gestohlen, und einmal ist ein Auto in meine Herde gefahren, deshalb musste ich nach Deutschland kommen.‘
- „Mein Haus ist vor 20 Jahren abgebrannt.“
- „In der Straße, in der ich wohnte, war eine Gruppe Jugendlicher, die haben mich so komisch angemacht. Das war mir zu unsicher.“
In Sicherheitskreisen heißt es, das sei ein typisches Muster. Es würden unbegründete Asylanträge gestellt, weil bekannt sei, dass das genüge, um lange legal in Deutschland zu bleiben. Nach Polizeierkenntnissen befinden sich etwa 60 Prozent der georgischen Täter in den Deliktfeldern Ladendiebstahl und Wohnungseinbruchdiebstahl in Asylverfahren.
BKA und LKA warnen schon länger vor georgischen Banden. Ungerührt plant die deutsche Bundesregierung als Nächstes die Visumpflicht für Georgien aufzuheben.
Säbelrasseln und Kriegsgeheul gegen Russland
Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier startet gerade einen interessanten Ausbruchsversuch (aus dem Nato-Korsett). Diversen Medien sagte er:
„Was die Sanktionen angeht, so habe ich manchmal das Gefühl, dass es einigen nicht um die Sache, also die Lösung des Ukraine-Konflikts, sondern einzig und allein um die Schwächung Russlands geht. Das können wir – schon aus eigenem Interesse – nicht wollen. Sanktionen sind kein Selbstzweck, sie dürfen auch kein Selbstläufer sein. In den Außenministertreffen der NATO scheint es manchmal so, als sei Russland für uns beinah der einzig verbliebene militärische Gegner.“
Laut NATO-Militärbefehlshaber Petr Pavel legen absolut keine geheimdienstlichen Informationen die Vermutung nahe, dass Russland die Baltenstaaten erobern will. Es ist also so, wie es der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin formuliert:
„Die baltischen Staaten sind nicht tatsächlich durch Russland bedroht, sie fühlen sich bedroht.“
Im Gegenzug steht das Nato-Angriffsbündnis für Kriegslüsternheit und Mord. Ein Beispiel dafür ist die völkerrechtswidrige Intervention im Jugoslawien-Krieg. Russland habe damals stillgehalten, betont völlig zu Recht der Linken-Politiker Gregor Gysi.
Das schwarze Schaf der Woche
„Ein radikalisierter Moslem schießt am Sonntag in Orlando auf 100 Menschen und tötet die Hälfte. Es ist das schlimmste Attentat seit 9/11 in den USA. Es bestimmt den Kampf ums mächtigste Amt der Welt. Doch in der ARD herrscht König Fußball. Die ARD sendet am Montag danach drei Fußballspiele hintereinander (…)Die Diktatur der Dummheit auf Gebühr am Tag nach Orlando ist ein Skandal. Und der Skandal des Skandals ist es, dass es offenbar niemanden mehr empört, dass die ARD selbst an so einem Ausnahmetag den Löffel abgibt und nur an der größtmöglichen Quotensteigerung interessiert ist.“[2]
Das ist nun wirklich ein peinliches Gesülze des Ex-ZDF-Journalisten Wolfgang Herles. Ich wüsste ja nicht, warum Deutschland stillzustehen hätte, wenn am anderen Ende der Welt in einem waffenvernarrten Land ein Amokläufer 49 Menschen ermordet. Das Problem ist nicht, dass Deutsche Fußball gucken, sondern dass ein Amokläufer einen Präsidentschaftskampf um das höchste Amt dieser Welt bestimmt. Aber gegen so viel Irrsinn können wir wohl nichts tun, außer die Füße stillzuhalten und eben EM-Spiele anzuschauen.
Abgesehen davon werden immer dann Konflikte geschürt, wenn die Tat eines Einzelnen/eines Irren auf der allgemeineren Ebene der Gruppenidentität diskutiert und anschließend die Menschen länder- und kontinentübergreifend zu Bekenntnissen pro oder kontra bestimmter Kulturen, Religionen usw. aufgerufen werden.
Warum eskalieren die USA durch Drohnenangriffe die Konflikte im Nahen Osten? Weil sie ihre Freiheit durch lokal (!) und nicht global (!) agierende Islamisten bedroht sehen. Diesen autoerotischen US-Narzissmus, der zwanghaft alles auf sich selbst beziehen muss, gilt es zu attackieren. Der Luftwaffenstützpunkt im pfälzischen Ramstein, über den die US-Armee praktisch alle tödlichen Drohnenangriffe in Afrika und Vorderasien abwickelt, muss daher geschlossen werden.
Exemplarisch für nervige Vereinnahmungen im Zuge einer grotesken Bedeutungsüberschätzung und den von interessierter Seite ausgerufenen globalen Kampf der Kulturen ist auch die stehende Wendung, dieses Mal hervorgebracht vom israelischen Botschafter Yakov Hadas-Handelsman auf einem Israel-Kongress in Frankfurt am Main: „Terroristen greifen die ganze Welt an. Die meisten Europäer begreifen nicht, dass Terroristen, die Israel attackieren, die ganze westliche Zivilisation im Visier haben.“ – Auch das israelische Besatzungsregime darf geschlossen werden.
Das weise Schaf der Woche
„Der Historiker wolle bloß zeigen, wie es eigentlich gewesen ist, lautet ein berühmter, oft zitierter Satz Leopold von Rankes, des Begründers der modernen deutschen Geschichtswissenschaft. Leopold von Ranke ist seit bald 130 Jahren tot und der Optimismus seines nur scheinbar bescheidenen Satzes längst überholt. Die Ansicht, es gebe eine einzige (und zudem einzig richtige) Deutung der Vergangenheit, ist schon vor Generationen der Einsicht gewichen, dass die Geschichtswissenschaft nur Interpretationsangebote machen kann. ‚Denn Geschichte ist nicht naturgegeben, sondern eine kulturelle Schöpfung, ein Artefakt (…) im Spannungsfeld von Fakt und Fiktion‘, wie es die deutsche Historikerin Nicole Münnich von der Humboldt-Universität ausdrückt“, schreibt Michael Martens im „Jahrbuch Religionsfreiheit 2015“.
Mein interaktiver Tipp der Woche:
A reporter’s photographs and cellphone videos from a road trip in one of the world’s most violent war zones in Syria.
Anmerkungen
[1] http://www.nzz.ch/feuilleton/jean-hatzfeld-spricht-ueber-rwanda-die-einen-mordeten-die-andern-schwiegen-ld.87084
[2] http://www.rolandtichy.de/kolumnen/herles-faellt-auf/fussball-ist-unser-leben-und-in-der-ard-unser-gehirntod/