Der kriminelle Kampf gegen die AfD
Wie weit darf der Kampf gegen die AfD gehen? Ihre Gegner verüben Anschläge, bedrohen Hotels, Gastronomen und Vermieter. Wo ist die Freiheit der Andersdenkenden?
In der politischen Auseinandersetzung mit der AfD werden zunehmend Grenzen überschritten. Dabei geht es längst nicht mehr nur Stilfragen. Der Umgang mit der AfD wirft Fragen nach dem demokratischen Verständnis ihrer politischen Gegner und nach dem Wert der Freiheit in der Gesellschaft auf. Wer Mitglied der Alternative für Deutschland ist, muss nämlich Stigmatisierung, Ausgrenzung am Arbeitsplatz und sogar körperliche Gewalt fürchten.
Auf dem Bundesparteitag in Hannover gab die Versammlungsleitung die Warnung der Polizei weiter, die Delegierten sollten am Abend möglichst nicht allein die Tagungsstätte verlassen, sie sollten keine Dinge sichtbar bei sich tragen, mit denen sie sich als Parteimitglieder oder Sympathisanten zu erkennen gäben, weil die Polizei Übergriffe befürchte und sie einzelne Personen nicht schützen könne. Wann hat es das in Deutschland zuletzt gegeben, dass Mitglieder einer demokratischen Partei Gewalt vom wem auch immer fürchten müssen, wenn sie einen Parteitag besuchen?
Furcht vor Gewalt
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Die Sorge um ihre körperliche Unversehrtheit war aber nicht das einzige Problem der AfD-Delegierten in Hannover. Viele standen plötzlich ohne Hotelzimmer da. Sie waren ihnen gekündigt worden, da Unbekannte gegenüber den Hotels dubiose Drohungen ausgesprochen hatten, sagte der niedersächsische Landesvorsitzende Paul Hampel. Dabei war die Partei froh, überhaupt in Hannover untergekommen zu sein. Zuvor hatte hatten zahlreiche Absagen größerer Hallenbetreiber aus mehreren Bundesländern abgesagt. „Als Privatperson bin ich der Meinung, dass dadurch ein falsches Signal von Kassel ausgegangen wäre“, sagte Kassels Kämmerer Christian Geselle. Er ist kein Einzelfall. „Von etwa 30 Anfragen wurden weit über die Hälfte erkennbar aus politischen Gründen abgelehnt“, sagte Pressesprecher Christian Lüth. Die Partei habe sich Absagen aus Berlin eingehandelt, aus Dortmund und anderen nordrhein-westfälischen Städten, aus Bayern und Hessen.
Auf solche Ablehnung stößt die AfD tagtäglich, und nicht nur, wenn sie einen Bundesparteitag ausrichten will. In Thüringen etwa scheiterten nun Bürgerdialoge der Partei in Jena, Gotha und Gera. Alle drei Veranstaltungen konnten nicht stattfinden, da die Hotelmanager die Räumlichkeiten teilweise sehr kurzfristig absagten. Der Grund war Angst vor Randale, Störungen, Belästigungen, gewalttätigen Angriffen und Farbbeutelattacken. Ähnlich erging es der AfD bei der Buchung der Ausweichräumlichkeiten.
Offener Diskurs wird verhindert
Begonnen hatten die Boykottaktionen mit einem offenen Brief des Studentenrats (STURA) in Jena, teilte die AfD-Fraktion mit. Danach habe es eine Reihe von teilweise anonymen Anrufen und E-Mails an Hotels gegeben. Im Übrigen habe der DGB ein in Teilen wortgleiches Schreiben verschickt.
„Es ist schlimm genug, dass gesellschaftliche Gruppen solche Boykottaktionen unterstützen und sich nicht für einen offenen Dialog einsetzen. Noch erschreckender sind allerdings die mehr oder minder subtilen Drohungen, denen sich die Hotels ausgesetzt sahen“, sagt die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Wiebke Muhsa. „Wenn Hotel-Managern am Telefon gesagt wird, man werde das Hotel verschönern, es werde laut und man werde das tun, was man in solchen Fällen immer tue, dann ist für einen Unternehmer klar, dass das für das Haus, Gäste und Mitarbeiter keine angenehmen Konsequenzen sein werden.“ Sie könne die Hoteliers gut verstehen, aber genau durch solche Drohungen werde ein offener Diskurs verhindert. „Linksextremisten schaffen durch Erpressung die Meinungsfreiheit in unserem Land partiell ab“, sagt Muhsal
Aus den GEOLITICO vorliegenden Schreiben von Hoteliers an die AfD ist die Angst der Hoteliers und Gastronomen deutlich herauslesen:
„Ich möchte Ihnen nochmals versichern, dass es mir peinlich ist, dass ich Gästen absagen muss. Ich leite das Hotel seit 16 Jahren und habe so etwas noch nicht erlebt. Der Druck und persönliche Anfeindungen der letzten zwei Tage haben eine nicht geglaubte Dimension erreicht“, schreibt der Manager einer renommierten großen Hotelkette.
Ein anderer formuliert:
„Nach einem offenen Brief der STURA FSU Jena an uns und an alle Jenaer Medien, einer angemeldeten Demonstration gegen Ihre Veranstaltung vor unserem Haus und diversen Androhungen, Ihre Veranstaltung mit allen Mitteln zu stören und zu verhindern, besteht begründeter Anlass, dass Ihre Veranstaltung den reibungslosen Geschäftsbetrieb, die Sicherheit und das Ansehen des Hotels gefährden.“
Als einziger ging der Direktor des Best Western Hotels Der Lindenhof in Gotha an die Öffentlichkeit:
„In den letzten Tagen verschärfte sich die öffentliche Debatte um die AfD enorm, die für mich zum Zeitpunkt der Buchung nicht absehbar war“, schrieb er in einer Pressemitteilung. Und weiter: „Seit gestern gibt es nun vor allen in den sozialen Medien Aufrufe zu Protestaktionen vor unserem Hotel und Boykott-Bewertungen. Besorgt bin ich, weil der Druck von der Straße – egal, aus welchem politischen Lager er kommt – dramatisch wächst. So sollten politische Differenzen nicht ausgetragen werden. Ich hätte mir gewünscht, dass man das Gespräch mit mir sucht und unser Hotel nicht mit einem medialen und persönlichen Shitstorm überzieht.“
In Sorge um das Wohl und die Unversehrtheit seiner Gäste und seiner Mitarbeiter habe er „nach Beratung mit der Gothaer Polizei“ den für den 1. Dezember gebuchten Vertrag mit der AfD storniert.
AfD-Chefin als Mieterin unerwünscht
In Baden-Württemberg ist Parteichef Jörg Meuthen selbst Opfer solcher Aktionen geworden. Auch ihm, der Spitzenkandidat der AfD bei der Landtagswahl im kommenden März ist, werden kurzfristig Veranstaltungsräume storniert, weil die Gastronomen dort ebenfalls Drohungen von mutmaßlichen Linksextremisten erhalten.
Besonders fragwürdig aber wird die Form der politischen Auseinandersetzung, wenn sie tief in das Privatleben eingreift. So sucht etwa Parteichefin Frauke Petry seit geraumer Zeit eine Wohnung in Leipzig. Es ist nicht so, dass sie keine passende fände, denn das Angebot ist nach wie vor groß. Doch jedes Mal, wenn bekannt wird, wer die Wohnung anmieten will, werden Zusagen wieder gebrochen, landen bereits geschriebene Mietverträge im Papierkorb.
Die AfD-Vorsitzende ist eine Persona non grata. Zweifellos muss jeder Vermieter die Freiheit haben, sich seine Mieter selbst aussuchen zu können. Aber was sagt es über das Freiheitsverständnis einer Gesellschaft aus, wenn die politische Meinung so sehr zu Ausgrenzung und Stigmatisierung führen, dass es Menschen nicht mehr möglich ist, ihren Alltag zu organisieren? Wenn man wegen seiner politischen Haltung keine Wohnung mehr findet, weil die Vermieter bedroht werden und Anschläge gegen ihre Immobilie fürchten müssen? Wenn man vielleicht keinen Arbeitsplatz findet, weil man die „falsche“ Meinung vertritt?
Hat denn die Linke die Mahnung Rosa Luxemburgs vergessen?
„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der »Gerechtigkeit«, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die »Freiheit« zum Privilegium wird“, schrieb sie.
Über 30 Anschläge
Im heutigen Deutschland gilt diese Maxime wohl nicht mehr. In der AfD der Partei wird darüber berichtet, dass Mitglieder am Arbeitsplatz von Betriebsräten wegen ihres Engagements für die AfD eingeschüchtert würden. In nordrhein-westfälischen Großstädten trauen sich die AfD-Mitglieder nicht, den Info-Stand in der eigenen Fußgängerzone aufzubauen. Lieber fahren sie von Essen nach Dortmund und umgekehrt, weil sie fürchten, in der Nachbarschaft und am Arbeitsplatz geschnitten zu werden, wenn ihr Engagement bekannt wird.
In Ostdeutschland gehen die Gegner der AfD bereits mit brutaler Gewalt vor. Über 30 Anschläge verübten sie auf Einrichtungen der Partei. Vor wenigen Tagen erst griffen mutmaßlich linksextreme Täter ein AfD-Bürgerbüro in Chemnitz mit einem Sprengsatz an. Dabei erlitten mehrere AfD-Mitglieder ein Knalltrauma. „Es bestand Lebensgefahr für alle Beteiligten“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Uwe Wurlitzer.
Gegen solche Vorfälle wirkt die mutmaßlich von der linksextremen Antifa und „Die Partei“ initiierte „Spendenaktion“ geradezu belanglos. Ihr Ziel ist es, der AfD durch Finanztransaktions-Gebühren zu schaden. Bei der Überweisung von zehn Cent müsste die AfD beispielsweise 25 oder 35 Cent Gebühren zahlen. Dazu postete die Antifa in den sozialen Netzwerken: „Eine Sofortüberweisung kostet den Zahlungsempfänger 0.9 Prozent des Betrages + 0,25 €; bei einer Spende von 0,10 € ergeben sich damit Kosten in Höhe von 0,15 € für die AfD (…) Nur unserer Spenden können die AfD noch ,retten’’.
Tatsächlich scheint die AfD-Spendenaktion ein großer Erfolg zu werden. Seit dem Aufruf am 7. Dezember haben Mitglieder und Förderer der Partei bereits weit über eine halbe Million Euro zukommen lassen.