War die AfD ein Fehler, Herr Lucke?
AfD-Chef Bernd Lucke rechnet mit Frauke Petry ab und droht mit einer „angemessenen Reaktion“ auf dem Parteitag in Essen, wenn seine Pläne nicht aufgehen.
Seit Monaten wird die AfD von einem heftigen Machtkampf zwischen Bernd Lucke auf der einen und Frauke Petry auf der anderen Seite erschüttert. In der Folge wurde in einer nächtlichen Telefonkonferenz dem Bundesgeschäftsführer völlig überraschend die Kündigung avisiert, der Schatzmeister trat zurück und ein Delegiertenparteitag musste kurzfristig abgeblasen werden. Außerdem beschäftigt sich das Bundesschiedsgericht mit der auf dem Bremer Parteitag beschlossenen Satzung. Über all das rutschte die Partei in den Meinungsumfragen ab. Anfang Juli soll nun ein Mitgliederparteitag in Essen eine neue Parteiführung wählen. Fragen zu alldem an Bernd Lucke:
Herr Lucke, hätten Sie sich vor zwei Jahren vorstellen können, dass es der AfD nun wie Griechenland geht. Bei beiden fragt man sich: Sind sie noch zu retten?
Bernd Lucke: Griechenlands Rettung ist gescheitert. Jedenfalls im Euro. Aber das sagen wir ja schon lange. Die AfD hingegen muss nur die Weichen richtig stellen. Anders als Griechenland haben wir unsere Zukunft selbst in der Hand.
Na ja, derzeit präsentiert sich die Partei in einem ähnlich traurigen Zustand: Ihre Führungsmannschaft bekämpft sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Hans-Olaf Henkel will die Partei gar von bestimmten „Elementen säubern“. Woher nehmen sie Ihren Optimismus?
Lucke: Trotz des öffentlich ausgetragenen Streits sind wir in den Umfragen gerade um einen Prozentpunkt gestiegen. Wir haben eine solide, stabile Basis in der Wählerschaft. Wenn der Parteitag in Essen jetzt Führungspersonen wählt, denen der Wähler vertraut, sind die Perspektiven der AfD sehr gut.
Letztlich führte der Bremer Parteig zur weiteren Zuspitzung des Führungsstreits. Sie und Frauke Petry, die als künftiges Führungsduo gehandelt worden waren, haben inzwischen jede weitere Zusammenarbeit an der Parteispitze öffentlich ausgeschlossen. Was daran ist positiv?
Lucke: Frauke Petrys Griff nach der Macht begann schon vor Bremen. Und sie will halt lieber ein Führungsduo mit Marcus Pretzell bilden. Nun ja, was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Der Bremer Parteitag selbst war ein großer Erfolg. Wir haben die Satzung verabschiedet und sehr intensiv über Sozialpolitik debattiert.
Sie bekamen die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Satzung, aber der Streit in der Parteiführung ist weiter eskaliert. Mal ganz ehrlich: Haben Sie selbst Fehler gemacht?
Lucke: Ich hätte die Programmarbeit und die inhaltliche Positionierung der AfD früher und deutlicher vorantreiben sollen. Das habe ich aufgrund der vielen Wahlkämpfe vernachlässigt. Allerdings lag die Zuständigkeit für das Programm nicht bei mir sondern bei meinem Ko-Sprecher Konrad Adam. Später hat Gustav Greve das übernommen, und seither läuft der Programmprozess sehr gut. Aber wir sind spät dran.
Wenn Sie sich die zum Teil doch sehr hart geführte Auseinandersetzung zwischen Ihnen und Frauke Petry vor Augen führen: Haben Sie da Ihrer Ansicht nach etwas falsch gemacht?
Lucke: Ich bestreite entschieden, dass ich die Auseinandersetzung hart geführt habe. Im Gegenteil: Ich habe es hingenommen, dass Frau Petry und Herr Gauland mich immer wieder über die Medien angegriffen haben. Ich halte gar nichts davon, so etwas öffentlich auszutragen, denn das schadet der Partei. Und deshalb habe ich auf jegliche Verteidigung oder Gegenangriffe verzichtet.
Sie sollen einem Vorstandsmitglied ins Gesicht gesagt haben, dass sie es nicht mehr dabei haben wollten. Stimmt das?
Lucke: Nein. Ich kenne dieses Gerücht, aber es ist nicht wahr. Es ist vielmehr so, dass Frau Petry und Herr Gauland immer wieder öffentlich sagen, sie könnten mit mir nicht zusammenarbeiten. Das nehme ich zur Kenntnis. Und der Bundesparteitag wird dies hoffentlich auch tun, wenn er über den künftigen Vorstand zu entscheiden hat. Davon einmal abgesehen arbeite ich mit vielen Parteifreunden sehr gut und vertrauensvoll zusammen – auch mit Leuten wie Verena Brüdigam und Piet Leidreiter, die als ausgesprochene Lucke-Gegner in den Vorstand gewählt worden sind.
Ein ehemaliges Mitglied des Bundeschiedsgerichts erhebt schwere Vorwürfe gegen Sie. Demnach sollen Sie das Gericht dazu missbraucht haben, innerparteiliche Gegner auszuschließen. Was sagen Sie dazu?
Lucke: Das Bundesschiedsgericht hat diese Darstellung entschieden zurückgewiesen. Sie kann schon deshalb nicht wahr sein, weil das Gericht keinen einzigen Parteiausschluss beschlossen hat. Richtig ist, dass der ehemalige Richter mich gebeten hatte, einen anderen Richter in seinem Sinne zu beeinflussen. Das ist völlig unzulässig und wurde von mir abgelehnt. Aber die anderen Richter haben daraufhin seinen Rücktritt verlangt und seitdem grollt der Mann.
Die AfD ist ja mal als Alternative zu den Altparteien angetreten. Sie war voller Euphorie und Tatendrang. Wie kam es so schnell zu diesen tiefen zwischenmenschlichen Verwerfungen. Wie konnte sich das Führungspersonal so schnell heillos zerstreiten?
Lucke: Wir kannten uns ja nicht, als wir die AfD gründeten. Wenn Fremde miteinander arbeiten, müssen sie Respekt und Vertrauen aufbauen. Das ist mit den meisten gelungen, mit einigen aber nicht. Auch Ehrgeiz und Machtstreben können Vertrauen zerstören und das sehen wir nun leider in der AfD.
Das heißt, es ist ein Machtkampf, der da ausgefochten wird?
Lucke: Aber sicher, Frauke Petry will mich stürzen und sich selbst den Vorsitz sichern. Natürlich ist das ein Machtkampf.
Es heißt doch immer, es gebe einen Flügelstreit. Wo genau liegen denn die inhaltlichen Differenzen zwischen Ihrem Flügel und dem von Frauke Petry?
Lucke: Frauke Petry und ich gehören beide keinem Flügel an sondern repräsentieren trotz mancher Meinungsunterschiede die Mitte der Partei. Aber Frauke Petry nimmt es einfach hin, wenn einige Personen das Ansehen der AfD schädigen, indem sie mit platten Parolen oder bizarren politschen Vorstellungen Aufmerksamkeit auf sich ziehen oder unverhohlen am rechten Rand um Zustimmung werben. Das halte ich für die größte Gefahr, der die AfD derzeit ausgesetzt ist.
Inhaltliche Differenzen gibt es nicht?
Lucke: Doch, aber nur im Rahmen des normalen Meinungsspektrums einer Partei. Und das ist für die Partei positiv, weil damit unterschiedliche Wähler angesprochen werden. Wobei Frauke Petry und ich sicherlich nicht einmal das ganze Spektrum der Inhalte abdecken, die in der AfD ihr Zuhause haben können.
Treten Sie auf dem Essener Parteitag als Vorsitzender an? Und mit wem würden Sie gerne die Partei führen?
Lucke: Ich trete an, denn wir haben die historische Chance, eine neue, bürgerliche Volkspartei zu werden. Und ich möchte die Partei führen mit Vorstandsmitgliedern, die für unterschiedliche politische Strömungen stehen und dennoch loyal und vertrauensvoll miteinander arbeiten können.
Könnten Sie sich vorstellen, die Partei zu führen, wenn gleichzeitig Frauke Petry, Alexander Gauland oder auch Beatrix von Storch in den Vorstand gewählt würden?
Lucke: Ich kann mir bei den genannten Personen gar nicht einen solchen Mangel an Selbstachtung vorstellen, dass sie für einen Bundesvorstand kandidieren, in dem ich Vorsitzender bin. Sie haben doch alle gesagt, dass sie mit mir nicht zusammenarbeiten können. Da würden sie ja ihre gesamte politische Glaubwürdigkeit einbüßen.
Auf dem Bremer Parteitag haben Sie den bemerkenswerten Satz gesagt: „Ich bin kein Teamplayer.“ Wie begründen Sie dann Ihren Anspruch, eine Partei führen zu können?
Lucke: Ich sehe da keinen Widerspruch. Manche Dinge müssen nun mal zügig erledigt werden und gerade in freiwilligen Teams kann man dann nicht warten, bis ein Teamkollege Zeit gefunden hat, sich seinen Aufgaben zu widmen. Ich bin für eine klare Verteilung der Zuständigkeiten im Bundesvorstand. Jedes Vorstandsmitglied muss seinen Aufgabenbereich haben und diese Aufgaben erledigen. Er kann das allein oder im Team machen, je nachdem, was besser ist. Hauptsache, es geht voran.
Zur Lösung der innerparteilichen Auseinandersetzungen haben die Landesvorsitzenden jüngst den Rücktritt des gesamten Vorstands und die Einsetzungen eines Übergangsvorstandes durch das Schiedsgericht vorgeschlagen. Sie haben sich dem verweigert. Warum?
Lucke: Weil das völlig unnötig ist. Das war ein Manöver, das Frauke Petry und ihr Sekundant Albrecht Glaser eingefädelt haben, um den Mitgliederparteitag zu verhindern. Sie hofften, einen Übergangsvorstand einsetzen zu können, der alles wieder umstürzt.
Sie haben unlängst den „Weckruf“ als Verein in der AfD gegründet. Warum?
Lucke: Lange davor haben sich in der Partei andere Gruppen gegründet, die sich vernetzt und organisiert haben. Durchweg Gruppen, die irgendwie auf der Gauland-Petry-Pretzell-Höcke-Linie unterwegs sind. Das hat viele Mitglieder verunsichert, die nicht wollen, dass aus der AfD eine bloße Protest- und Wutbürgerpartei wird. Der Weckruf ist nun die Antwort: Er richtete sich an diejenigen, die deshalb an einen Austritt dachten. Das allein sind nach heutigem Stand 4000 Menschen. Die machen sich große Sorgen um die Zukunft der Partei. Wir wollen ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind. Statt den Mitgliederschwund einfach hinzunehmen, stabilisiert der Weckruf die Partei.
Anders als die anderen Gruppierungen ist der Weckruf wie eine Partei in der Partei über die Länder organisiert. Wollen Sie damit letztlich eine neue Partei gründen?
Lucke: Nein, der Weckruf ist ein Verein. Die Patriotische Plattform ist auch ein Verein. Andere Gruppen in der Partei sind Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Irgendeine Rechtsform muss man haben. Und glauben Sie mir: Wenn wir eine neue Partei hätten gründen wollen, hätte es einfachere Wege gegeben.
Es gibt die Befürchtung, dass Sie mit den „Weckrufern“ geschlossen die AfD verlassen, wenn Sie auf dem Parteitag Ihre Ziele verfehlen. Planen Sie so etwas?
Lucke: Wir haben keineswegs vor, auszutreten. Wir wollen vielmehr mit der AfD erfolgreich sein. Und das geht, wenn wir die richtigen Entscheidungen treffen. Sollte sich der Parteitag aber so entwickeln, dass wir uns ernsthaft Sorgen über die Zukunft der AfD machen müssen, werden wir eingehend darüber nachdenken, wie man angemessen darauf reagieren kann. Ich würde sicherlich keinen überstürzten Alleingang machen, sondern mich daran orientieren, wie die anderen Weckrufler und auch Parteifreunde, die nicht im Weckruf sind, die Lage einschätzen. Aber noch einmal: Ich glaube und hoffe, dass es gar nicht erst dazu kommen wird.