Henkels Amoklauf in der AfD
Hans-Olaf Henkel kämpft gegen seine eigene Partei und rettet sich selbst mit seinem Rücktritt vor der Abwahl auf dem Bundesparteitag. Der Amoklauf eines Sonderlings.
In Bremen kämpft die AfD um jeden Prozentpunkt für den Einzug in die Bürgerschaft. Dort wird am 10. Mai gewählt, und die Partei liegt bei knapp fünf Prozent. Da kann sie wohl jede Unterstützung gebrauchen, aber ganz sicherlich keinen spektakulär inszenierten Rücktritt aus dem Bundesvorstand, der noch dazu mit finsteren Andeutungen über einen Rechtsruck der AfD und charakterlichen Defiziten von Vorstandsmitgliedern begründet wird.
Hans-Olaf Henkel hatte nur AfD-Chef Bernd Lucke persönlich über seinen Rückzug informiert. Der Rest der Partei erfuhr davon aus den Medien. Deutlicher hätte er den anderen Vorstandsmitgliedern kaum zeigen können, wie sehr er sie geringschätzt.
„Spinner und Pleitiers“
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„Mir fällt es zunehmend schwer, mit bestimmten Personen zusammenzuarbeiten“, sagte Henkel der FAZ und beklagte, dass nicht mehr Wert darauf gelegt worden sei, „möglichst keine Karrieristen, Rechtsideologen, Spinner und Pleitiers“ in die Partei aufzunehmen. „Heute bezahlen wir dafür den Preis“, so Henkel und stellte fest: „Daran sind die Medien mit schuld.“
In der Vergangenheit hatte sich sein Verhältnis zu den Medien merklich verschlechtert. Aus seinen Äußerungen über sie sprach oftmals nur noch Verachtung. Und doch wählte er für seinen Rücktritt nun ausgerechnet noch einmal diese Bühne, die er früher als Kolumnist selbst so gern bespielt hatte, und nutzte sie zur Abrechnung mit den AfD-Sprechern Frauke Petry und Konrad Adam, mit AfD-Vize Alexander Gauland und dem nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Marcus Pretzell.
Im Vorstand gebe es „drei Personen“, die Parteichef Lucke immerzu attackierten, sagte Henkel, wobei jedem, der die Verhältnisse kennt, klar war, dass nur Petry, Adam und Gauland gemeint sein könnten. Henkel weiter: „Was sich einige im AfD-Vorstand geleistet haben, sprengt alles, was ich in allen anderen Aufsichtsgremien bisher erlebt habe.“ Ihnen sei ihre plötzliche Prominenz zu Kopf gestiegen.
Und über Pretzell sagte Henkel: „Wenn jemand in einer anderen Partei so oft die Unwahrheit gesagt hätte, wäre unsere Partei die erste gewesen, die seinen Rücktritt verlangt hätte (…) In jeder anderen Partei wäre diese Person schon längst weg vom Fenster.“
Zum Hinterbänkler degradiert
So spricht einer, der mit vielen in seiner eigenen Partei fertig ist. Doch spätestens seit dem Landesparteitag der Berliner AfD weiß Henkel auch, dass viele in der Partei mit ihm fertig sind. Bei der Wahl der Delegierten für den Bundesparteitag degradierten sie ihn auf Platz 37 sozusagen zum Hinterbänkler. An der Basis ist der Unmut über Henkel seit langem groß. Seine Aussage, er schäme sich für bestimmte Mitglieder und seine wiederholten Forderungen, bestimmte Leute auszuschließen, werden ihm ebenso wenig verziehen wie seine öffentlich gewordene Mail an AfD-Sprecher Adam, in der Henkel schrieb: „Selten wurde ich Zeuge einer so dramatischen Persönlichkeitsveränderung. Ein Drama! Ich hoffe, der letzte Akt wird bald aufgeführt und Sie treten von der Bühne.“
Inzwischen wird darüber spekuliert, ob Henkel spätestens zum geplanten Bundesparteitag im Juni endgültig der AfD den Rücken kehren wird. Anlass ist eine Äußerung im Bundesvorstand vom Dienstag. Dort soll er dem Vernehmen nach die Rückzahlung von rund 3000 Euro Mandatsträgerabgabe gefordert haben. Im Gegensatz zu den meisten anderen AfD-Europa-Abgeordneten habe Henkel seine Abgabe bereits im Januar für das gesamte Jahr bezahlt, heißt es. Seine Rückzahlungsforderung habe er damit begründet, nun wie die Mehrheit der Abgeordneten auch auf eine monatliche Zahlung wechseln zu wollen.
An diese Begründung glauben einige führende AfD-Mitglieder jedoch ebenso wenig wie daran, dass Henkel auf dem Parteitag noch einmal in den Bundesvorstand gewählt werden könnte. Ihm selbst dürften spätestens mit seinem katastrophalen Abschneiden bei der Delegiertenwahl in Berlin ernsthafte Zweifel gekommen sein. Auf die Machtverteilung im Vorstand hat sein Rückzug vorerst keinen Einfluss. Dort verfügt Parteichef Lucke auch ohne seinen Unterstützer Henkel über eine solide Mehrheit. Dennoch bedauere er Henkels Entscheidung, sagt Lucke. „Ich hätte ihn gern im Vorstand behalten.“
„Im Dunstkreis des Rechtsradikalismus“
Lucke genügt es aber nicht, den Vorstand hinter sich zu wissen. Er kündigte an, den Parteiflügel um Petry und Gauland nun mit Hilfe der Basis in die Schranken weisen zu wollen. In einem Schreiben an die Parteimitglieder bittet er dringend darum, einem Mitgliederentscheid zuzustimmen, der jeglichen Kontakt mit „Organisationen im Dunstkreis des Rechtsradikalismus“ untersagt.
Mit dem Entscheid sollen sich die Mitglieder zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, zur parlamentarischen Demokratie sowie zur Mitgliedschaft Deutschlands in Nato und EU bekennen.
In Bremen will die AfD die Flügel-Konfrontation und den Henkel-Rücktritt möglichst heraushalten. Spitzenkandidat Christian Schäfer sagte, es müssten „alle Facetten der Partei“ zur Geltung kommen. Er sei zuversichtlich, dass auch der Bundesparteig im Juni einen Vorstand wählen werden, der die ganze inhaltliche Breite der Partei abbilde.