Die größte Insolvenzverschleppung
Wer beendet endlich diesen Wahnsinn? In ein paar Monaten wird mit Griechenland ganz Europa wieder vor dem Trümmerhaufen einer sinnlosen Rettungsorgie stehen.
Oops they did it again. Ein weiteres Mal wird das eigentlich schon bankrotte Griechenland vor der Pleite „gerettet“. In Anbetracht der desolaten wirtschaftlichen Lage ist mittlerweile auch dem Letzten klar, dass nicht wir die Griechen gerettet haben, und nun abermals retten, sondern unsere Banken, welche leichtfertig Geld an Griechenland verliehen haben.
Hätten Politik und Bevölkerung in den besagten Ländern der sogenannten Rettungspolitik nicht zugestimmt, sähe die unsrige aber auch die Bankenlandschaft bei unseren Nachbarn in Frankreich etwas anders aus.
Wohin die „Rettungsmilliarden“ flossen
Inhaltsverzeichnis
Bis dato hat Griechenland von den Euro-Mitgliedsländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) rund 226 Milliarden Euro erhalten. Jedoch flossen davon lediglich 15 Milliarden in den unmittelbaren Betrieb des Staates, wie beispielsweise in die Gehälter von Staatsangestellten und in Renten. Addiert man die indirekten Staatsausgaben hinzu, kommt man auf 27 Milliarden Euro – ungefähr elf Prozent der Gesamtsumme.
40 Milliarden Euro wurden für Zinszahlungen, 81 Milliarden Euro wurden zur Ablösung fälliger Kredite verwendet und 9 Milliarden Euro gingen an den IWF – summa summarum 132 Milliarden Euro flossen allein in den Schuldendienst. Das ist mehr als Hälfte der Griechenland-Hilfen. Der Schuldenschnitt 2012 schlug mit knapp 35 Milliarden Euro zu Buche und weitere 48 Milliarden Euro benötigte das Land, um seine maroden Banken am Leben zu halten. Wie wir sehen, ist das Geld also keinesfalls weg – es hat nur jemand anderes.
Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit. Vor der Einführung des Euros wurde uns allen weisgemacht, dass niemand für die Schulden der Anderen haften muss. Die CDU hat dies selbst noch auf einen Flyer gedruckt. Darauf stand:
„Was Kostet uns der EURO? Muss Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen? Ein ganz klares Nein! Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die EU oder die anderen EU-Partner für Schulden eines Mitgliedstaats haften. Mit dem Stabilitätspakt wird von vornherein sichergestellt, dass die Nettoneuverschuldung auf unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Die Euro-Teilnehmer werden daher auf Dauer ohne Probleme ihren Schuldendienst leisten können. Eine Überschuldung eines Euro-Teilnehmerstaats kann daher von vornherein ausgeschlossen werden.“
Dummerweise brachen ausgerechnet Deutschland gemeinsam mit Frankreich als erstes die Regeln des Stabilitätspakts und heute kümmert sich niemand mehr darum. Wofür Regeln, wenn sich keiner daran hält?
Schäubles Lügen
Im Juni 2010 musste dann, aufgrund der prekären wirtschaftlichen Lage einiger europäischer Länder, der sogenannte Rettungsschirm EFSF implementiert werden. Die FAZ bot Finanzminister Schäuble die Wette an, dass der erste Euro-Rettungsschirm (EFSF) verlängert wird. Schäuble erwiderte:
„So lange Angela Merkel Bundeskanzlerin ist und ich Finanzminister bin, würden Sie diese Wette verlieren. Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart.“
Dies ist jedoch keineswegs der Fall, denn auf Rettungsschirm 1 (EFSF) folgt der unbefristete Rettungsschirm 2, auch ESM genannt. Die Wette hat er damit klar verloren. Was der Wetteinsatz war, ist nicht bekannt, allerdings haften wir Bürger dafür in Milliardenhöhe.
Im Oktober 2011 verkündete Schäuble noch:
„Der europäische Rettungsschirm hat eine Obergrenze von 440 Milliarden Euro – auf Deutschland entfallen 211 Milliarden. Und das war es. Schluss.“
Durch die Zusammenlegung von EFSF und ESM sprechen wir mittlerweile schon von wesentlich mehr.
Im Februar 2012 wurde Herr Schäuble ertappt, als er dem portugiesischen Finanzminister Vitor Gaspar Hoffnungen machte.[1] Er hatte offensichtlich jedoch nicht die Absicht dies uns Steuerzahlern mitteilen zu wollen. In einem augenscheinlich unbeobachteten Moment teilte er Gaspar mit, dass man die Spar-Auflagen etwas entschärfen könne: Sollte eine „Anpassung des portugiesischen Programms“ notwendig sein, „werden wir das machen“. Jedoch erst, nach der Entscheidung über Griechenland-Hilfen. Im Anschluss folgte folgender Satz unseres Finanzministers, der sich unbeobachtet fühlte:
„Aber meine Abgeordnetenkollegen im Parlament und die öffentliche Meinung in Deutschland müssen glauben, dass wir es ernst meinen, denn die vertrauen schon unseren Entscheidungen zu Griechenland nicht.“
Sechs Monate später gewährte die EU Portugal Zeit, die Staatsfinanzen zu sanieren. Heute ist Portugal wirtschaftlich gesehen am Boden, und junge Menschen verlassen mangels Perspektive das Land.
„Wir haben das Sch,immste hinter uns“
Im Dezember 2012 hielt dann Herr Schäuble die Krise für überwunden und behauptete ganz keck:
„Wir haben in der Eurokrise das Schlimmste hinter uns“ und „die Regierung in Athen weiß, dass sie die anderen Euro-Staaten finanziell nicht überfordern darf. Deshalb treibt sie jetzt die Reformen ja auch voran.“[2]
Mittlerweile wurde das Land kaputt gespart liegt wirtschaftlich gesehen in Trümmern. Die Arbeitslosenzahlen Griechenlands sind uns lediglich aus Zeiten der Weimarer Republik bekannt und wir wissen alle was daraus erwachsen ist. Sollte es der EU auch gelingen diese Regierung zu kaufen, möchten wir uns nicht ansatzweise vorstellen, was für eine Regierung dann folgen wird.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man heute bezüglich Griechenlands zweifellos von Insolvenzverschleppung sprechen kann. Als Insolvenzverschleppung wird die Nichtantragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bezeichnet. Egal welche Maßnahmen uns jetzt von der griechischen Regierung präsentiert werden, Griechenland ist so pleite, dass es niemals mehr ohne einen Schuldenschnitt auf die Beine kommt. Die Staatsverschuldung ist heute höher wie vor dem letzten Schuldenschnitt.
Sollten wir weitere Gelder „genehmigen“ werfen wir gutes Geld schlechtem hinterher. Wir werden zweifellos das Geld nie wieder sehen. Uns sollte allen klar sein, dass Griechenland niemals seine Schulden bezahlen wird, wenn selbst Deutschland als Exportweltmeister in Jahren mit Rekordsteuereinnahmen keinen Cent seiner Schulden zurückbezahlt.
Statt den Kapitalismus wirken zu lassen und das Land endlich mit einem Schuldenerlass und einem Euroaustritt zu erlösen, wird an der bitteren und nachweislich gescheiterten Rettungsmedizin festgehalten – und das obwohl alle Indizien dafür sprechen, dass die Medizin die letzten Jahre nicht gewirkt hat. Die Staatsverschuldung und die Arbeitslosenzahlen sind noch immer auf Rekordniveau. Über 3 Millionen Griechen haben keine Krankenversicherung und sind komplett aus dem System gefallen. Die Verelendung und Verarmung ist beispiellos.[3] Die Industrieproduktion befindet sich auf dem Stand von 1983.
Gibt es eigentlich eine Steigerung von Pleite? Nun hat der deutsche Bundestag mit großer Mehrheit der Griechenland Hilfe zugestimmt und das obwohl 75% der deutschen Wähler dagegen sind. Mut macht, dass es anscheinend noch 32 Realisten im Bundestag gibt und diese dagegen gestimmt haben. Dies war eine rein politische Entscheidung aber leider keine sinnvolle und ökonomische Entscheidung.
Schmerzhafte Heilung
Wir sind sicher, dass wir über kurz oder lang wieder über die gleichen Probleme sprechen werden, sich Griechenlands Situation nicht verbessern wird und es weitere Gelder benötigen wird. Ganz nach dem Motto: Nach der Rettung ist vor der Rettung. Anstelle andauernd den Euro und die Banken und Märkte zu retten, sollte man endlich die Menschen retten. Aus diesem Grund:
Griechenland muss sofort aus dem Euro austreten und seine eigene souveräne Währung einführen um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Dann benötigt Hellas einen Schuldenerlass und im Anschluss einen Marshallplan, wie Deutschland nach dem 2. Weltkrieg, um wieder eine wertschöpfende Industrie aufzubauen. Dieser muß an strukturell, tiefgreifende Reformen geknüpft sein.
Dieses Geld würde dann tatsächlich in das Land fließen, dort wirken und den Menschen dienen und nicht in der Finanzbranche versickern. Nur damit können wir die europäische Idee retten, wirklich helfen und uns solidarisch mit den Not leidenden Menschen in Griechenland zeigen. Innerhalb der Eurozone und des Zinskorsetts der EZB wird das Land niemals gesunden. Im Übrigen auch nicht Portugal, Italien, Frankreich und Spanien.
Die Heilung wird nicht ohne Schmerzen einhergehen, aber nur so können wir das Land vor dem sicheren volkswirtschaftlichen Exodus retten. Nochmals müssen wir erinnern, dass Währungsunionen immer zum Scheitern verurteilt sind, und wir erleben dieses Scheitern momentan live und in erster Reihe. Das Problem ist nur, dass wir dafür auch zahlen werden. Nicht nur monetär. Der gesellschaftliche Schaden und die tickende politische Zeitbombe durch extreme Parteien sind nicht abzuschätzen.
Die Vergangenheit sollte uns eine deutliche Warnung sein. Schon jetzt ist die Bilanz der Wertegemeinschaft und des Euros absolute verheerend und eine beispiellose Serie von Vertragsbrüchen und fatalen, falschen politischen Entscheidungen: Etliche Länder sind volkswirtschaftlich gesehen auf dem Niveau von vor 20-30 Jahren, Millionen Menschen sind ohne Arbeit, ohne Perspektive und ohne adäquate Altersvorsorge. Es wird eine Altersarmutswelle auf Europa zukommen, die jegliche Vorstellungskraft übersteigt und niemand stemmen kann.
Nach der Rettung ist vor der Rettung
In ein paar Monaten wird Griechenland wieder vor dem Trümmerhaufen der Rettungsorgie stehen und unser Parlament muss dann abermals über Griechenland abstimmen. Werden die Abgeordneten wieder Herrn Schäuble & Co glauben oder werden sie, bei der nächsten Abstimmung, endlich nach ihrem Gewissen und den Fakten entscheiden und ihm und der keineswegs zielführenden Rettungspolitik die rote Karte zeigen und dem teuren Wahnsinn ein Ende bereiten?
Anmerkungen
[1] Siehe Stefan L. Eichner, „Die Euroretter haben Portugal brandgerodet“, GEOLITICO vom 9. Juli 2013
[2] Günther Lachmann, „Wie Schäuble und Merkel die drohende Katastrophe verschleiern“, GEOLITICO vom 28. Dezember 2012
[3] Stefan L. Eichner, „Griechenland versinkt in Armut“, GEOLITICO vom 22. Oktober 2014