Salafisten kennen keine Toleranz

Wer Salafisten kritisiert, wird vulgär angepöbelt und meist auch mit Gewalt bedroht. Unserer Toleranz ihnen gegenüber müssen klare Grenzen gesetzt werden.

Die Frage nach Gott spaltet die Menschheit. Wenn Menschen meinen, in dieser Angelegenheit die absolute Wahrheit für sich in Anspruch nehmen zu müssen und ihre persönliche Exegese der Gotteslehre auch im alltäglichen Leben aller umgesetzt sehen wollen, werden sie darüber oftmals sogar aggressiv. Mit dem propagandistischen Auftreten der Salafisten hat diese Form der Aggression in Deutschland ihren fruchtbarsten Nährboden seit dem Konfessionsstreit gefunden.

Mit Salat fasten / Quelle: Hasso Mansfeld

Mit Salat fasten / Quelle: Hasso Mansfeld

Für mich als liberalen Aktivisten ist das Grund genug, zu dieser Thematik Stellung zu beziehen. Vor kurzem postete ich auf der Facebook-Plattform FDP Liberté daher ein meiner Meinung nach vergleichsweise harmloses Motiv.[1] Es lautete: „Beim nächsten Ramadan: Lieber mit Salat fasten statt mit Salafisten“. Zugegeben: Es handelte sich dabei um einen Schnellschuss, ein nicht sonderlich tiefsinniges Wortspiel: „Salafisten“, das klingt in meinen Ohren ähnlich wie „Salat fasten“ und das wiederum weckt die Assoziation an den islamischen Fastenmonat Ramadan. Mit dem Motiv wollte ich satirisch den Begriff „Salafisten“ durch den Kakao ziehen, verbunden mit dem (gut gemeinten) Aufruf, sich von Extremisten fernzuhalten.

Androhungen von Gewalt

Nun sah ich mich zwar auf eine gewisse Kontroverse gut vorbereitet, zumal mir klar war, dass das Motiv mit Sicherheit nicht zu meinen brillantesten Ideen zählte. Doch hätte ich nicht gedacht, dass solch ein harmloses Sprüchlein derart heftige Reaktionen hervorrufen würde. Vielleicht hätte ich es besser wissen müssen. Immerhin beugte sich vor einigen Jahren sogar Comedy Central dem Druck wegen der regelmäßig recht derben Serie „South Park“ und zog eine Episode zurück, die sich über den Propheten Mohammed lustig machte.

Und schon seit Längerem beobachte ich auch auf dem FB-Profil meines Freundes und politischen Weggefährten Tobias Huch, der sich sehr für die Belange der kurdischen Minderheit im Nordirak engagiert, welche Dimensionen Diskussionen zum Thema muslimischer Extremismus annehmen können.

Jeweils lassen sich dabei in der Debatte, wenn man das oft wilde Rumproleten überhaupt noch so nennen möchte, zwei wiederkehrende stereotype Muster erkennen: Da sind zunächst einmal die direkt angesprochenen muslimischen religiösen Eiferer und deren Sympathisanten, diejenigen, die sich durch jedes noch so harmlose Posting, das ihre Weltsicht tangiert, sofort beleidigt fühlen. Sie reagieren sogleich mit üblen Beschimpfungen und Androhungen von körperlicher Gewalt, was im Übrigen auch dann indiskutabel wäre, gäbe es tatsächlich einen gerechtfertigten Anlass zur Aufregung.

Die Beschimpfungen bewegen sich dabei auf dem Niveau vulgärster Zuhälterstreiterei. Der Klassiker ist die Behauptung, der zu Beleidigende wäre Sohn einer Prostituierten und demzufolge der Vater nicht eindeutig zuordenbar. Sofort gefolgt von der Behauptung, mit eben dieser Mutter Sex zu haben. Vorzugsweise gewaltsam. Wie auch mit den übrigen Familienangehörigen, woran sich – offenbar unvermeidbar – ein eindeutiges Angebot des Beleidigenden selbst anschließt („Ich fick’ dich!“). Na wunderbar. Auch Tiervergleiche sind beliebt und bilden ein eigens Genre.

Maßloses Beleidigen

Dass solche Stimmen sich auch noch anmaßen, im Namen aller Muslime zu sprechen, ist der größte Skandal. Wenn moderate Muslime in Schutz genommen werden müssen, dann vor solchen Verteidigern. Ein Islam, der derartige Freunde hat, braucht tatsächlich niemanden mehr, der ihn schlecht macht.

Die Bereitschaft zum hemmungslosen, maßlosen Beleidigen hat meines Erachtens im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einem die aus einem tiefen Defizitgefühl heraus resultierende mangelnde Abgrenzungsfähigkeit, gemeinhin bekannt als geringes Selbstbewusstsein. Statt über den Dingen zu stehen, und nicht auf jeden Krümel zu reagieren, fühlen sich Menschen mit niedrigem Selbstwert sofort angriffen. Die zweite Ursache ist ein falsch verstandenes Verständnis von Freiheit. Freiheit wird von Pöblern aus dem Bauch heraus als „Freiheit von“ begriffen. Als Freiheit von Zwängen, Restriktionen, als Recht zu tun, was so eben in den Kopf schießt.

Freiheit, genauer die Freiheit des Einzelnen, ist auch das wichtigste Prinzip des Liberalismus. Doch Freiheit meint dabei nicht etwa die Freiheit von gegenseitiger Rücksichtnahme, sondern die „Freiheit zu“. Die Freiheit dazu, das eigene Leben zu gestalten. Freiheit endet stets dort, wo die Freiheit eines andren beschnitten wird. Eine radikale Auslegung des Islams und der Anspruch, alle Menschen zwanghaft diesen Regeln zu unterwerfen, ist mit diesem Freiheitsbegriff absolut unvereinbar. Ebenso die Annahme, in einer freiheitlichen Gesellschaft könne man Andersdenkende mit den übelsten Beschimpfungen überziehen.

Negierung von absoluter Wahrheit

Besonders erschreckt mich daher die Reaktion mancher Liberaler, die mein Salat-Motiv ebenfalls als beleidigend empfinden und sich so mit den Pöblern bezüglich der Reizschwelle auf eine Stufe stellen. Hier erkennt man ein zweites stereotypes Muster: Der Liberale, der aus falsch verstandener Toleranz Kritik an Muslimen kritisiert. Meist verbindet er das mit dem Vorwurf, zu generalisieren und Muslime unter Generalverdacht zu stellen. Er gibt sich dabei oft als besonders aufgeschlossen anderen Kulturen gegenüber, „outet“ sich als Moscheebesucher, kurz, stellt unmissverständlich klar, dass er zu „den Guten“ gehört.

Dabei tut sich ein Dilemma auf, das Liberalen eigentlich bekannt sein sollte, hat es doch schon der liberale Vordenker und Philosoph Karl Popper beschrieben: das Toleranz-Paradoxon[2]. Popper zufolge „führt uneingeschränkte Toleranz mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz“. Wichtig ist in dem Zusammenhang die Formulierung von Toleranz als „Negierung von absoluter Wahrheit“.

All jenen, die aggressiv einen solchen Anspruch auf absolute Wahrheit reklamieren, so wie radikale Islamisten die Unfehlbarkeit des Koran, muss von einer offenen, toleranten, demokratischen Gesellschaft entgegengetreten werden. Gerade darin offenbart sich die Krux in weiten Teilen unserer Gesellschaft, die Freiheit immer öfter als „Freiheit von“ begreift, und Toleranz als Akzeptanz jeder noch so menschenfeindlichen Meinung: Man kann radikalen Phänomenen kaum noch entgegentreten. Die Hemmungen, klare Grenzen der Toleranz zu ziehen, sind groß, und im Zweifelsfall schießt man gegen diejenigen, die sich für eine freie und offene Gesellschaft einsetzen.

Schweigende Mehrheit

Spiegelbildlich zu den Pöblern maßt man sich zudem an, alle Muslime gegen einen Angriff auf Salafisten verteidigen zu müssen und reiht so die kritischen muslimischen Stimmen und die schweigende Mehrheit nebenbei bei den Radikalen ein. Wenn etwas „den Islam“ beleidigt, dann das.

In einem Falle kam es sogar so weit, dass ich als Autor des Salatfasten-Motivs des Rechtsradikalismus verdächtigt wurde. Also, bitte. Es war Marx, der sagte: „Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik“, und interpretatorische Freiheit in Ehren – der war sicher kein Rechter. In solch grotesk-stereotypen Mustern verläuft jedoch die Debatte.

 

Anmerkungen

[1] Fotos von FDP Liberté auf Facebook: https://www.facebook.com/FDP.Liberte/photos/a.289420647788505.73937.289358801128023/823036641093567/?type=3&theater

[2] Karl Popper, „Paradox of tolerance“, Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Paradox_of_tolerance

Über Hasso Mansfeld

Hasso Mansfeld ist studierter Diplom-Agraringenieur und arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und Kommunikationsexperte. Für seine Ideen und Kampagnen wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem dreimal mit dem deutschen PR-Preis. Kontakt: Webseite | Facebook | Twitter | Weitere Artikel