Gaulands AfD in Turbulenzen
AfD-Vize Gauland will den Abgeordneten Jan-Ulrich Weiß wegen einer antisemitischen Karikatur verhindern. Ausgerechnet „Spiegel“-Informant Hein soll ihn verhindern.
Brandenburgs AfD-Chef Alexander Gauland geht mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den umstrittenen AfD-Politiker Jan-Ulrich Weiß vor. Weiß hatte ein antisemitische Karikatur auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht und damit Vermutungen, die AfD seine eine rechtspopulistische Partei, neue Nahrung gegeben. Seine persönliche Facebookseite ist inzwischen nicht mehr abrufbar. Gestern zog Gauland die Konsequenzen und verweigerte dem Landwirt aus Templin zum einen die Mitarbeit in der AfD-Fraktion, zum anderen leitete er ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn ein.
Bereits bei Bekanntwerden der Vorwürfe am vergangenen Freitag hatte Gauland sich in deutlichen Worten von Weiß distanziert. Er sprach von einer „Karikatur im Stil des ,Stürmers’“. „Das ist für ein Mitglied der AfD und einen unserer Mandatsträger völlig inakzeptabel!“, sagte der AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende. „Ich bin entsetzt über das Verhalten von Herrn Weiß.“
Die von Weiß veröffentlichte Karikatur zeigte Informationen aus der AfD zufolge den aus einer bekannten jüdischen Familie stammenden britischen Investmentbanker Jacob Rothschild „mit den antisemitischen Klischees des reichen Juden, der im Hintergrund die Fäden der Weltpolitik ziehe“. Außerdem soll Weiß sich abfällig über den NSU-Prozess geäußert haben.
„Säuberungs-Aktion“
„Sollte er sein Mandat annehmen, wird er nicht Mitglied der AfD-Fraktion, sondern ein einzelner Abgeordneter im brandenburgischen Landtag sein“, sagte Gauland gestern am Rande einer Fraktionssondersitzung der „Welt“. „Wir haben vorhin einstimmig entschieden, dass er nicht Mitglied der Fraktion wird.“
Obwohl die Partei großen Druck auf ihn ausübt, hält Weiß aber offenbar an der Annahme seines Landtagsmandats fest, das ihm zufiel, nachdem Stefan Hein wegen einer „Spiegel“-Affäre von allen Ämtern zurückgetreten war. Hein ist der Sohn von Gaulands Lebensgefährtin und hatte Gerüchte über angeblich anstehende Säuberungsaktionen in der Fraktion in die Welt gesetzt.
Gauland hatte die Vorwürfe vehement dementiert. Der gesamte Vorgang ist nicht nur wegen der familiären Verbindungen zwischen Gauland und Hein tragisch, sondern auch deshalb, weil Gauland sich nun, da Heins Abgang eine Lücke reißt, zu eben jenen Mitteln der „Säuberung“ gezwungen sieht, die Hein in Bezug auf andere Fraktionsmitglieder angedeutet hatte.
Hein soll Weiß verhindern
So ohne weiteres kann die AfD Weiß’ Einzug in das Landesparlament nicht allerdings verhindern, schließlich ist er ein rechtmäßig gewählt. Aus der Not heraus soll daher der „Spiegel“-Informant Hein überredet werden, sein Landtagsmandat doch wieder anzunehmen, damit Weiß gar nicht erst nachrücken kann. Sollte Hein einwilligen, dürfte aber auch diese Notlösung die Fraktionsarbeit erheblich belasten. Immerhin war Gauland von Hein menschlich und politisch hintergangen worden. Zugleich hatte er ünber die Fraktionsmitglieder Steffen Königer, Andreas Kalbitz, Thomas Jung und Rainer van Raemdonck eine Debatte ausgelöst.
Durch ihn wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass Königer in der Wahlkabine ein Foto seines Stimmzettels gemacht und später auf Facebook veröffentlicht hatte. Zudem wurde Königer nun vorgeworfen, früher für die rechtskonservative Zeitung „Junge Freiheit“ gearbeitet zu haben. Kalbitz muss sich seither unter anderem für einen 2003 bei der rechtsextremen Jungen Landsmannschaft Ostpreußen veröffentlichten Artikel rechtfertigen. Jung und van Raemdonck stehen in der Kritik, weil sie vor ihrem AfD-Engagement hohe Posten in der islamfeindlichen Partei Die Freiheit innehatten.
Kritik an Gauland
Angesichts der Turbulenzen in der Brandenburger AfD muss sich der Landesvorsitzende nun Vorwürfe gefallen lassen, nachlässig bei der Auswahl der Kandidaten für den Landtag gewesen zu sein. Schließlich habe er nichts von Weiß’ Weltanschauung gewusst und die Vergangenheit der anderen nicht thematisiert. Dies hätte lange vor der Landtagswahl geschehen müssen. Gauland aber habe diese Chance im Frühjahr verstreichen lassen.
Der so Gescholtene wehrt sich gegen die Vorhaltungen. „Ich suche nicht von früh bis spät die Facebook-Seiten aller Leute ab“, sagte Gauland gestern. „Jeder verdient eine zweite Chance“, nahm Gauland seine Parteikollegen erneut demonstrativ in Schutz. Ihnen stehe zu, was 1990 auch den Mitgliedern der früheren SED zugestanden worden sei. „Die Freiheit war eine Abspaltung der CDU“, sagte er. Außerdem habe er nie wahrgenommen, dass Jung und van Raemdonck die Positionen ihrer alten Partei innerhalb oder außerhalb der AfD vertreten hätten.