SPD-Lob für Schröders Ukraine-Kurs

Beifall vom linken Flügel bekam Gerhard Schröder früher nie. Dafür lobt ihn der SPD-Linke und Parteivize Stegner nun dafür, dass er der EU die Schuld für die Ukraine-Krise gibt.

Gerhard Schröder hat sich eigentlich nie so ausgedrückt, dass er missverstanden werden konnte. Das war so, als er 1998 Sozialpolitik als „Familie und Gedöns“ abqualifizierte oder eine deutsche Beteiligung am Irakkrieg 2003 kategorisch ablehnte, weil das „Ausmaß der Bedrohung, die von dem irakischen Diktator ausgeht“ keinen Krieg rechtfertige. „Meine Antwort ist: Nein!“, sagte er damals.[1]

Seiner Partei, der SPD, war die klare Sprache des Altkanzlers längst nicht immer recht, vor allem die Parteilinken haderten häufig damit. Doch die Antworten, die der Altkanzler nun der „Welt am Sonntag“[2] und dem Schweizer „SonntagsBlick“[3] zur Ukraine-Krise gab, wurden gerade bei einem führenden Sprecher des linken Flügels wohlwollend aufgenommen: „Die Aussagen Gerhard Schröders sind ein Kontrapunkt zu der bisher doch sehr einseitigen Debatte um die Ukraine“, sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner der „Welt“, weil Schröder deutlich mache, „dass es viele Verantwortliche in diesem Konflikt gibt und mitnichten nur die Russen“.

„Sanktionsautomatismus verhindern“

Wie Schröder sieht auch Stegner die Lösung des Konflikts „ganz sicher nicht in Sanktionen, sondern in diplomatischen Bemühungen, die auch die berichtigten Interessen Russlands anerkennen und berücksichtigen“. „Diese Politik des beharrlichen Bemühens, deren Ziel es ist, einen Sanktionsautomatismus zu verhindern, betreibt Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Und er hat dabei meine volle Unterstützung – und, wie wir nun wissen, die Gerhard Schröders“, sagte der schleswig-holsteinische Fraktionsvorsitzende.

Im Interview der „Welt am Sonntag“ hatte Schröder den Ausgangspunkt der Ukraine-Krise in der Europäischen Union verortet. „Der grundlegende Fehler lag in der EU-Assoziierungspolitik“, sagte er. Die EU habe ignoriert, dass die Ukraine ein kulturell tief gespaltenes Land sei. „Über eine Assoziierung hätte man reden können, aber zeitgleich mit Russland! Das „Entweder oder“ – also entweder Assoziierung mit der EU oder Zollunion mit Russland – war der Anfangsfehler.“ Weil dies so sei, halte er nichts von Strafmaßnahmen gegen Russland. „Man sollte jetzt weniger über Sanktionen sprechen, sondern auch über russische Sicherheitsinteressen“, sagte der Altkanzler.

Aus der russischen Perspektive jedenfalls sei eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nicht akzeptabel. Statt solche Überlegungen anzustellen, werde versucht, Putin und Russland zu isolieren. Das jedoch sei unsinnig. „Sicher ist: Sanktionen und Isolation bringen nichts“, sagte Schröder. Vernünftiger wären Gespräche mit dem russischen Präsidenten „auf Augenhöhe“. Das geschehe derzeit nicht, und es sei in diesem Zusammenhang wenig hilfereich, wenn US-Präsident Barack Obama Russland als Regionalmacht bezeichne. „Russland ist eines von fünf ständigen Mitgliedern im Sicherheitsrat. Russland ist in allen relevanten weltpolitischen Fragen wichtig. Wir sind auf diese Zusammenarbeit angewiesen“, sagte Schröder.

„Russland ist keine Bedrohung“

Schröder bewertete auch die Bedrohungslage in Osteuropa anders als die meisten westlichen Beobachter. Er könne nicht erkennen, dass von Russland etwa eine Bedrohung für das Baltikum und andere ehemalige Ostblockländer ausgehe. „Die Vorstellung, dass Russland ein Interesse daran hätte, in Nato-Staaten zu intervenieren, hat mit der Realität nichts zu tun“, sagte der Altkanzler. Diese Länder seien seit mehr als zehn Jahren EU- und Nato-Mitglieder – ohne dass Russland opponiert habe. „Sicherheit und Souveränität in diesen Staaten sind also garantiert“, sagte Schröder.

So überzeugt wie über der Sicherheit der früheren Ostblockländer sprach er auch über die zu seinem 70. Geburtstag für ihn in St. Petersburg veranstaltete Party. „Ich habe nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, darum zu bitten, den Empfang abzusagen“, sagte er auf die Frage, ob ihm angesichts der Annexion der Krim zumindest Bedenken hinsichtlich des Zeitpunktes gekommen seien. Und zur Kritik an der herzlichen Umarmung mit der er dort den russischen Präsidenten Wladimir Putin, sagte Schröder: „Ich habe mich gefreut, dass er gekommen ist.“ Im Übrigen hätten sie die wichtigen Fragen dann vertraulich im kleinen Kreis besprochen, dem auch der CDU-Politiker Philipp Mißfelder angehörte.

 

 

[1] Stern.de, „Schröder: Ein Krieg ist falsch“, 18.März 2003: http://www.stern.de/politik/deutschland/irak-krieg-schroeder-ein-krieg-ist-falsch-505287.html

[2] „Seit mehr als 14 Jahren begrüßen wir uns so“, Interview mit Gerhard Schröder auf Welt-Online: http://www.welt.de/politik/deutschland/article127857467/Seit-mehr-als-14-Jahren-begruessen-wir-uns-so.html

[3] Das wortgleiche Interview im SonntagsBlick, „Putin quasi ein Nazi, das finde ich absurd“: http://www.blick.ch/news/politik/altkanzler-gehard-schroeder-ueber-seinen-besten-freund-putin-quasi-ein-nazi-das-finde-ich-absurd-id2843638.html

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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