Gierige Blicke auf Europas Sparer

Jetzt will also auch die Bundesbank an die Sparvermögen ran. Das heißt: Eine solche Maßnahme in Zypern, Griechenland oder Portugal muss nicht das Ende sein. 

Schon im letzten Jahr ist der Internationale Währungsfond (IWF) mit bemerkenswerten Aussagen hervorgetreten. In einem eher etwas versteckt gehaltenen Papier wurde schon die Möglichkeit diskutiert, zur Bewältigung der Schuldenkrise vor allem auch in Europa eine Vermögensabgabe auf liquide Nettovermögen von 10 Prozent zu erheben.

Jetzt legte die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht vom Januar 2014 nach (1). In allen Zeitungen kommt an herausragender Stelle die Meldung, dass auch die Bundesbank eine solche Vermögensabgabe für denkbar hält.

Die Bundesbank sieht eine „einmalige Vermögensabgabe als Instrument zur Lösung nationaler Solvenzkrisen“ in der Eurozone in ihrer jetzigen Gestalt als durchaus gangbaren Weg an. Denn grundsätzlich gelte immer noch der in den europäischen Verträgen aufgespannte Ordnungsrahmen, dass die einzelnen Staaten der Währungsunion eigenverantwortlich über ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik entschieden und die Haftung für die Schulden anderer Mitgliedsstaaten deshalb eigentlich ausgeschlossen sei.

Steuerzahler soll haften

Auch sei eine monetäre Staatsfinanzierung durch eine entsprechende Geldpolitik der EZB verboten. Deshalb sieht die Bundesbank immer noch den Steuerzahler der einzelnen Mitgliedsstaaten als denjenigen an, der für nationale Schulden einzustehen habe. Hilfsprogramme der anderen Mitgliedstaaten der Währungsunion sollten eigentlich nur im Ausnahmefall „und als letzte Verteidigungslinie“ zum Einsatz kommen. Es bleibe somit im Rahmen der Währungsunion von zentraler Bedeutung, dass ein Land im Krisenfall seine eigenen Möglichkeiten ausschöpfe. Weiter schreibt die Bundesbank:

„Im Kontext der aktuellen Krise fällt auf, dass das Vertrauen in die Bedienung der Staatsschulden einiger Länder gesunken ist, obwohl den hohen öffentlichen Schulden teilweise umfangreiche staatliche und private Vermögen gegenüberstehen. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt sind diese Vermögen mitunter höher als in den Hilfe gebenden Ländern. Angesichts dessen liegt es zunächst nahe, zur Verringerung der Staatsschuld Staatsvermögen im Rahmen von Privatisierungen zu mobilisieren.

Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, ob in außergewöhnlichen nationalen Notsituationen zusätzlich zu Privatisierungen und herkömmlichen Konsolidierungsmaßnahmen, die auf die langfristige Erwirtschaftung erheblicher Primärüberschüsse zielen, auch vorhandenes privates Vermögen dazu beitragen kann, eine staatliche Insolvenz abzuwenden.“

Warnung vor Steuerflucht

In der Bundesbank werde deshalb auch eine einmalige Abgabe auf private Nettovermögen der Inländer erörtert, verstanden als eine Vermögensabgabe abzüglich der Verbindlichkeiten. Bei aller Problematik solcher Eingriffe sei in der Ausnahmesituation einer drohenden staatlichen Insolvenz eine einmalige Vermögensabgabe eventuell günstiger als andere Optionen. Schließlich ginge es um eine Umschichtung zwischen privatem und staatlichem Sektor, so dass durch diesen signifikanten Beitrag zur Senkung der Schulden das Vertrauen in die Tragfähigkeit der restlichen Staatsverschuldung damit wiederhergestellt würde. Damit würden auch die Vermögenden verstärkt an den Anpassungslasten zur Schuldensenkung beteiligt werden, außerdem könne man die Abgabe über Freibeträgen gestaltbar machen. Die Bundesbank merkt außerdem mehr oder weniger süffisant an:

„Die Anreize zu einer künftig soliden Finanzpolitik könnten erheblich gestärkt werden, wenn deutlich wird, dass sich im Krisenfall die Belastungen einer unsoliden Entwicklung nicht auf Steuerzahler anderer Länder verschieben lassen.“

Zu den klaren Voraussetzungen einer erfolgreichen Erhebung einer Vermögensabgabe gehöre, so die Bundesbank in ihrem Papier, dass diese Abgabe nur einmalig in einer außergewöhnlichen Krisensituation erhoben würde, da sich nur so negative Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit und eine mögliche Kapitalabwanderung begrenzen ließen. Eine weitere Voraussetzung sei, dass die Entscheidung für eine Erhebung „zügig“ erfolge, da sonst die einsetzende Steuerflucht die Akzeptanz der Maßnahme verringern würde.

Zugriff auf „nichtfinanzielle Vermögen“

Im Übrigen sieht die Bundesbank, hier wohl auch in Abhebung zum IWF-Vorschlag des Vorjahres, nicht nur die Sparvermögen im Zugriff, sondern auch „nichtfinanzielle Vermögen“. Die Problematik der Bewertung dieser Vermögen kommt noch erschwerend hinzu, so dass der eigentliche Abgabezeitraum zeitlich gestreckt werden muss.

Zustimmung für solche Forderungen erhält die Bundesbank nicht nur auf der linken Seite des politischen Spektrums, sondern auch im Mainstream. Auf dem Online-Portal der Süddeutschen Zeitung (immerhin ein Presseorgan, das den Untertitel „Der Mainstream“ mit vollem Recht tragen würde, so politisch korrekt und dem Guten zugewandt wird sein Inhalt an die Leser gebracht), fasst ein Kommentator das Gedankenspiel der Bundesbank folgendermaßen zusammen (2):

„Nicht nur Gerechtigkeits-, sondern auch ökonomische Gründe sprechen für den Vorschlag. Jede Staatenrettungsaktion rettet nämlich immer auch Privatvermögen vor der Vernichtung – deren Eigentümern ist also ein Kostenbeitrag zuzumuten. Und: Ein Staat ist kein abstraktes Gebilde, sondern die Summe seiner Bürger. Also müssen die Bürger auch einstehen, wenn dieser Staat ins Wanken gerät; allen voran die Vermögenden.

(…).

Vor allem aber stellt sich die Frage, warum die Idee einer Vermögensabgabe erst jetzt die Regierungs- und Notenbankzentralen der EU erreicht. Die griechischen Reeder etwa, die bis heute keine Steuern zahlen, lachen sich auf ihren Yachten ins Fäustchen.“

Es dürfen nicht alle alles sagen

Würde das in einem Internet-Blog oder in einer Verlautbarung z.B. einer eurokritischen Partei zu lesen sein, würde bei solchen despektierlichen Bemerkungen allerdings der Vorwurf des Populismus aufkommen. Es dürfen eben nicht alle alles sagen.

Eine andere Frage stellt sich für die Mainstream-Befürworter einer Vermögensabgabe aber offensichtlich noch gar nicht: Eine solche Maßnahme in Zypern, Griechenland oder Portugal z.B. muss nicht das Ende sein. Es gibt auch schon gierige Blicke auf den europäischen Sparer insgesamt. Anfang des Jahres war in verschiedenen Portalen und Zeitungen zu lesen, dass die renommierten Ökonomen Rogoff, der ehemalige IWF-Chefökonom, und Reinhart im Auftrag des IWF eine Studie erarbeitet haben, in dem die Zehn-Prozent-Grenze für eine Vermögensabgabe zur Lösung der europäischen Schuldenkrise schon längst keine zentrale Rolle mehr spielt (3). Die Studie heißt „Finanz- und Staatschulden-Krise: Lektionen, die wir aus der Vergangenheit gelernt haben – und solche, die wir vergessen haben“. Eine der Kernaussagen lautet:

„Angesichts dieser trüben Aussichten, untersuchte das Papier die möglichen Optionen und befand, dass das Endspiel um die globale Finanzkrise wahrscheinlich eine Kombination aus finanzieller Repression (eine undurchsichtige Steuer auf Sparer), einer Umstrukturierung der öffentlichen und privaten Schulden, Konversionen, einer etwas höheren Inflation, und einer Vielzahl von Kapitalkontrollen unter dem Dach der makroprudentiellen Regulierung sein wird.“

So sehr man also der Argumentation der Bundesbank, die Vermögenden der Schuldenländer zu allererst heranzuziehen, folgen kann, ist doch Folgendes anzumerken: Angesichts der schon weiter gehenden IWF-Gedankenspiele, die sich auf ganz Europa beziehen, müssen sich die Überlegungen der Bundesbank nicht zwingend nur auf sich ins Fäustchen lachende griechische Reeder beziehen, sondern auch auf ganz normale Sparer in Deutschland, denn entscheidend ist doch immer, was und für welches Gebiet als Notstand bzw. als außerordentlichen Krisenfall definiert wird.

Vielleicht sollte man auch mehr beachten, was der zypriotische Botschafter in Deutschland Minas Hadjimichael in einem DWN-Interview kürzlich in Bezug auf die Sparerenteignung auf Zypern zum Besten gab(4):

„Unglücklicherweise bestanden die Troika, die Kommission und der IWF darauf, dass ein Schuldenschnitt bei den Eignern der Bank, den Aktienhaltern und den Sparern durchgeführt werden sollte. Da hatten wir das Gefühl, dass wir als Versuchskaninchen benutzt wurden. Sie haben eine Wirtschaft und ein kleines Land benutzt, das nicht die Mittel hatte, sich dagegen zu wehren. Sie taten es, um zu sehen, was passiert. Immer im Hinterkopf die Idee, dass dies zur Norm werden würde. Danach würden sie es generell einführen und alle Zeichen deuten genau darauf hin. Sie wollen das Geld der Sparer dafür benutzen, um die Banken vor dem Bankrott zu retten. Und ich rede nicht nur über die nicht versicherten Guthaben!“

Weiterführende Links:

(1) Monatsbericht der Bundesbank Januar 2014:

http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichte/2014/2014_01_monatsbericht.pdf?__blob=publicationFile

(2) Süddeutsche Zeitung:

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bundesbank-zur-euro-krise-ran-an-die-vermoegen-1.1873456

(3) Finanz- und Staatschulden-Krise: Lektionen, die wir aus der Vergangenheit gelernt haben – und solche, die wir vergessen haben, Rogoff/Reinhard:

http://www.imf.org/external/pubs/ft/wp/2013/wp13266.pdf

(4) Deutsche Wirtschaftsnachrichten:

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/11/24/zypern-warnt-europa-zwangsabgabe-fuer-sparer-kommt-ueberall/

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