AfD will Armuts-Zuwanderung stoppen
Die Partei diskutiert ihr Europa-Wahlprogramm. Sie will mehr Einfluss für Deutschland, die Türkei nicht in die EU, und Zuwanderer sollen Sozialhilfe aus der Heimat erhalten.
Am Anfang hatte sie kaum ein anderes Thema als den Euro, und davon leitete sich zwingend das europäische Thema ab. Auch wenn die Alternative für Deutschland (AfD) sich inzwischen in vielen Politikbereichen klar positioniert hat und intern zum Teil heftige Auseinandersetzungen mit Islamgegnern ausfocht, ist die Kritik an der Euro-Rettungspolitik ihr zentrales Motiv geblieben. Von daher ist die im Mai kommenden Jahres anstehende Europawahl für die AfD vielleicht von größerer Bedeutung als für die etablierten Parteien. Entsprechend sorgsam soll sie vorbereitet und zu dem Erfolg führen, der ihr bei der überstürzten Teilnahme an der Bundestagswahl nur knapp versagt blieb.
Seit September trafen sich wiederholt Vertreter des Bundesvorstands und der Länder zu einem regelmäßigen Konvent. Neben Fragen des Aufbaus tragenden Parteistrukturen wurden dort auch grundsätzliche inhaltliche Fragen besprochen. Dabei gab Parteichef Bernd Lucke die Linien vor, an denen sich die Politik der AfD künftig orientieren soll. Dazu zählt die Wertschätzung von Bürgerrechten, die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft, ein positives Staatsverständnis, eine traditionelle Familienorientierung, ein „abendländischer Wertekanon“ und ein „unaufgeregter Patriotismus“. Mittelfristig soll die AfD so „Volksparteicharakter mit Integrationskraft um einen freiheitlichen Markenkern“ herum entwickeln.
„Große Europakommission“
Parallel dazu setzte die Parteiführung eine „Große Europakommission“ ein, die Inhalte und Strategien für die Europawahl im Mai erarbeiten soll. Sie kam erstmals Anfang Dezember zu einem mehrstündigen Treffen in Berlin zusammen, in dem gemeinsam mit Vertretern der Landesarbeitsgruppen und den Bundesgeschäftsführern ein Thesenpapier erarbeitet wurde, das Parteichef Lucke kurz vor Weihnachten per Mail an die Landesverbände verschickte, wo sie nun diskutiert werden sollen.
„Bitte lesen Sie diese Thesen sorgfältig durch und überlegen Sie, ob etwas Wichtiges fehlt“, bat Lucke im Anschreiben. „Was wir jetzt von Ihnen erbitten, sind wesentliche neue europapolitische Positionen, die wir noch nicht berücksichtigt haben.“ Unterzeichnet ist das Papier von Lucke, seiner Ko-Vorsitzenden Frau Petry und dem stellvertretenden Bundessprecher Alexander Gauland.
Einfluss Deutschlands vergrößern
Ins Augen fallen zwei Positionen, über die es in der Runde offenbar keinen nennenswerten Dissens gab. Zur Arbeits- und Sozialpolitik heißt es dort: „Staatliche Unterstützungsleisten sollen nur vom Herkunftsland des Anspruchsstellers gezahlt werden (Heimatlandprinzip), solange die Zuwanderer keine dauerhaften Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern im aufnehmenden Staat entrichten. Hierbei sollen sich die Leistungen für zugezogene EU-Bürger nach den Regelungen im Herkunftsland richten.“ Damit will die Partei die so genannte „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ stoppen.
Zum anderen formulierte die Große Europakommission folgenden Satz über die Rolle Deutschlands in der Europäischen Union: „Deutschland muss entsprechend seiner Einwohnerzahl und Bedeutung ein größeres Gewicht in den europäischen Institutionen erhalten.“ Will heißen, die AfD will den Einfluss Deutschlands auf die europäische Politik vergrößern.
Gegen die „Vereinigten Staaten von Europa“
Die Kommission spricht sich klar gegen die „Vereinigten Staaten von Europa“ aus, da es „weder eine europäische Identität noch ein europäisches Staatsvolk oder eine europäische Nation gibt“. Sie tritt ein für „eine Europäische Union souveräner Staaten“ und ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Die Aufnahme der Türkei ist einer der wenigen Punkte, bei denen die Kommission zwei Positionen zu Protokoll gab. Zum einen heißt es darin: „Wir lehnen eine Aufnahme der Türkei in die EU aus geographischen, kulturellen und historischen Gründen ab.“
In einer mit „Dissens“ überschrieben Spalte schreibt die Kommission: „Wir lehnen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU ab. Wie alle europäischen Staaten kann sich die Türkei aber einzelnen Integrationsschritten anschließen, wenn dies die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten findet.“ Eine eventuelle Teilnahme der Türkei am freien Personenverkehr müsse „in allen Mitgliedsstaaten durch eine Volksabstimmung bewilligt“ werden.
Spitzenkandidat Lucke
Auch das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa fand seinen Weg in das Thesenpapier. Da das Abkommen den Verbraucherschutz und die Qualitätsnormen „unseres Nahrungsmittelrechts“ verwässere, lehne die AfD es ab.
Nach GEOLITICO-Informationen geht die Parteiführung davon aus, dass die AfD bei der Europawahl die Drei-Prozent-Hürde überspringt und vielleicht eine Handvoll Abgeordnete ins Europaparlament schicken kann. Derzeit sieht es ganz so aus, als würde Parteichef Bernd Lucke Spitzenkandidat bei der Europawahl. Wer mit ihm ganz oben auf der Liste stehen könnte, ist hingegen noch völlig ungewiss. Potenzielle Bewerber um obere Listenplätze mag es einige geben, öffentlich geäußert haben sie sich noch nicht. Nur ein Parteiloser aus Niedersachsen hat bereits angekündigt, er werde auf der Aufstellungsversammlung zur Europawahl am 25. Januar 2014 in Aschaffenburg als Bewerber für die Spitzenkandidatur gegen Bernd Lucke antreten. Er demonstriere mit dieser Kandidatur auch dagegen, dass die AfD seine Aufnahme ablehnte.
Zusammenarbeit mit den Konservativen
Weil Lucke und seine Mitstreiter vom Einzug ins Europaparlament ausgehen, reiste in den vergangenen Wochen eine Gruppe zu Sondierungsgesprächen über mögliche Kooperationen mit anderen Parteien nach Brüssel. Der Vorstand betont, es werde definitiv keine Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen Gruppen wie dem französischen Front National, oder der rechtsliberalen VVD des Niederländers Geert Wilders geben.
„Unsere Interessen decken sich viel mehr mit denen der Briten, als viele in Deutschland annehmen“, hieß es in der Partei. Informationen der „Welt“ zufolge strebt die AfD bei einem Einzug ins Europaparlament eine Zusammenarbeit mit der European Conservatives an Reformists Group an, zu der sich 2009 die britischen Torys, die tschechische ODS, die polnische PiS und weitere kleinere Parteien zusammengeschlossen haben. Zwar suchten zwischenzeitlich auch einige AfD-Mitglieder den Kontakt zu der EU-kritischen Partei von Nigel Farrage, ein Zusammengehen mit Farrage sei jedoch in der AfD nicht mehrheitsfähig.