Kampagne ruft zu Massenprotest gegen Rundfunkgebühren auf

"Schluss mit der TV-Steuer": Eine Internetkampagne ruft zu Massenprotesten am Wochenende gegen den neuen Rundfunkbeitrag auf. Bürger wenden sich mit Hunderten Petitionen an die Parlamente.

 

In der Bevölkerung wächst offenbar der Unmut über die neue Haushaltsabgabe, die am 1. Januar die bisherige Rundfunkgebühr abgelöst hat. Jetzt ruft eine Internetkampagne zu öffentlichen Protesten gegen die neue Abgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf. Unter der Überschrift „Bundesweiter GEZ-Protest – Schuss mit der TV-Steuer“ sind am kommenden Samstag Demonstrationen unter anderem in Berlin, München, Hamburg und Köln geplant.

Die zur Kampagne gehörende offene Petition an den Deutschen Bundestag mit dem Titel „Abschaffung der GEZ. Keine Zwangsfinanzierung von Medienkonzernen“ im Internet ist inzwischen von über 112.000 Bürgern unterzeichnet worden.

Doch nicht nur im Internet machen die Leute ihrem Ärger Luft, auch die Parlamente spüren den Unmut der Bürger über die Neuordnung des Rundfunkbeitrages. Beim Petitionsausschuss des Bundestages gingen allein in den ersten Monaten dieses Jahres 162 Eingaben gegen die neue Haushaltsabgabe ein. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2012 waren es 150 Petitionen.

Da der Rundfunkbeitrag Ländersache ist, leitete der Bundestag die Eingaben an die entsprechenden Länderparlamente weiter. So zählte etwa der Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages seit Jahresbeginn 170 Eingaben zum Rundfunk, 113 davon beziehen sich explizit auf die neue Haushaltsabgabe.

Soziale Gründe

Vorwiegend nennen die Petenten soziale Gründe für ihre Eingaben. Zahlreiche Petitionen stammten von älteren Menschen mit kleiner Rente und oftmals geringem Interesse am Fernsehen, teilte der Bundestag auf Anfrage mit. Sie beklagten, dass sie bisher die Möglichkeit hatten, nur für ein Radio zu bezahlen. Mit der Haushaltabgabe sei die Möglichkeit nun weggefallen.

„Für diesen Personenkreis hat sich der Beitrag verdreifacht. Diese Personen, zumal, wenn sie alleine leben, empfinden es auch als sehr ungerecht, genauso viel bezahlen zu müssen wie ein Mehrpersonenhaushalt mit vielen Geräten und vielen Empfangsmöglichkeiten“, sagte eine Sprecherin des Bundestages.

Beschwerden kommen aber auch von Bürgern mit einem festen Haushalt für den Winter und einem „Sommersitz“ in einer Gartenlaube. Sie müssten die Abgabe gleich zweimal zahlen und beschwerten sich über die „doppelte Abgabe“.

Fast alle Petitionen enthalten nach Auskunft des Bundestages aber auch Forderungen. Sie drängen demnach auf die generelle Abschaffung der Rundfunkgebühren, die Privatisierung der Rundfunkanstalten und auf ein Verbot der Übermittlung der Daten durch die Bürgerämter an den Beitragsservice. Gefordert werde die Beitragsbefreiung für Studenten und Arbeitslosengeld-I-Beziehern sowie die Schaffung sozial gerechter Gebühren. Diese sollten sich etwa an der Haushaltsgröße orientieren.

„Zwangssteuer ohne Gegenleistung“

„Es ist auch von einer Zwangssteuer und von Zwangsfinanzierung die Rede“, sagte eine Mitarbeiterin des Ausschussdienstes. „Begründet werden die Forderungen oftmals damit, dass es sich um einen Beitrag ohne Gegenleistung handelt: Auch wenn der Bürger keine Leistung bestellt, muss er zahlen.“

In diese Richtung argumentiert auch die am 3. Oktober 2012 durch die offene Petition des Müncheners Patrick Samborski von der „Partei der Vernunft“ (PdV) gestartete Internetkampagne. Die Petition kann noch bis zum 2. April unterzeichnet werden.

Samborski begründete seinen Vorstoß damals so: „Ab 2013 wird jeder Haushalt gezwungen eine Rundfunkabgabe zu bezahlen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man öffentlich rechtliches Programm bezieht oder überhaupt ein Empfangsgerät besitzt. Dies gleicht einer Steuer, die nach dem Grundgesetz aus guten Gründen verboten ist. Jeder Mensch hat das natürliche Recht, nicht gezwungen zu werden, Firmen und Unternehmen zu finanzieren. Dieses Grundprinzip individueller Freiheit wird durch die GEZ zerstört und findet ab 2013 seinen traurigen Höhepunkt.“

„Der nächste Volksaufstand“

Der Bundesvorsitzende der PdV, Oliver Janich, unterstützt diesen Ansatz. „Im Grunde ist gegen eine GEZ-Gebühr gar nichts zu sagen, wenn sie denn von jenen entrichtet würde, die staatliche Propaganda konsumieren möchten“, sagte er. „Es ist vermutlich für jeden unmittelbar einsichtig, dass es Unrecht ist, wenn Menschen diese Gebühr zahlen müssen, die die Leistung gar nicht beziehen wollen. Im Grunde ist aber unser ganzes Staatswesen so aufgebaut.“

Aber auch in den großen Parteien ist die neue Haushaltsabgabe bis heute umstritten. Nach Ansicht der Medienexpertin der nordrhein-westfälischen CDU und WDR-Rundfunkrätin Andrea Verpoorten ist das „System außer Kontrolle geraten“. Sie beklagt seit Jahren, dass die Öffentlich-Rechtlichen immer mehr Geld forderten, ohne transparent darzulegen, wie sie mit den Steuer-Milliarden umgingen.

Die Beiträge der Bürger müssten eher gesenkt statt angehoben werden, sagt Verpoorten und droht: „Den nächsten Volksaufstand organisiere ich mit.“ Auch die Wirtschaft kritisiert die Umstellung von der bisher geräteabhängigen Gebühr auf eine pauschale Abgabe als zu kompliziert und zu teuer.

Geschrieben für „Die Welt

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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