500 Jahre Bauernaufstände und ihre Wiederkehr

Protest der Bauern in Berlin / Foto: Steven West Protest der Bauern in Berlin / Foto: Steven West

Martin Luther schauderte, Karl Marx frohlockte und die SED ehrte. Gibt es zu den zornigen Bauern von damals eine Analogie zu heute?

Für den Gefangenen war es sein letzter Gang und er konnte froh sein, dass das Urteil „nur“ Tod durch Enthauptung lautete. Die Gerichtsherren diskutierten auch grausamere Hinrichtungsmethoden wie Rädern, den Scheiterhaufen oder den ehrlosen Galgen. Thomas Müntzers Kopf fiel im Mai 1525 im thüringischen Mühlhausen und setzte den symbolischen Schlusspunkt unter die Bauernaufstände.

Ohne Rücktritt kein Fortschritt

Heute gehen die Bauern wieder auf die Barrikaden. „Jetzt ist das Fass übergelaufen“, zürnte Bauernpräsident Joachim Ruckwied über die Streichung der Subventionen beim Agrardiesel. Selbst Landwirt eines Hofs in Schwaben ärgert er sich wie seine 300.000 Mitglieder über die Gängelungen durch die Politik in Brüssel und Berlin.

Seit Jahren erleben die Bauern Auflagen und Einschränkungen: regelmäßig neue, absurde Düngerverordnungen sowie Agrarpakete, die sich EU-Bürokraten zurechtzimmern. Für den Bauern-Chef haben diese Leute keinen blassen Schimmer von den Mühen bäuerlicher Arbeit, die anders als in Brüsseler Amtsstuben nicht um neun, sondern um fünf Uhr in der Frühe beginnt – spätestens.

Mit dem Kürzungskonzert der Ampel, zu der auch die ermäßigte KFZ-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge gehören sollte, war das Fass für die Bauern tatsächlich übergelaufen. In einer eindrucksvollen Großdemonstration im Berliner Regierungsviertel zeigten sie Scholz, Özdemir und Lindner die Rote Karte. Mit Getröte, Gehupe vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag und Slogans wie „Butter, Brot und Bier machen wir“ oder „Fachkräftemangel?? Nur in der Politik!“ ließen die Bauern ihrem Zorn freien Lauf.

Beeindruckt waren auch zwei Mitglieder des Kabinettes, die sich tapfer den Demonstranten stellten: Özdemir und Lindner. Der Landwirtschaftsminister kam auf der Tribüne am Brandenburger kaum zu Wort, und der Finanzminister war am Abend des Demo-Tages im ZDF Heute Journal unüberhörbar heiser. Er konnte mit seiner Rede die aufgebrachten Landwirte kaum übertönen.

Etwas Ähnliches an demonstrativer Wut hat die Berliner Politik lange nicht gesehen. Einer frühneuzeitlichen Elite erging es ähnlich, die wie Özdemir, Lindner und Habeck auf seiner Fähre vor dem Haffen Schlüttsiel anfangs nicht wusste, wie sie mit den Rebellen umgehen sollte.

Verlorene Bauern-Schlacht und gewonnener Kampf

Im Mai 1525 kam es zur Entscheidung im beschaulichen Frankenhausen am Kyffhäuser. Thüringen hatte sich zur Hochburg der Bauernerhebungen und des Widerstands herauskristallisiert, der im Juni 1524 bei Freiburg im Breisgau anfing. Über Jahrhunderte ist der Bauernstand von Adel und Klerus ausgequetscht und unterjocht worden. Oft genug erbarmlos geschunden, mussten sie selbst bei Missernten den berühmt-berüchtigten Zehnten an die Obrigkeit abdrücken.

Nun kam es wie, wie es kommen musste. In der Ebene vor Frankenhausen entlud sich der lange aufgestaute Hass über die prekären sozialen Verhältnisse in einer epischen Schlacht. Thomas Müntzer, der sich im Laufe der Erhebungen radikalisierte, stand mit seinen Bauern einem fürstlichen Heer unter der Führung von Philipp von Hessen und dem albertinischen Sachsen-Herzog Georg dem Bärtigen gegenüber. In einem zweitägigen Kampf, in dem die Bauern der Übermacht der Armee des Adels trotzen, zeigten sie große Tapferkeit. Doch vergebens! Oder doch nicht?

Bauern-Protest in Berlin / Foto: Steven West

Die Schlacht von Frankenhausen ist eines der großen Dramen der deutschen Geschichte. Martin Luther, der anfangs mit den Forderungen der Bauern sympathisierte, versagte im Lauf der Aufstände völlig. Der Reformator entpuppte sich als Opportunist, der für sich und sich selbst seine Ideen an den Adel verkaufte. „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ heißt sein boshaftes Pamphlet, in dem er die relevante ökomische Schicht verrät. Die spätere Evangelische Kirche dankt ihm sein Bündnis mit der Obrigkeit noch heute.

Anders in der DDR: Völlig zu Recht waren die Bauernaufstände ein wichtiges Kapitel der sozialistischen Geschichtspolitik. In Westdeutschland hingegen taten sich die Historiker mit den bäuerlichen Aufständen lange schwer. Zu viel aufrührerisches Gedankengut und Zerstörungswut gegenüber der gottgegebenen Ordnung war in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik allenfalls etwas für linke Historiker.

In der historischen Erinnerung der DDR galten die Bauernrevolten viel: in Schulbüchern, auf Briefmarken und nicht zuletzt glänzend im Panorama-Museum im heutigen Bad Frankenhausen. Mit dem eindrucksvollen Bilderzyklus des Leipziger Malers Professor Werner Tübke über den Bauernkrieg erfahren die Bauern künstlerisch späte Genugtuung. Er hat die Geschehnisse in seinem Panorama meisterhaft komponiert, das jeder, der sich für deutsche Geschichte interessiert, gesehen haben sollte.

Die Sieger gingen mit den Besiegten brutal um: Tod und Vernichtung. Georg der Bärtige erfreute sich am gemarterten Müntzer und Philipp von Hessen meldete Kaiser Karl V. das Ende der Bauernrotten. Also, alles wie gehabt?

Der Anfang vom Ende

Die bäuerliche Seele sei wund und getroffen, fasst Bauernpräsident Ruckwied die Politik der Ampel, aber auch der Vorgängerregierungen zusammen. Bei den Landwirten schwelt der Unmut schon lange. Mit Ruckwieds Parole, dass die Politik der Ampel eine Kampfansage an die deutschen Bauernfamilien sei, ging der Aufstand in eine heiße Phase.

Die Demonstrationen vom 15. Januar 2024 sind für den Bauernführer ein Fanal gegenüber der Agrarpolitik. Wie ihre Vorgänger im 16. Jahrhundert wollen sich die Landwirte nicht von abgehobenen Eliten bestimmen und gängeln lassen. Eine ruinöse Preispolitik der Supermarkt-Ketten, zeitfressende Bürokratie, Arroganz sowie Unverständnis der politischen Klasse gegenüber Bauern und der Landbevölkerung allgemein bergen Zündstoff für weitere harte Konflikte.

In Umfragen zeigen die Deutschen viel Verständnis für die Proteste, hinzu kommen weitere Berufsgruppen wie die Spediteure, die sich mit den Bauern solidarisieren und ebenfalls gen Berlin ziehen. „Was wir nächste Woche sehen werden, das hat das Land vonseiten der Bauern so noch nicht gesehen“, gab Ruckwied vor den Protesten Medien und Politik mit auf den Weg.

Er sollte recht behalten. Für ihn und seine Bauern sind die Zeiten deutlich günstiger als vor 500 Jahren. Kommt es zu einem neuen Bauernkrieg? Ruckwied ist zwar kein neuer Müntzer, und er wird auch seinen Kopf behalten. Außer er fällt virtuell, wenn er seine Bauern wie ein Luther im Stich ließe und dann sicherlich zurücktreten müsste. Aber bis das passiert blinkt eher die Ampel auf Dauerrot und erlebt ihr Frankenhausen – spätestens im Herbst 2025.

5
1
vote
Article Rating

Unser Newsletter – Ihr Beitrag zur politischen Kultur!

Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
guest
7 Comments
Inline Feedbacks
View all comments
fufu
fufu
3 Monate her

Man sollte keine falschen Analogien ziehen. Die heutige Landwirtschaft ist hochgradig subventioniert, man sieht es an den vielen nagelneuen Traktoren, ineffizient und ohne Zukunft. Die Anfuehrer kriegen einen Posten, die Protestler ein paar milde Gaben, laengerfristig vielleicht eine Zukunft als Erntehelfer in Grosskolchosen. Selbst letzteres ist nicht garantiert denn die ersten Ernteroboter sind schon im Anmarsch. Die ehemals freien Landwirte werden das Heer des globalen Subproletariats fuellen, Marx laesst gruessen.

Nathan
Nathan
3 Monate her

Die Globalisierung und folgende Einsparungen macht vor keinen Berufsständen Halt. Mit Ausnahme der Politiker und ihren Diäten, die das Gegenteil von einer Diät sind. Menschen werden global nur als Masse mit Unmenschlichkeit behandelt, das hier abgezogene Geld wird umverteilt in die Chefetagen, die ihre globale Konzentrierungspolitik unterstützen, weil sie diese fordern. Außerdem wird das Geld aktuellst gebraucht für den Regimechange in Russland sowie die weltweite Dominanz und Artenschutz einer kleinen kleinasiatischen Religionstruppe. Jeder sollte wissen: Nach den Bauern kommst DU dran!

Lisa Hutchison
Lisa Hutchison
3 Monate her

Man kann eigentlich nur sagen „endlich“ – es wird Zeit!! Das Volk wird ausgepresst, immer hoeher versteuert und bekommt im Gegensatz kaum mehr Almosen. Es ist ein weltweit verbreitetes politisches Ungeheuer (ich lebe nicht in D,) das den Mittelstand mit aller Kraft zerstoeren will. Regale in Supermaerkte werden immer leerer, Produkte werden durch genetisch veraendert usw. Man bekommt bald nur noch was „der Staat“ als gut befindet, kleine Laeden schliessen die Tueren, Wohnungsnot wird durch Massenimmigration immer schlimmer, Krankenhaueser sind am Zusammenbrechen, Kinder verrohen, Geschichte wird einfach umgeschrieben, Buecher verschwinden oder werden gender angepasst – es reicht!! Das Volk am… Read more »

fufu
fufu
3 Monate her

Zu zeiten der Bauernkriege waren die Bauern in der Mehrheit, heute sind sie eine Minderheit. Die heutige Mehrheit, die Stadtbevoelkerung als das im Schwinden begriffene klassische Buergertum und die Leistungsbezieher, sie sind zwar auch unzufrieden haben aber keine Organisation wie noch die Bauern mit ihren Verbaenden oder frueher die Arbeiterschaft mit den Gewerkschaften. Organisierte Proteste von Interessengruppen wie hier durch die Bauernverbaende, frueher durch die gewerkschaftlich organisierte Arbeiterschaft beschraenken sich im allgemeinen auf finanzielle oder andere Verbesserungen. Fuer ein allgemeines Erwachen sind die Zustaende noch viel zu konfortabel. Das koennte sich aber mit der unvermeidlichen Verschaerfung der wirtschaftlichen Lage aendern,… Read more »

Peter
Peter
Reply to  fufu
3 Monate her

Die Städter haben bereits vergessen als sie in den 40iger Jahren aufs Land fuhren um ein paar Kartoffeln und Schinken einzutauschen gegen Gold und Silber !

Zeitzeuge
Zeitzeuge
3 Monate her

Bitte hinter die Vorgänge blicken! Brüssel und die „Regierung“ in Berlin sind in ein komplexes Zerstörungs- und Abschaffungskonzept zwangsweise eingebunden. Im konkreten Fall geht es darum, den selbständigen Bauern die Existenz zu zerstören und sie dazu zu zwingen, ihre Grund und Boden verkaufen zu müssen. Wer steht bereit, um die Böden aufzukaufen? Es sind die internationalen Konzerne, die auch Lebens- und Nahrungsmittelproduzieren, Dünger, Saatgut produzieren, die gentechnische Manipulationen durchführen und finanzieren. Die Absicht ist klar: Übernahme der gesamten Lieferketten von der Agrarrohstoffgewinnung bis hin zu dem, wo, wann und was die Endverbraucher kaufen/erwerben können, ggf. digital gesteuert per elektronischer Zahlungsmittel,… Read more »

fufu
fufu
Reply to  Zeitzeuge
3 Monate her

Man sieht es doch an allen Ecken, es wird mit Luftgeld Reales aufgekauft, alles was nicht niet- und nagelfest ist um nach dem Zusammenbruch am Ruder zu bleiben und Einnahmen zu generieren. Ich erinnere hier an einige Propagandisten die die Gefahr des Sozialismus heraufbeschworen, haha.

7
0
Wie denken Sie darüber? Beteiligen Sie sich an der Diskussion!x
×