Orango – Guinea-Bissaus Reich der Königinnen

BOULEVARD ROYAL

Orango / Guinea-Bissau / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: gschneusig; https://pixabay.com/de/photos/carneval-guinea-bissau-königin-7438638/ Orango / Guinea-Bissau / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: gschneusig; https://pixabay.com/de/photos/carneval-guinea-bissau-königin-7438638/

Auf Orango vor der Küste Guinea-Bissaus hält ein Matriarchat mit drei Königinnen an der Spitze die Fäden der Macht in den Händen. Die Majestäten kommen allein durch Leistung auf den Thron.

Auf der Weltkarte ist das westafrikanische Guinea-Bissau kaum zu finden. Es liegt eingezwängt zwischen Senegal im Norden und dem Namensvetter Guinea im Süden. Bissau, so auch der Name der Hauptstadt, ist von langen Deltas geprägt und war einst portugiesische Kolonie. Vor seiner Küste lagern mehrere Eilande, darunter Orango, die mit gut 123 Quadratkilometern größte Insel des Bissagos-Archipels. Dort haben ausschließlich Frauen das Sagen und stellen die Königinnen.

Freiheitsheldin und Priesterin

Okinka Pampa war der Kopf des Widerstands gegen die portugiesischen Eroberer. Die legendäre Königin hat das royale Matriarchat auf Orango professionalisiert, soziale Reformen umgesetzt, Frauenrechte durchgesetzt und ist seit ihrem Tod 1930 verehrtes Vorbild für ihre Nachfolgerinnen. Seitdem ist genau geregelt, wann und wie Muscheln für heilige Zeremonie zubereitet werden oder wann zu säen und zu ernten ist.

Dass es so kommen konnte, hängt damit zusammen, die Herren aus Lissabon die Insel nie ganz unter Kontrolle bekamen. Das hat unter anderem dazu geführt, dass sich eine animistische Religion erhalten hat. Sie ist zentraler Baustein in der Insel-Gemeinschaft, und nach ihren geheimen Ritualen werden die Königinnen bestimmt. Eine Dynastie oder eine Adelskaste gibt es nicht, denn nur die tüchtigsten Frauen dürfen auf den Thron. Die jeweils drei Auserwählten sind zugleich die Priesterinnen des Kults und wachen über die Einhaltung der Bräuche – auf Lebenszeit.

Es gibt zwar seit einiger Zeit einen Dorfvorsteher, der wie die Monarchinnen in der Hauptsiedlung Eticoga lebt und als offizieller Bevollmächtigter der Zentralregierung in Bissau gilt. Von dort kommen die Dekrete, die der Mann an die Königinnen pflichtschuldig übergibt. Denn alle wichtigen Entscheidungen auf Orango fällen nun mal die Herrscherinnen. Und womit beschäftigen sich die Männer?

Zufriedene Männer auf Orango

Fischen und faulenzen, das sind die Aufgaben der Herren der Schöpfung. Die für die Männer angenehme Arbeitsteilung mit den Frauen hat sich bewährt. Auch die Finanzen kontrollieren die Frauen, jedoch leben die Menschen auf Orango ohnehin bescheiden von dem, was ihnen die Natur bietet. Streitigkeiten kommen selten vor, und wenn, dann versuchen die Herrscherinnen einen für alle Parteien tragbaren Konsens zu finden. Erst diskutieren die Frauen unter sich, dann gleichermaßen die Männer. Am Ende gibt es einen Austausch der Argumente, und das letzte Wort haben die Königinnen.

Sie betonen, dass es meist so weit nicht kommt, da sie aufkeimende Probleme im Vorfeld erkennen und aus dem Weg räumen. Auch gibt es keine nennenswerte Kriminalität, Gewalt ist so gut wie unbekannt und die Insel-Jugend will gar nicht weg. Wie geht die Zentralregierung in Bissau mit diesen besonderen Verhältnissen um?

Matriarchat zum Glück

Im Grunde ist das allen auf Orango einerlei. Die Hauptstadt ist weit, und die Fahrt mit dem Boot dauert rund vier Stunden. Die Erlasse der Regierung nehmen die Frauen und der Dorfvorsteher zur Kenntnis und sie werden nach den jeweiligen Interessen der Inselbewohner mal mehr, mal weniger angepasst.

Eine weitere Besonderheit im Gegensatz zum Festland ist die Partnerwahl. Frauen haben dabei Carte blanche. Sie dürfen zuerst wählen und müssen die Eltern des Umworbenen um Erlaubnis bitten. Männer haben dann doch ein Privileg, das sie von den Frauen unterscheidet: Sie dürfen der Polyamorie frönen und mehrere Frauen gleichzeitig ehelichen. Ein gewisser Ausgleich zur Frauenherrschaft musste wohl dann doch her.

Insgesamt hält sich die Zentralregierung zurück und mischt sich de facto nicht in die Verhältnisse auf Orango ein. Das stärkt das Selbstbewusstsein der Frauen, und die Königinnen empfehlen ihr System zur Nachahmung für ganz Guinea-Bissau.

Ob sich das Insel-Matriarchat im ganzen Land durchsetzt? Nötig hätte es das westafrikanisch Land, das wie so viele andere in der Region von Putschen, hoher Kriminalität und Korruption heimgesucht werden. Aber wahrscheinlich kann der matriarchale Erfolg nur auf einem abgelegenen Eiland gedeihen, ohne störende (männliche) Einmischung von außen: glückliches Orango.

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