Trauer im Insel-Paradies – Hawaiis letzte Prinzessin ist tot

BOULEVARD ROYAL

Hawaii / Quelle: Unsplash, lizenzfreie Bilder, open library: Ganapathy Kumar; Ganapathy Kumar Hawaii / Quelle: Unsplash, lizenzfreie Bilder, open library: Ganapathy Kumar; Ganapathy Kumar

Abigail Kinoiki Kekaulike Kawānanakoa war Philanthropin, Multimillionärin und emanzipierte Lesbe. Zum Tod der letzten hawaiianischen Thronerbin.

US-Medien lieben alles Royale, bevorzugt das britische Königshaus. Die Windsors erfüllen das Bedürfnis der Amerikaner nach Glanz und Gloria und liefern gleichzeitig das perfekte Maß an Klatsch und Skandalen frei Haus dazu. Harry und Meghan leben derzeit als royale Exilanten in Kalifornien, was die Aufmerksamkeit der Amerikaner auf die ehemaligen britischen Kolonialherrscher verstärkt. Dabei hatten die USA selbst eine Königssippe, die mit dem Tod der 96-jährigen Prinzessin Abigail Kawānanakoa nun auch in der weiblichen Linie erlischt.

Tropen-Prinzessin mit irischer Abstammung

Vor ihrem Tod geisterte Prinzessin Abigail mit ihrem Finanzprozess 2018 durch die US-Gazetten, der letztlich ein Entmündigungsverfahren wegen ihres Schlaganfalls war. Es ging um gut 215 Millionen US-Dollar, über die sie nach richterlichem Urteil nicht mehr selbst verfügen dürfe. In Anwesenheit ihrer Ehefrau Veronica und mit ihrem schneeweißen Chihuahua auf dem Schoß nahm die Prinzessin den Richterspruch sichtlich empört entgegen. Bei der hohen Summe und ihrem ebenso hohen Ansehen bei den Hawaiianern verständlich, jedoch vergebens: Die inoffizielle Königin der Vulkaninseln war entmachtet.

Amerikanisches Geld fegt Dynastie vom Thron

Hawaiis Königsherrlichkeit währte rund 100 Jahre vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Abschaffung der Monarchie 1893. Bis zur Einigung der Inselwelten durch die Dynastie Kawānanakoa war der pazifische Archipel in mehrere Stammesherrscher zersplittert. Ab 1893 hatten die Amerikaner, insbesondere US-Geschäftsmänner das Sagen auf den Inseln.

Einer dieser Business-Typen war ein Urgroßvater Abigails irischer Herkunft und reich geworden durch seine Ananas- und Zuckerrohrplantagen auf der Inselkette. Er heiratete in die Königsfamilie ein, die zu diesem Zeitpunkt vor ihrem Ende im Mannesstamm stand. Dass ausgerechnet ein irischer Geschäftsmann die Dynastie am Leben erhielt und sie noch eine kurze Zeit in der weiblichen Linie fortgesetzt werden konnte, aber durch sein Geschäftsgebaren und das seiner Kollegen die hawaiianische Unabhängigkeit mithalf zu beseitigten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn die wirtschaftlichen Begehrlichkeiten der Amerikaner erweiterten sich recht schnell zu politischen.

Königspalast auf Hawaii / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: 12019; https://pixabay.com/de/photos/honolulus-hawaii-iolani-palast-1632072/

Für die USA entwickelten sich die weit von ihrem Festland entfernt liegenden Eilande zu einem wichtigen Stützpunkt für ihre geostrategischen Ziele im Pazifik. Erst kommen der Handel, dann die Politik mit dem Militär und schließlich das Ende der Unabhängigkeit. Eine Parallele zu den Kolonialisierungen der Briten mit ihrer East India Company oder den Niederländern mit der Holländisch-Ostindischen Kompanie.

Das erste Ende der regierenden Königsfamilie mit der letzten Queen Lili’uokalani, die unter anderem das bekannte Aloha ´Oe komponierte, kam rasch nach ihrer Thronbesteigung. Eine explosive Mischung aus wirtschaftlichen und militärischen Interessen fegte sie vom Thron. Der US-Regierung war einerseits der Zollvorteil für hawaiianischen Zucker ein Dorn im Auge, andererseits brauchte sie eine gut gelegene Basis für die Marine im spanisch-amerikanischen Krieg 1898.

Der Sieg der USA in diesem Konflikt bereitete den Aufstieg zur späteren Weltmacht. Hawaii und seine abgesetzte Königsfamilie waren Steigbügelhalter für die amerikanische Großmachtpolitik, die sich heute wieder auf Asien und den Pazifik konzentriert: Ironie der Geschichte.

Bewahrerin der Traditionen

Mit der Ex-Dynastie verfuhren die neuen Herren friedlich, wofür sich die Familie mit einer langjährigen Anlehnung an die Republikanische Partei bedankte. Die Kawānanakoa spielen seither eine mehr oder weniger offizielle Rolle zur Bewahrung und Pflege hawaiianischer Traditionen, die nach der Eingliederung des Archipels als 50. US-Bundesstaat 1959 für die Identität der Hawaiianer wichtig sind.

Prinzessin Abigail hat mit ihrem ererbten Vermögen die philanthropischen Traditionen der Familie fortgesetzt. Stipendien für junge Hawaiianer auf den Feldern Musik und Naturwissenschaft sowie Umweltschutz gehörten zu ihren zentralen Anliegen. Sie versuchte einen Ausgleich zwischen Fortschritt und der Bewahrung von Traditionen: So verhinderte sie den Bau eines Teleskops auf einem der heiligen Berge Hawaiis sowie den Bau einer Bahnstrecke, die zu weiteren Rodungen geführt hätte in der ohnehin waldarmen Region. Als Patronin und großzügige Spenderin des jährlichen Merry Monarch-Festivals als bedeutendstes Kulturereignis Hawaiis galt sie vielen als Quelle der Inspiration innerhalb der hawaiianischen Gemeinschaft.

Durch ihr luxuriöses Leben mit ausschweifenden Partys, vielen wechselnden Liebschaften, bevorzugt mit Frauen, und ihrer Obsession für Pferderennen mit eigenem Rennstall zog sie auch Kritik auf sich. Für sehr konservative Traditionalisten war sie zudem durch ihre teilweise irische Abstammung nicht „reinblütig“ genug.

Ihr Wunsch, in der Königsgruft des Iolani-Palasts in Honolulu beigesetzt zu werden, beschäftigte sogar die Gerichte. Ihr letzter Wunsch geht in Erfüllung, wie auch ihr letzter Wille, was ihr Vermögen betrifft. Das hat ihr der Richter 2018 dann doch zugestanden – die freie Testierfähigkeit. Ihre Witwe und zahlreiche hawaiianische Kultur- und Wohltätigkeitsorganisation dürfte es freuen.

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