Boris Becker – Nachruf auf einen deutschen Weltstar

Boris Becker / Tennis / Quielle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: anais_anais29; https://pixabay.com/de/photos/tennis-ball-sport-gelb-178696/ Boris Becker / Tennis / Quielle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: anais_anais29; https://pixabay.com/de/photos/tennis-ball-sport-gelb-178696/

In den 80ern war Boris Becker bekannter als der Kanzler und gehörte bis weit in die 90er zu den ganz großen Sportidolen. Dann aber schlug er die Bälle ins Aus.

Nach dem Urteil wegen Insolvenzverschleppung am Southwark Crown Court in London ging es für Boris Becker sofort ins Gefängnis: zweieinhalb Jahre Haft! Bei guter Führung kann er nach der Hälfte der Haftzeit auf Bewährung wieder auf freien Fuß kommen. Das ist ihm zu wünschen, denn Experten für den englischen Strafvollzug schildern die Bedingungen in den Knästen ungefähr so: unhygienisch, miserables Essen, ausländerfeindlich und wahrscheinlich ein Spießrutenlaufen durch die Mitgefangenen für den Promi Boris Becker.

Boris Becker wird weltweit bedauert

Trost, Unterstützung und aufmunternde Worte erhält er von seiner Patchwork-Familie und Tennisfans weltweit. Tenor der ersten Reaktionen war, dass Becker und der weiße Sport untrennbar zusammengehören. Er hat Tennis in Deutschland zum Durchbruch als Breitensport verholfen und ist allein mit seinen drei Siegen in Wimbledon eine Legende des Sports. Neben weiteren Siegen, wie bei den Olympischen Spielen in Barcelona, war Becker lange die Nummer Eins der Tennis-Weltrangliste und in den 1980er/1990er Jahren einer der bekanntesten Deutschen überhaupt.

Becker hat mit seinem positiven Image als Sportler viel getan für ein besseres Bild Deutschlands in der Welt. Ähnlich wie Michael Schuhmacher in der Formel 1 und heutzutage Liverpool-Trainer Jürgen Klopp hat Becker vor allem im notorisch Deutschen kritischen England für Sympathien für die „Krauts“ gesorgt. Das ist neben seinen sportlichen Leistungen ein nicht zu unterschätzender Erfolg.

Er hätte im Sport-Olymp bleiben können, Hinund wieder hat er es auch versucht mit seinen Beratertätigkeiten für den Deutschen Tennisbund, als kundiger Kommentator der BBC für Wimbledon oder als Trainer von aktuellen Tennis-Stars wie Novak Djokovic. Doch hatte er kein Talent auf anderen Gebieten, vielleicht noch beim Pokern, aber nicht bei Steuern und Finanzen. Davon zeugt nicht allein das Urteil im Prozess in London, sondern bereits die Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung in München 2002.

Gespaltenes Verhältnis zu den Medien

Becker selbst haderte immer wieder mit seiner alten Heimat und kritisierte in Interviews, wie in Deutschland, genauer gesagt in deutschen Medien, mit ihm umgegangen werde. Er fühlte sich nicht ernst genommen, nicht als erwachsen gesehen. Aus seiner Sicht blieb er für die Deutschen immer das „Bobbele“ aus Leimen. Vielleicht ist das ein wichtiger psychologischer Aspekt für seine Abstürze und Fehltritte.

Geschäftlich war er oft schlecht beraten, medial häufig noch schlechter. Sein schillerndes Privatleben changierte zwischen teuren Scheidungen, kurzlebigen Affairen wie dem berühmten „Samenraub in der Abstellkammer“, aus dem seine einzige Tochter entsprang, und Söhnen, die nicht von Beruf Sohn sein wollen und doch von Beckers Prominenz profitieren.

Chance auf Resozialisierung

Becker selbst hat bei seiner Sinnsuche nach dem frühen Ruhm die Orientierung gefehlt. Er mäanderte durch das Weltgeschehen und war irgendwann in den deutschen Medien mehr eine Skandalnudel und nur noch der Ex-Tennis-Crack. Vielleicht gönnten es ihm viele im Land nicht, dass er so erfolgreich und so kritisch gegenüber Deutschland war. Und leider schlagen dann negative deutsche Eigenschaften zu: Neid und Missgunst.

Im Ausland, vor allem in seiner Wahlheimat London, hat man ihn weiter als Tennis-Legende verehrt. Hoffentlich behandelt man ihn jetzt nicht allzu mies im Gefängnis, und hoffentlich findet er danach seinen inneren Kompass. Die Amerikaner glauben fest an Läuterung und das „Comeback-Kid“ in jedem Gestrauchelten. Ein Comeback Beckers als Botschafter für das deutsche Tennis und das Land insgesamt wäre wünschenswert.

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Janus
Janus
1 Jahr her

Ein sympathischer Kommentar, und er ist berechtigt. Seine Seriosität hat Boris in den fachkundigen und ruhigen Auftritten bei Eurosport bewiesen. Obwohl nicht sonderlich am Tennis interessiert, bin ich dran geblieben. So etwas S vermisse ich bei der Fußballberichterstattung. Und sonst? Ein Sportstar in Deutschland hat zu sein wie Uwe Seeler und Co. Ein George Best hätte hier keine Chance. Dazwischen hat er sich versucht zu bewegen. Ausgenutzt aber eben völlig unkundig in wirtschaftlichen Zusammenhänge wie einer der vielen Lottogewinner. Und natürlich dem “ Luxus“ zugeneigt. Wer würde eine 3 Zimmer Wohnung bewohnen wollen als Millionär? Interessanterweise werden die wahren Abzocker… Read more »

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