Feiern im Denunzianten-Deutschland

Deutschland / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: https://pixabay.com/de/menschenmenge-fu%C3%9Fball-deutschland-2140590/ Deutschland / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: https://pixabay.com/de/menschenmenge-fu%C3%9Fball-deutschland-2140590/

 

Mattusseks Geburtstagswirbel: Reinhold Beckmann macht einen Kotau, Jan Böhmermann ruft „zur Inquisition“ gegen Jan Fleischhauer auf. Mit wem darf man feiern?

In seiner Kolumne iauf „Spiegel Online“ fragte Jan Fleischhauer unlängst unter dem Titel „Kontaktschuld“[1], ob man als Spiegel-Redakteur an einer Geburtstagsfeier teilnehmen dürfe, zu der auch Menschen mit rechter oder sogar rechtsradikaler Gesinnung eingeladen seien. Er hatte nämlich etwas Ungeheuerliches getan: Er war der Einladung seines früheren „Spiegel“-Kollegen und langjährigen Freundes Matthias Matussek zu dessen Geburtstagsfeier gefolgt. Hinterher musste er sich dafür rechtfertigen, denn auf dieser Feier waren auch „mehrere Autoren und Publizisten, die man der neuen Rechten zuordnen muss“.

Inquisitorische Fragen

Fleischhauer bezeichnet Matussek als „Wirrkopf“, was unter Freunden eher unüblich ist. Er verwehrt sich aber gegen jede Kritik von welcher Seite auch immer daran, dass er auf einer privaten Feier eines Freundes teilgenommen hat:

„Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, in der die Frage, ob man an der Geburtstagsparty eines Freundes teilnimmt, zur Mutprobe wird. Ich glaube, und sei es zu meinem eigenen Trost, dass die meisten Menschen in Deutschland darüber so denken wie ich.“

Anlass für diese Fleischhauer-Kolumne war eine Twitter-Anfrage des Fernsehmoderators Jan Böhmermann. Der in dieser Anfrage enthaltene fast schon inquisitorische Fragekatalog ging an Fleischhauers Arbeitgeber, den „Spiegel“. Diese Fragen stelte Böhmermann:

 „Fragen an @DerSPIEGEL

  1. Hatte die Chefredaktion von DER SPIEGEL vorab Kenntnis von dieser Zusammenkunft und/oder davon, dass mehrere Mitglieder der Redaktion an dieser Feier teilnehmen?
  2. Wie bewertet die Chefredaktion des SPIEGEL die Teilnahme seiner Redakteure an der beschriebenen Veranstaltung?
  3. Inwieweit ist, nach Ansicht der Chefredaktion des @DerSPIEGEL, das private Erscheinen eines SPIEGEL-Redakteurs bei der beschriebenen „Geburtstagsfeier“ mit den journalistischen, ethischen und professionelles Standards des SPIEGEL vereinbar?
  4. Gab es in der Vergangenheit andere „Privatveranstaltungen“ mit ähnlicher Gästeliste, an denen Redakteurinnen oder Redakteure von @DerSPIEGEL teilgenommen haben oder sind zukünftig welche geplant?
    Für eine Beantwortung der Fragen gerne per Thread hier oder nicht-öffentlich per DM bedanke ich mich vorab. JB

P.S.: Dass SPIEGEL-Mitarbeiter Jan Fleischhauer wiederholt in der Vergangenheit Teilnehmer derartiger Zirkusveranstaltungen war und auch weiterhin sein wird, ganz frei, unabhängig und unberührt von der Haltung der @DerSPIEGEL Chefredaktion, wird vorausgesetzt.“

Beckmanns Kniefall

Man setze statt der Begriffe „Privatveranstaltung“ oder „Geburtstagsfeier“ die Veranstaltung oder Kundgebung einer beliebigen Gruppierung oder politischen Richtung ein, und man erkennt das hässliche Gesicht der Denunziation, die in Deutschland leider große Tradition hat. Es ist offenbar wieder einmal so weit, alles wie in alten Zeiten. Auch Jan Fleischhauer erkennt die neue Schieflage, in der sich unsere Gesellschaft befindet und kann auch gleich ein trauriges Beispiel anführen:

„Man darf sich nicht täuschen lassen. Die Verdächtigungen und Denunziationen haben Konsequenzen. Zu den Gästen der Hamburger Geburtstagsfeier gehörte der ARD-Moderator Reinhold Beckmann. Beckmann sang ein Lied von Bob Dylan, „Things have changed“, in einer deutschen Übersetzung. Am Sonntagmorgen, knapp zwölf Stunden nachdem er die Party verlassen hatte, veröffentlichte Beckmann auf Facebook eine Erklärung, in der er sich dafür entschuldigte, an der Feier teilgenommen zu haben.“

Beckmanns Kniefall vor Böhmermann und der politischen Korrektheit ist ein fragwürdiges Schuldbekenntnis, mit dem „Falschen“ getrunken zu haben:

„Was mir nicht ganz klar war, in welcher Gesellschaft er da tatsächlich seinen Geburtstag feiern würde. Klar, ich hätte es mir denken können. Ich muss zugeben, ich habe mich da verlaufen, ich hätte dort nicht hingehen sollen.“

Zuletzt konnten wir solche öffentlichen Selbstbezichtigungen für gesinnungsmäßig „falsches“ Denken und Handeln in den totalitären Diktaturen des Sozialismus beobachten. Für wie gefährdet hält Beckmann, in einer demokratischen Gesellschaft mit Meinungsfreiheit lebend, seine eigene Situation, wenn er so etwas schreibt? Auch Jan Fleischhauer ist fassungslos:

Wie groß muss die Angst sein, wenn selbst ein erfolgreicher ARD-Moderator in die Knie geht?“

Ein Sozialistenlied

Die unselige deutsche Tradition der Gesinnungsschnüffelei und der Denunziation hat aber auch schon immer Widerspruch hervorgebracht. Überliefert ist der Ausspruch des Dichters Hoffman von Fallersleben „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“. Allerdings gibt es Zweifel, ob er das wirklich geschrieben hat, die bisher dafür angegebene Quelle lässt sich nicht auffinden.

Dafür ist aus der Zeit der Sozialistengesetze das Gedicht des Sozialdemokraten Max Kegel bekannt, er hat es unter dem Titel „Der Denunziant“ als Lied zu einer damals gängigen Melodie geschrieben und schon im Jahre 1877 veröffentlicht.[2] Es drückt den ganzen Ekel und den Widerwillen einer Gesellschaft gegenüber Menschen aus, die angebliche gesinnungsmäßige Verfehlungen von Menschen aus ihrem Umkreis einer übergeordneter Institution (Arbeitgeber, Kirche, Staat) anzeigen:

 

Der Denunziant

Willst wissen du meiner lieber Christ,
Wer aller Menschen Auswurf ist?
Dier Antwort liegt ja auf der Hand,
Es ist allein der Denunziant.

Gefährlich ist ein toller Hund,
Gefährlich ist der Lügenmund,
Gefährlich ist, wer stiftet Brand,
Gefährlicher der Denunziant.

Verpestet ist fürwahr die Luft,
Wo athmet solch ein Schelm und Schuft.
Verpestet ist ein ganzes Land,
Wo schleicht herum der Denunziant.

Der Wilde selber, der Barbar,
Der Afrikaner rohe Schaar
Hält hoch der Treue heilig Band,
das frech entweiht der Denunziant.

Durchs ganze Leben Schimpf und Schmach
Geht ihm voran und folgt ihm nach.
Der Menschheit Schandfleck wird genannt
Der niederträcht’ge Denunziant

Wird er erblickt in Freundeskreis,
Macht man ihm bald die Hölle heiß
Und ruft, ist er einmal erkannt:
Hinaus! Er ist ein Denunziant.

Und wenn er einst im Grabe liegt
Und seine Seel nach oben fliegt,
ruft Petrus: Fort, Halunk! Verbannt
Von hier ist jeder Denunziant.

 

Anmerkungen

[1] Jan Fleischhauer, „Kontaktschuld“, Spiegel Online

[2] Wikipedia, Denunziant

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Karl Bernhard Möllmann
Karl Bernhard Möllmann
5 Jahre her

. . .
Sowohl der angeblich „echte“ TERROR – als auch der angeblich „echte“ GESINNUNGS-TERROR eines Jan Böhmermann – sind Auswüchse des TIEFEN STAATES, also ANTI-demokratische ANGRIFFE auf die DEMOKRATISCHE GRUND-ORDNUNG.
.
Daß Jan Böhmermann ein „gekaufter“ AGENT dieses TIEFEN STAATES ist – den wir auch als GLOBALISTEN-SEKTE bezeichnen – das hat er bereits bei seinen ANGRIFFEN auf Recep Tayyip Erdoğan BEWIESEN, der ja immerhin der gewählte Präsident der befreundeten Türkei ist!
.
Jan Böhmermann qualifiziert sich damit als ECHTER NAZI!

hubi stendahl
hubi stendahl
5 Jahre her

„Wie groß muss die Angst sein, wenn selbst ein erfolgreicher ARD-Moderator in die Knie geht?“ Genau umgekehrt ist es. Die größten Profiteure dieses Systems sind jene, die in einer freien konkurrierenden Gesellschaft, aufgrund ihres Charakters und Bildung, keine Chance hätten. Ob Steffen Seibert, Claus Kleber oder Dunja Hayali stellvertretend für die Medien, ob Campino, Grönemeyer oder Lindenberg stellvertretend für das aus den Fugen geratene Showbiz oder Merkel, Maas, Seehofer und die in den USA trainierte Weinkönigin Klöckner für die Politik. Sie alle sind im besprochenen Sinne Denunzianten und brauchen das System um zu überleben. Denn Sie hängen an der Nadel… Read more »

dragaoNordestino
5 Jahre her

Es scheint doch so zu sein, dass Jan Fleischhauer und der nette rechtsdraussen Matthias Matussek, „Farinha“ vom gleichen Sack sind… Die Unterschiede sind marginal…

… dass die Beiden mit einem anscheinend weit bekannten, gewalttätigen Aktivist der Identitären Bewegung und anderen gleichgesinnter Artgenossen feiern, lässt da schon aufhorchen…

dragaoNordestino
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

http://www.taz.de/Beckmann-beim-Geburtstag-von-Matussek/!5579268/?fbclid=IwAR0Bs6XHshbncVK52z-h-l7i2m41LbFDs5qYRwT1qtB2RSCMyXAVqXjXcPM

Gerolf
Gerolf
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

Dass jemand durch den Besuch einer Geburtstagsfeier, auf der (angeblich) auch ein „Rechtsaussen“ war, von einem wachsamen Mitarbeiter der deutschen Zivilgesellschaft denunziert und eventuell sogar gesellschaftlich vernichtet wird, finden Sie also okay?

dragaoNordestino
Reply to  Gerolf
5 Jahre her

@Gerolf …. ….. finden Sie also okay?

Denunziert…. hmm ein starkes Wort.. wohl um Polemik zu schaffen…

Dass man darüber redet, wenn sich da schon wieder Rechtsdraussen versammlen, halte ich aber für normal.

Insbesondere dann, wenn es sich um Öffentliche Personen handelt, diese stehen eben im Rampenlicht… also nichts besonderes…. ausser eben ein wenig Empörungskultur

Nathan
Nathan
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

@ dragaoNord
„Insbesondere dann, wenn es sich um Öffentliche Personen handelt, diese stehen eben im Rampenlicht“

Sie befürworten also, daß besonders Personen, die im öffentlichen Rampenlicht stehen, kontrolliert werden…?
Von WEM denn dann und warum denn dann? Welche Absicht haben Sie dabei, sich so zu äußern gegen die Meinungsfreiheit und sich unterwürfig zu verhalten? Sie unterstützen also welche Diktatur?

dragaoNordestino
Reply to  Nathan
5 Jahre her

@Nathan …. Sie befürworten also, daß besonders Personen, die im öffentlichen Rampenlicht stehen, kontrolliert werden…?

Ich befürworte gar nichts…. im Gegensatz zu Ihnen bin ich aber kein Realitätsverweigerer.

Im öffentlichen Rampenlicht stehende Personen wurden schon immer und werden auch in Zukunft von Klatsch, Intrigen, Zustimmung etz. belästigt werden…

WAs ist Ihr Problem dabei..EmPörungskultuer um jeden Preis.?

eva
eva
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

man sollte Linksaussen im Auge behalten

Martin1
Martin1
Reply to  Gerolf
5 Jahre her

Warum müssen sich die Leute nicht entschuldigen, wenn sie bei Linken zu Gast waren?

dragaoNordestino
Reply to  Martin1
5 Jahre her

@Martin1 ….. Warum müssen sich die Leute nicht entschuldigen, wenn sie bei Linken zu Gast waren?

Von müssen steht da ja nirgends etwas… und das Gequatsche von Jan Fleischhauer ist doch völlig subjektiv.. eben nur dessen Ansicht..

…. übrigens eine schon uralte Volksweisheiten sagen: „Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist“! ….. und „gleich und gleich gesellt sich gern“

Also unter der Sonne nichts neues….

Karl Bernhard Möllmann
Karl Bernhard Möllmann
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

. . . ZITAT @ DragaoNordestino: . „Es scheint doch so zu sein, dass Jan Fleischhauer und der nette rechtsdraussen Matthias Matussek, “Farinha” vom gleichen Sack sind… Die Unterschiede sind marginal… … dass die Beiden mit einem anscheinend weit bekannten, gewalttätigen Aktivist der Identitären Bewegung und anderen gleichgesinnter Artgenossen feiern, lässt da schon aufhorchen…“ (Ende Zitat) . Wenn man vom Nordpol aus schaut – dann sind SIE, liebstet Dragao – derjenige der am allerweitesten „rechtsdraussen“ in Brasilien abhängt . . . . Und in Brasilien da feiern ja sowieso ALLE mit ALLEN . . . . Sollen wir denn IHRER… Read more »

J.Heegmann
J.Heegmann
5 Jahre her

„Fleischhauer bezeichnet Matussek als „Wirrkopf“, was unter Freunden eher unüblich ist.“
Herr Fleischhauer ist vermutlich niemandes Freund. Ich hatte das „Vergnügen“ eine seiner Abhandlungen zu lesen, die semantisch äußerst verräterisch war. Herr Fleischhauer passt perfekt in diese „tun wir mal so als ob“-Republik. Er ist ein in der Wolle gefärbter Marxist, der gern mal so schreibt wie es Nicht-Marxisten lesen wollen.

freierMensch
freierMensch
5 Jahre her

Was vor 10 Jahren noch die konservativ Mitte war ist heute rechts, weil der Rest gefährlich weit nach links gedriftet ist. Das dieses zu weit nach links nach der Pupertät oder spätestens im jungen Erwachsenenalter überwunden sein sollte versteht sich von selbst. Bei wem das nicht geschieht, dem atestiere ich hiermit ein großes Defizit an Vernunft und Weitblick. Aber ich habe schon jemanden im Bundestag singen gehört: Ich mach mir die Welt…..

Wayne Podolski
5 Jahre her

Interessanter Facebook-Eintrag Beckmanns am 10.3. um 9.50. Demnach wusste er ganz genau in wessen Gesellschaft er sich begibt und hatte sich vorgenommen ein „vergiftetes Geschenk“ in Form eines Bob Dylan Liedes namens „Things have changed“ zu traellern. Nach dem Auftritt fiel ihm dann wohl ein, das er sich die Chance verbaut haben koennte, noch mal ein oeffentlich-rechtliches Quiz moderieren zu koennen und ruderte entsprechend zurueck.
Ich hoffe fuer Becki, das der alte Rebell Dylan nicht erfaehrt, wer seine Nummer missbraucht hat, sonst wird er ihm wohl seine Gitarre rechts und links um die Ohren hauen.

Frank W. Haubold
5 Jahre her

Man fühlt sich eine Mischung von Irrenhaus und der verblichenen DDR versetzt, wenn eine zwangsgebührenfinanzierter Hofnarr wie Böhmermann sich nicht nur als denunziatorischer Lump outet (das war er schon immer), sondern auch noch hundertfach mit seinen ebenso infantilen wie größenwahnsinnigen „Ultimatum“ an den Spiegel medial zitiert wird. Und der Kotau von Herrn Beckmann lässt an schmieriger Unterwürftigkeit auch kaum etwas zu wünschen übrig. Man weiß nicht, ob man lachen oder sich übergeben soll.

VKap
VKap
Reply to  Frank W. Haubold
5 Jahre her

Die verblichene DDR verbitte ich mir 😉 SOOO ging es da nicht zu, sondern jeder wusste, das Horch&Guck dabei sein könnten. Böhmermann aber spielt den Gerechten Demokraten, der genau so gerecht ist, wie die USA noch nie einen Umsturz durchgeführt haben …

VKap
VKap
5 Jahre her

Böhmermann und Co – die STASI 2.0 der Hochfinanz!

Martin1
Martin1
5 Jahre her

Ich würde mich öffentlich dafür entschuldigen, auf meiner eigenen Geburtstagsfeier teilgenommen zu haben.

Aber für solche Ironie haben Sozialist(inn)en keinen Sinn.

Und zu Böhmermeier: Dem sollte abends mal jemand die Kauleiste glattziehen – wie das bei AfD-Politikern inzwischen Usus ist.

Der Spargel: Unsäglich, nicht zwischen Arbeit und Privatsachen unterscheiden können.

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