Merkels Rolle in Erdogans Krieg

Angela Merkel hat dem türkischen Präsidenten Erdogan die Macht gesichert. Jetzt schweigt sie zum Kurden-Krieg. Drei Schlussfolgerungen aus Erdogans Feldzug.

Fast wäre Erdogan weg vom Fenster gewesen. Er hatte im Sommer 2015 eine wichtige Parlamentswahl verloren, während seine kurdischen Feinde erstmals in größerer Stärke in die Große Nationalversammlung in Ankara einzogen. Angela Merkel hatte ihm danach im Herbst 2015 mit dem Flüchtlingsdeal das politische Überleben gesichert.

Als Erdogan Neuwahlen ansetzte, reiste Merkel nach Ankara und leistete für den türkischen Präsidenten und dessen AKP wirksame Wahlkampfhilfe. Sie versprach Erleichterungen bei der visafreien Einreise nach Europa und die Unterstützung beim EU-Beitritt. Außerdem kam sie mit dem dicken Geldbeutel. Erdogan konnte vor Kraft nicht mehr laufen und präsentierte sich den Wählern als cleverer und erfolgreicher Unterhändler.

Mit deutschen Waffen und dem Segen Putins

Der brachiale Eingriff in die politische Architektur eines anderen Staates disqualifizierte die Bundeskanzlerin als seriöse außenpolitische Akteurin. Bei der kurz nach Merkels Besuch stattgefundenen Parlamentsneuwahl siegte Erdogans AKP dann erwartungsgemäß.

Der ganze Türkeideal war eine überaus ungeschickte Einmischung in die Innenpolitik eines NATO-Verbündeten. Den Schaden hatten die laizistischen türkischen Republikaner und die Kurden. Die deutsche Kanzlerin hat nie zugegeben, damals einen schweren außenpolitischen Schnitzer gemacht zu haben, und sie hat ihre Nahostpolitik nie korrigiert.

Das rächt sich jetzt. Mit deutschen Waffen und dem Segen Putins ist Erdogan in Syrien eingefallen und bekämpft die Kurdenmiliz, ohne die bisher bei der Bekämpfung des Islamischen Staats nichts ging. Für Merkel gilt: Weil sie einmal gelogen hat, ohne Korrekturen vorzunehmen, verheddert sie sich in neue Widersprüche.

Aus dem Afrin-Feldzug der Türken kann man getrost folgende drei Schlüsse ziehen:

  1. Putin ist kein zuverlässiger Verbündeter. Er hat die Kurden, mit denen er jahrelang zusammengearbeitet hat, um den IS zu bekämpfen, wegen kurzfristiger Vorteile fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Die russischen Berater wurden aus der Region Afrin abgezogen, bevor es losging. Das sollten sich alle merken. Orientalische Prinzipienlosigkeit…
  2. Merkel ist ein zuverlässiger Feind. Im Herbst 2015 hat sie den Kurden und den Kemalisten im türkischen Wahlkampf in den Rücken getreten, jetzt wiederholt sich das mit deutschen Panzern in Afrin. Sie hat wenigstens eine durchgängige Linie, wenn auch keine akzeptable. Die Kurden und die Laizisten können sich auf ihre Feindschaft verlassen. Deutsche Berechenbarkeit…
  3. Für die deutsche Innenpolitik hat der Krieg Konsequenzen. Für die kurdisch unterwanderte Linkspartei und die turkisierte SPD wird es immer schwieriger werden, rot-rote Bündnisse zu schmieden, insbesondere auf Bundesebene.

Keil zwischen Linker und SPD

Der Streit um die NATO-Mitgliedschaft zwischen SPD und Linker wird durch den Dissenz über die Nationalitätenpolitik der Türkei in den Hintergrund gerückt werden. Nur ein aktuelles Beispiel für die nationalen Rangeleien im sozialistischen Spektrum:

Kürzlich hatte eine kurdische Bundestagsabgeordnete der Linkspartei in Salzgitter die IG Metall besucht und bei der Gelegenheit die Türkeipolitik der Bundesregierung kritisch beleuchtet.[1] Prompt forderte Erdogan über seine Partei AD-Demokraten, die Türken sollten aus der sozialdemokratisch geführten IG Metall austreten. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann ist SPD-Mitglied, seine Stellvertreterin Christiane Benner und der Hauptkassierer Kerner sind es ebenfalls. Sie sollen erpresst werden, keine Kurden mehr zu dulden.

 

Anmerkung

[1] https://turkishpress.de/news/politik/24-01-2018/ad-demokraten-verurteilen-ig-metall

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Über Wolfgang Prabel

Wolfgang Prabel über sich: "Ich sehe die Welt der Nachrichten aus dem Blickwinkel des Ingenieurs und rechne gerne nach, was uns die Medien auftischen. Manchmal mit seltsamen Methoden, sind halt Überschläge... Bin Kommunalpolitiker, Ingenieur, Blogger. Ich bin weder schön noch eitel. Darum gibt es kein Bild." Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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der agent
der agent
6 Jahre her

Ja lieber Hr. Prabel, zu diesem Artikel fällt mir nur das Zitat eines gewissen Roosevelt (Rosenfeld) ein, dass in der (Welt) Politik NICHTS durch Zufall geschieht… Ich denke die meisten kennen es! Sehn wir uns die Welt (Politik) doch einmal ganz nüchtern an was für ein Chaos die (u.a. Politiker) anstiften, ganz nach dem (Logen) Motto „Ordo ab Chao“ oder nicht!? Sie reden ganz richtig von der Rolle Merkels die sie innehat und da gibt es deren viele Rollen so zu sagen die besetzt sind z. B. eben die Rolle Erdogans oder Putin und Trump, Macron, der EU, China, UN,… Read more »

Karl Bernhard Möllmann
Karl Bernhard Möllmann
Reply to  der agent
6 Jahre her

ZITAT @ der agent:
.
„…da gibt es deren viele Rollen so zu sagen die besetzt sind z. B. eben die Rolle Erdogans oder Putin und Trump, Macron, der EU, China, UN, Israels, Saudi Arabien, Migranten, Öl, 9/11, Kriege usw usw die Liste kann man unendlich fortsetzen!“ (Ende Zitat)
.
Wie wäre es denn – wenn SIE als unser neuer Gast – zur Begrüßung auf GEOLITICO einmal IHRE Rolle als „der Agent“ erklären – denn von V-Leuten & Agenten verstehen wir eine ganze Menge hier . . .

dragaoNordestino
6 Jahre her

Ja nun Herr Prabel, an einem vom US-Imperium (Ziocons) installierten Grosskurdistan, dass die Staaten Iran, Irak, Syrien und die Türkei teilweise zerschlagen würde, hat in der Region eben niemand Interesse. Deshalb halten auch alle still, während die Türkei die Drecksarbeit erledigt. Die Ziocons sind wohl die einzigen, die dem türkischen Treiben nicht beipflichten, können aber aus Machtmangel, die Faust nur in der Hosentasche machen….. Was die RF betrifft, nun Russland hat vor dem türkischen Einmarsch einen Vermittlungsversuch gemacht, welcher jedoch von der YPG krachend abgelehnt wurde. Und Herr Prabel, wenn Sie schon von Unzuverlässigkeit von einer der Grossmächte reden, dann… Read more »

Karl Bernhard Möllmann
Karl Bernhard Möllmann
Reply to  dragaoNordestino
6 Jahre her

. . . ZITAT @ DragaoNordestino: . „…eher die USA anklagen. Unter deren Führung bekämpften die Kurden jahrelang den IS und hatten tausende von Toten.“ . Und auch der IS war ja laut Donald Trump von den USA via CIA finanziert & bewaffnet worden (Dank sei Barack Obama) ! . DAS heißt im Klartext – der USA-Deep-State hat getreu der amerikanischen Tradition – BEIDE SEITEN IN DIESEM GRAUSAMEN KRIEG MIT GELD, WAFFEN & FÜHRUNG ANGEFEUERT ! . DAS war schon so beim Krieg der amerikanischen SÜD-Staaten gegen die amerikanischen NORD-Staaten – damals vergaben die kriminellen ROCKEFELLER-Banken bereits unter maximaler GEHEIM-HALTUNG… Read more »

MutigeAngstfrau
MutigeAngstfrau
Reply to  Karl Bernhard Möllmann
6 Jahre her

Einhalt gebieten kann diesem Treiben der Marionetten-Kriegstreiber-Regierungen nur der sich endlich formierende Widerstand in der Gesellschaft! Allen voran jener prominenter Köpfe aller Bereiche, denen dann mit Sicherheit immer mehr erwachte und erwachende Bürger folgen werden.

Bitte unbedingt Schrangs Video (7:40) anhören – es tut sich offensichtlich etwas.
Schrangs Kanal hatte als erster Fitz‘ Song eingestellt und nun fliegen im Mainstream die Fetzen gegen diese tapfere Frau.

ABER! Es scheint sich Widerstand in prominenter Ecke zu formieren!!! Hört rein!
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!

https://www.youtube.com/watch?v=mFmr8O1Ht9E

Helmut Nater
Helmut Nater
6 Jahre her

Das kann (muß) man ganz anders sehen.Nicht Putin hat die Kurden fallen lassen sondern die Kurden haben das Angebot Putins nicht angenommen und sich lieber auf die heiße Luft der Amis verlassen und auf einen eigenen Staat spekuliert.Das werden die Ukros auch noch spüren.Wer sich den falschen „Freunden“ zuwendet zahlt auch den Preis dafür.

dragaoNordestino
Reply to  Helmut Nater
6 Jahre her

@Helmut Nater

Wer sich den falschen „Freunden“ zuwendet zahlt auch den Preis dafür.

Richtig

danekbb
danekbb
6 Jahre her

Der Artikel von Hr. Prabel ist verlogen und eine moderate Mainstreampropaganda. Und so Putin kann man kaum ernsthaft Verrat ankreiden, weil Russland ist der Verbündete von Syrien, nicht von den Kurden. Dazu kommt, dass Kurden haben sich mit USA verbündet und das bedeutet, dass sie gegen alle ihre Nachbarn agieren und Russland noch dazu. Also der Grundpfeiler des Artikel ist eine Manipulation und eine Lüge. Wenn Herr Prabel die Auswirkungen der deutschen Türkei – Politik auf innere Parteistrategien sehen möchte, dann ist das besonders lächerlich und er entlarvt sich als Systemtroll – denn die Parteien in den jetzigen postdemokratischen Realität… Read more »

firenzass
firenzass
6 Jahre her

Abenteuerliche Thesen, die der Herr Prabel hier unter’s Volk bringt.

Martin
Martin
6 Jahre her

Sehr abenteuerlich….und viel Phantasie..ich denke Herr Prabel hat hier zuviel gerechnet und falsche Formel benutzt. Er rechnet ja gern nach und ist Ingenieur. Er sollte lieber auf seinem Gebiet rechnen. Wer den nahen Osten nicht verstanden und die geschichte dort nicht kennt sollte seine Gehirnzellen schonen. Sonst glauben ihm noch einige Leser, die sonst keine eigene Meinung haben.