Der kritische Journalismus ist tot
VW hat mit seinem Abgas-Betrug viel Vertrauen zerstört. Aber was Politiker und Journalisten daraus machen, ist teilweise Linkspopulismus in Reinkultur.
Dass Minister strohdumm oder verlogen sind, das gab es schon längere Zeit. Dass Journalisten völlige Unbedarftheit der Politiker nicht bemängeln, ist neueren Datums. Der kritische Journalismus ist mausetot. Zumindest im zwangsfinanzierten Staatsfernsehen und in der Mainstream-Presse.
Axel Spilcker vom Focus hat unsägliche Meinungsäußerungen des nordrheinwestfälischen Justizministers offensichtlich ungeprüft durchgewinkt. Dieser Landesminister hatte sich gegenüber dem Focus beklagt:
„Es ist schlicht dreist und unanständig, wenn Volkswagen jetzt öffentlich ankündigt, seine finanziellen Belastungen infolge des eigenen Abgasskandals an alle deutschen Steuerzahler und damit auch mehrere Millionen VW-Kunden weiterreichen zu wollen. Damit werden nicht nur alle ehrlichen und ahnungslosen VW-Kunden für das in der Automobilgeschichte einmalige Fehlverhalten des Managements nochmals über den Tisch gezogen, sondern auch alle Menschen im Lande.“
Schlichter Unsinn
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Einem verantwortungsvollen Fachjournalisten wäre aufgefallen, dass die Ministeräußerung die steuerliche Behandlung von Rückstellungen völlig auf den Kopf stellt. Im Handelsgesetzbuch § 249 Rückstellungen heißt es unter Absatz 1:
„Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden.“
Moralische Wertungen eines Ministers sind hier völlig fehl am Platz. Dem Gesetz ist Folge zu leisten: Schluss, Ende, Aus.
Nur zwei Beispiele, die deutlich machen, wofür Rückstellungen gebildet werden: Für den Urlaub der Arbeitnehmer, der im Wirtschaftsjahr noch nicht angetreten wurde, der also ins kommende Jahr überhängt, werden Rückstellungen gebildet. Rückstellungen werden ebenfalls für Steuern gebildet, die im Wirtschaftsjahr entstanden sind, aber erst im kommenden Jahr gezahlt werden. Genauso muss auch mit einer Rückrufaktion umgegangen werden, deren zwingende Notwendigkeit sich im laufenden Jahr abzeichnet, die aber erst im Folgejahr durchgeführt wird.
Die Ministerbehauptung, dass die finanziellen Belastungen an den Steuerzahler weitergereicht werden, ist schlichter Unsinn. Sicher sinkt der Steuerertrag, wenn der Gewinn geringer wird. Denn es werden ja Gewinne besteuert, und keine Verluste.
Wirtschaftlichen Misserfolg wird kriminalisiert
Nach der Logik des Focus und des Ministers ist jeder Unternehmer unanständig, der so wenig Gewinn macht, dass der Steuerertrag sinkt. Eine unsägliche Denkweise, die jeden, aber auch jeden wirtschaftlichen Misserfolg kriminalisiert und den Verursacher in die Ecke stellt.
Das Boshafte auch: Dem in Steuerfragen unbedarften Leser wird suggeriert, dass der Fiskus an VW Geld zahlt, was über mehrere Perioden betrachtet kompletter Unsinn ist. Der Weg vom Steuerpflichtigen zum Finanzamt ist eine Einbahnstraße. Zahlungen vom Finanzamt an den Steuerzahler im Rahmen der Einkommenssteuer und der Körperschaftssteuer gibt es nur, wenn überzahlt worden ist.
Man muss den Minister und den Focus fragen, ob die Mehrsteuern auch „unanständig“ waren, die Dank der sogenannten Manipulationssoftware erzielt wurden. Um die Antwort gleich mitzuliefern: Steuern entstehen oder sie entstehen nicht. Das hat nichts mit Moral zu tun, sondern mit Erfolg bzw. Misserfolg.
Besonders ärgert den Minister Kutschaty, dass VW die deutschen Kunden bei den 6,7 Milliardenrückstellungen wohl völlig vergessen habe.
„Ein kulanter Umgang mit möglichen Schadensersatzforderungen deutscher Kunden ist damit offenkundig nicht vorgesehen und ebenso wenig, ihnen womöglich den Weg zu den Gerichten zu ersparen“, monierte Kutschaty.
„Verloren gegangenes Vertrauen“
Zur Ahnungslosigkeit kommt auch noch Schizophrenie. Erst regt er sich über Rückstellungen auf, die den Steuertrag mindern und bezeichnet diese als dreist und unanständig, dann sind ihm diese „dreisten“ und „unanständigen“ Rückstellungen nicht hoch genug.
Kutschaty im Focus:
„Angesichts der Höhe der drohenden Strafen in den USA und den berechtigten Erwartungen der VW-Kunden wären weit höhere Rückstellungen zu erwarten gewesen.“
Der Vorstand des Autobauers müsse sich fragen lassen, „ob diese Form der Aufarbeitung des Abgasskandals den Interessen seiner Mitarbeiter dient, wenn Analysten nach Medienberichten die Kosten des Skandals auf 20 bis 30 Milliarden Euro schätzen.“ Dies sei nicht der Weg, so der Minister weiter, „um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und reinen Tisch zu machen.”
Offensichtlich glaubt die Konzernspitze von VW nicht, dass den Kunden ein Schaden entstanden ist. Die Autos fahren ja bergauf und bergab, man kann sie sogar lenken. VW-Kunden, die gegen ihre Lieblingsfirma klagen, wird man mit der Lupe suchen können. Naja, ein paar Opferanwälte werden sich schon finden, die grüne Oberlehrer in den Rechtsstreit treiben…
Übrigens: Der Beitrag ist mit unparteiischer Feder geschrieben worden. Der Autor ist OPEL-Fahrer.