Beim Gas hört der kalte Krieg auf

Noch immer hält der Westen an seinen Russland-Sanktionen fest. Doch unberührt davon setzen BASF und die staatliche russische Gazprom nun ein politisch heikles Geschäft um.

Trotz nach wie vor geltender Wirtschaftssanktionen wollen BASF und GAZPROM ihr politisch heikles Geschäft, welches bereits 2014 durchgeführt werden sollte[1], jetzt umsetzen. Wie so oft spielen dabei Interpretationen und politisch korrekte Semantik eine tragende Rolle. Der Ludwigshafener Chemiekonzern rechtfertigte das Abkommen mit dem Hinweis, dass für eine sichere Energieversorgung Europas auch weiterhin der Bezug von Erdgas aus russischen Quellen unabdingbar sei.

Zum Abschluss des Asset-Tauschs erklärte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums:

„Wie dieses Geschäft vonstatten geht, ist zunächst einmal ein unternehmerischer Vorgang. Es betrifft Gasspeicher hier in Deutschland beziehungsweise umgekehrt die Nutzungsrechte an Gasfeldern in Russland – ein Asset-Tausch, den die Unternehmen vereinbart haben. Wir haben diesen Vorgang auch geprüft, und zwar nach den einschlägigen Maßgaben des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung. Damals sind keine Bedenken im Hinblick auf – so das Prüfkriterium – die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik erhoben worden. Damals ist insbesondere auch geprüft worden, was dieses Geschäft für das Speichergeschäft in Deutschland bedeutet.

Wir haben eine sehr hohe Versorgungssicherheit und haben auch die Diversifizierung vorangetrieben und die Kapazitäten ausgebaut, sodass es dort keine Bedenken gab. Das Geschäft war dann unternehmensseitig – so mein Kenntnisstand – im Vollzug beziehungsweise es dauerte. Wenn das jetzt so abgewickelt wird wie damals gemeldet, dann gilt die damalige Prüfung natürlich.”[2]

Ein Machtfaktor?

Natürlich wird diese Haltung von transatlantische Protagonisten, die sich für alternative Bezugsquellen – etwa aus USA, Qatar oder den bereits betriebenen oder neu entdeckten Erdgasfeldern im östlichen Mittelmeer – einsetzen, als Machtfaktor gesehen. Insbesondere mag solchen Figuren der Einfluss der Kasseler BASF-Tochter Wintershall ein Dorn im Auge sein.

In Nowy Urengoi, der russischen Gashauptstadt in Westsibirien, betreibt Winterhall seit 2003 gemeinsam mit Gazprom das Gemeinschaftsunternehmen Achimgaz. Dort wird aus einem der weltweit größten Erdgasfelder aus bis zu 4000 Metern Tiefe – einer Bodenschicht, die als Achimov-Formation bekannt ist – mit 37 Bohrstellen mittels technisch aufwendiger Verfahren mit einem täglichen Kostenfaktor von einer halben Million Euro Gas und Gaskondensat gefördert. Bis 2019 sollen die Achimgaz-Bohrstellen auf 113 mit einer jährlichen Fördermenge von acht Milliarden Kubikmeter Gas -dem vierfachen der aktuellen Ausbeute- erweitert werden.

Eckpunkte des Asset-Swaps

Wintershall überträgt das bislang gemeinsam betriebene Erdgashandels- und Speichergeschäft an Gazprom. Dazu zählen unter anderem die 50-prozentigen Anteile an den Erdgas-Handelsgesellschaften Wingas und am Wintershall-Erdgashandelshaus Berlin sowie die Anteile an der Speichergesellschaft Astora und an den deutschen Erdgasspeichern in Rehden und Jemgum.

Außerdem wird sich Gazprom zu 50 Prozent an der Wintershall Noordzee beteiligen, die in der südlichen Nordsee vor den niederländischen, britischen und dänischen Küsten Erdöl und Erdgas sucht und fördert. Im Gegenzug erhalten die Deutschen Anteile an großen Gasvorkommen in der sibirischen Achimov-Formation.

Fazit: Während die BASF-Tochter seine Erdgas-Ressourcen deutlich ausbaut, erhält Gazporm mehr Kontrolle über die Wertschöpfungskette und die Entwicklung neuer Geschäfts- und Vertriebsmodelle. Der Vollzug des Tauschs wird bis Ende dieses Jahres erwartet. Die Europäische Kommission hatte dem Geschäft bereits Ende 2013 grünes Licht gegeben.

Erhöhte Abhängigkeit von Russland?

Als einen weiteren Meilenstein der BASF/GAZPROM-Kooperation darf das gerade erst unterzeichnete Abkommen[3] zwischen den Giganten und weiteren europäischen Energiekonzernen zur Erweiterung der Erdgas-Pipeline Nord Stream durch die Ostsee betrachtet werden. Die Pipeline soll um zwei Stränge erweitert werden, die zusätzlich bis zu 55 Kubikmeter Erdgas nach Europa transportieren sollen. Die ersten zwei Leitungen der Pipeline sind seit Oktober 2012 in Betrieb. Das russische Gas landet in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern. Neben Gazprom und Wintershall sind die Energiekonzerne Eon, Shell, die österreichische OMV, sowie der französische Engie-Konzern an Nord-Stream beteiligt.

Schon fast erwartungsgemäß ist von der Europäische Kommission zu hören, dass der geplante Ausbau der Gaspipeline Nord Stream zwischen Russland und Deutschland die Staaten Mittel- und Osteuropas schwächen und die Abhängigkeit von russischem Gas erhöhen könnte. Wie der für die Energieunion zuständige EU-Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič (gebürtiger Slowake) bereits im Juli mitteilte, sind keine Pipelines zur Umgehung der Ukraine notwendig. Der geplante Nord-Stream-2-Deal diskriminiere die südlichen EU-Länder.

Es bleibt spannend!

Doch nun werden Gasröhren durch die Ostsee gebaut, bei denen Länder wie Bulgarien und Ungarn leer ausgehen, Deutschland und Tschechien aber Transiteinnahmen in Milliardenhöhe beschert werden. Offenbar hat Šefčovič  vergessen, dass es die EU-Kommission war, die Bulgarien zum Baustopp der South Stream Pipeline aufforderte !

Es bleibt sicher spannend zu beobachten, ob sich auf Sicht das auch von auswärtigen Hegemonialinteressen gesteuerte Primat deutscher oder europäischer Politik durchsetzen wird, oder deutsch-russische Konzerninteressen die Zukunft von Erdgasimporten bestimmen.

 

Anmerkungen

[1] vergl. BASF-Pressemitteilung vom 23.12.2013

[2] vergl. Wortlautprotokoll der Bundespressekonferenz vom 4.9.2015

[3] vergl. BASF-Pressemitteilung vom 4.9.2015

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