Lucke-Ärger um neue Partei
Ex-AfD-Chef Lucke berät heute in Kassel mit seinen Weckrufern über eine Parteigründung. Schon gibt es Streit um die Mitgliederrechte. Mit der AfD streitet er um Geld.
Noch ist die vom früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke geplante neue Partei nicht gegründet, da gibt es bereits Streit über die künftige Satzung. Obwohl angeblich noch gar nicht klar ist, ob bei der für den heutigen Sonntag in Kassel verabredeten Zusammenkunft überhaupt eine neue Partei gegründet wird, sind die Vorbereitungen in vollem Gange. Führende Mitglieder des von Lucke im Mai gegründeten Weckruf-Vereins feilen bereits an einer Schiedsgerichtsordnung, einer Geschäftsordnung, einer Finanz- und Beitragsordnung sowie einer Satzung. Weite Teile werden aus den Statuten der AfD übernommen.
Aber eben nicht alles. Und ähnlich wie in der AfD gibt es zwischen Lucke und seinen Weckrufern Streit über den Einfluss innerhalb der geplanten Partei. Das geht aus einer GEOLITICO vorliegenden E-Mail an den Weckruf-Vorstand Bernd Kölmel hervor, der bis vor wenigen Tagen noch den baden-württembergischen AfD-Landesverband führte. Darin beklagt sich der frühere AfD-Bundestagskandidat und heutige Weckrufer Jens Paulsen über die von Lucke vorgenommenen Änderungen. Der daran beteiligte Mitarbeiter ist im Folgenden mit (…) gekennzeichnet.
„Substantielle Einschränkungen“
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„Von (…) habe ich die Überarbeitung meines Satzungsentwurfes durch Bernd Lucke erhalten und diese 2 1/2 Stunden mit (…) besprochen“, schreibt Paulsen. „Die Überarbeitung enthält neben einigen guten Gedanken allerhand ‚handwerkliche‘ Fehler und auch rechtliche unzulässige Regelungen. Die wenigen Regelungen, mit denen wir uns von den Altparteien etwas abheben, wurden weitgehend gestrichen“, kritisiert der ehemalige AfD-Politiker. Und mit deutlichen Worten klagt er in einer Weise über Lucke, wie es zuvor schon dessen Vorstandskollegen in der AfD getan hatten: „Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitglieder wurden in für mich unzumutbarer Weise beschränkt.“ Sprich, Lucke wolle bestimmen, wo es langgeht, und den Einfluss der Mitglieder weitgehend zurückdrängen.
Luckes Änderungen waren nach Paulsens Empfinden substanzieller Art, denn er schloss ein Votum gegen die Satzung nicht aus. „Die Einzelheiten habe ich (…) erläutert“, schreibt er. Und weiter: „Ich warte jetzt, was ihr daraus macht, und werde dann entscheiden, ob ich die Satzung mittragen kann oder nicht.“ Nach einem hoffnungsfrohen Neuanfang klingt das nicht.
Heute kommen in Kassel rund 70 Weckruf-Funktionäre zusammen. Sie repräsentieren die einzelnen Landesverbände des Vereins. „Wir werden ergebnisoffen diskutieren“, sagt Weckruf-Sprecher Sven Wagner. Es könne also durchaus auch sein, dass keine neue Partei gründet werde. In der AfD geht das Gerücht, Lucke wolle die Parteigründung am liebsten auf den September verschieben. Solche Pläne seien ihm nicht bekannt, sagt Wagner. Im Übrigen tendiere eine gefühlte Mehrheit der Weckrufmitglieder zu einer Parteigründung.
„Bürgerliche Reformer“
Gesucht wird nun auch wieder ein neuer Name für die Partei. Vom Neustart 2015 sind die Weckrufer offenbar wieder abgerückt. Sympathie genießt nun die Bezeichnung Bürgerliche Reformer. Der Name war offenbar schon frühzeitig im Gespräch. Jedenfalls ließ Paulsen die entsprechende Internet-Domain bereits um den Essener Parteitag herum sichern. Am 8. Juli – also drei Tage nach dem Parteitag, auf dem Bernd Lucke erklärt hatte, es gebe keine konkreten Pläne für eine neue Partei – war die Domain bereits auf die Kanzlei Paulsen & Stöver eingetragen.
Wahrscheinlicher wird eine solche Namensgebung durch die Pläne der ehemaligen AfD-Abgeordneten in der Bremer Bürgerschaft, sich künftig Bremer Bürgerliche Reformer zu nennen. Nach dem Parteitag waren Christian Schäfer, Piet Leidreiter und Klaus Remkes aus der AfD ausgetreten. Nur Alexis Tassis wollte auch unter Frauke Petry Mitglied der Alternative für Deutschland bleiben. Er ist damit das einzige verbliebene AfD-Mitglied in der Bremer Bürgerschaft.
Auch in Bayern zeichnet sich der Austritt führender AfD-Mitglieder ab. Dort teilte ein AfD-Pressesprecher mit, die Partei verliere fast den gesamten Landesvorstand um den glücklosen Vorsitzenden. Letzterer heißt André Wächter und dementierte die Meldung prompt. Das ist völliger Quatsch, sagte er. Es gibt keinen Rücktritt, ich bin noch in der Partei. Ihm sei unerklärlich, warum sein Pressesprecher die Meldung herausgegeben habe.
Allerdings könnte sie so falsch nun doch wieder nicht gewesen zu sein: Denn nach Informationen der Süddeutschen Zeitung[1] soll am Montag ein Großteil des bayerischen Landesvorstands den Rücktritt bekannt geben. Dass diese Austrittspläne schon am Donnerstag kursierten, soll den Angaben zufolge einem Missverständnis bei der internen Kommunikation geschuldet sein.
Streit ums Geld
Kommunikative Schwierigkeiten gibt es auch weiterhin zwischen der AfD und ihrem früheren Vorsitzenden Lucke. Der hat die AfD nun aufgefordert, ihm 500 Euro zurückzuzahlen, schreibt die Bild-Zeitung[2]. Ihm sei seine irrtümlich überwiesene Mandatsträgerabgabe (500 Euro) für den Monat Juli zurückzuerstatten, meint Lucke.
Die AfD hingegen ist anderer Ansicht. Laut ihrer Buchhaltung schuldet Lucke der AfD sogar mehr als 1000 Euro. Wir haben den Fall in der Geschäftsstelle sorgfältig geprüft. Dabei kam heraus, dass Herr Lucke mit seinen Mandatsträgerabgaben bei der AfD mit insgesamt 1500 Euro in der Kreide steht, sagte AfD-Pressesprecher Christian Lüth. Ob die AfD nun ihrerseits eine Nachzahlung Luckes verlange, sei noch nicht entschieden.
Dafür hat Lucke bereits entschieden, dass er jenen Europaabgeordneten, die nicht aus der AfD ausgetreten sind – also Marcus Pretzell und Beatrix von Storch – aus der EKR-Fraktion ausschließen will, sollte die AfD sich weiter in das rechte Lager bewegen. Von Storch sei offen EU-feindlich und Pretzell ein großer Freund der britischen Ukip, sagte Lucke dem Fernsehsender n-tv.
In einer neuen Partei werde er solche Leute jedenfalls nicht tolerieren. Wir würden wahrscheinlich eine einjährige Probezeit in der Satzung verankern und uns neue Mitglieder in dieser Zeit genau anschauen, bevor sie endgültig aufgenommen werden, sagte Lucke. Heute könnte die neue Partei bereits stehen. Denn wenn die Entscheidung gefallen ist, wollen die Weckrufer gleich einen Vorstand wählen und mit der Arbeit beginnen.
Anmerkungen
[1] Anne Kostrzewa , „Rücktritte und andere Tritte“, Süddeutsche.de