Was aus AfD-Gründer Lucke wird
Der gestürzte AfD-Chef Lucke wirkt ziel- und orientierungslos. Er spricht vom Parteiaustritt, ohne ihn zu vollziehen. Welche fünf Möglichkeiten sich ihm jetzt bieten.
Die AfD hat ihren Gründer Bernd Lucke vom Parteivorsitz gestürzt. Nun kündigt die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende und Europaparlamentarierin Ulrike Trebesius an, Lucke werde die Mitglieder des von ihm gegründeten Vereins „Weckruf 2015“ in den kommenden Tagen fragen, „ob wir gemeinsam austreten sollen aus der AfD“. Weitere Alternativen wären die Gründung einer neuen, eigenen Partei, „oder wir gehen in der AfD in den Winterschlaf“.
Was genau heißt das, sprich welche Optionen hat Bernd Lucke wirklich?
1. Kämpfen:
Inhaltsverzeichnis
Lucke könnte in der AfD bleiben und in der Partei um die Rückkehr an die Parteispitze kämpfen. Eine Basis dafür hat er mit dem „Weckruf 2015“ geschaffen. Im Mai hatte er den Verein als Partei in der Partei gegründet, um darin seine Anhänger zu sammeln. Angeblich sollen sich bis zum Parteitag in Essen über 4000 Mitglieder dem Weckruf angeschlossen haben. Ob diese Zahlen stimmen, ist allerdings umstritten. Denn auf dem Parteitag waren die Lucke-Unterstützer den Anhängern von Frauke Petry zahlenmäßig deutlich unterlegen.
Dabei hatte es im Vorfeld geheißen, der Weckruf verfüge über genügend finanzielle Mittel, die Anreise möglichst vieler Lucke-Unterstützer zu ermöglichen. Wenige Tage vor dem Parteitag kam eine interne Analyse zu dem Ergebnis, durch „Weckrufler“ könne Lucke mit rund 70 Prozent der Parteitagsstimmen wiedergewählt werden. Offenbar dienten solche Informationen allein dazu, sich selbst Mut zu machen.
Mut würde aber auch zum Weitermachen in der AfD gehören. Besäße Lucke diesen Mut zum Kampf um die Zukunft der AfD, hätte er bereits auf dem Partei ein kraftvolles Signal an seine Anhänger aussenden müssen. Er hätte etwa sagen können, dass er uns seine Anhänger zwar eine Schlacht verloren hätten, aber nicht den Kampf um die Zukunft der Partei. Das hat er nicht getan, sondern klappte seinen Laptop zu und ging. Seither kokettiert er mit der Rolle des Ausgestoßenen. Kämpferisch ist das nicht gerade, gleichwohl ist nichts vergeben.
2. Partei-Austritt:
Lucke könnte aus der AfD austreten und ihr für immer den Rücken kehren. Angesichts seines Verhaltens am zweiten Tag des Bundesparteitages in Essen, wo er öffentlich seine Unentschlossenheit über die eigene Zukunft und die seiner Anhänger kundtat, ist diese inzwischen eine der wahrscheinlichsten Varianten. Dazu passen seine Aussagen vom Sonntag, wonach die AfD die große Chance vertan habe, eine bürgerliche Partei zu werden. „Ich habe auf diesem Parteitag nicht mehr viel bürgerliche Atmosphäre wahrgenommen“, sagte er. Und vor allem: Er glaube nicht, dass die künftige Petry-AfD in Deutschland jemals mehrheitsfähig werden könne, denn sie stehe in einer Reihe mit der französischen Front National und der FPÖ in Österreich. Damit hat sich Lucke bereits deutlich von der von ihm gegründeten Partei distanziert und steht bereits auf der Schwelle zum Parteiaustritt. Sollte er sich dafür entscheiden, muss er die Politik nicht zwangsläufig aufgeben. Er könnte weiter Abgeordneter des Europaparlamentes bleiben. Und auch als Parteiloser könnte er künftig für die AfD oder eine andere Partei auf einer Landesliste bei Bundestags- und Europawahlen antreten.
3. Partei-Wechsel:
Theoretisch denkbar wäre auch der Übertritt in eine andere Partei. So etwas gab es zuletzt in größerem Stil 1982, als prominente FDP-Politiker nach dem Bruch der sozial-liberalen Koalition zur SPD wechselten. Lucke war immerhin 30 Jahre in der CDU. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass die ihn und seine Anhänger mit offenen Armen zurücknähme. Schließlich hatte Lucke die AfD als Anti-Euro-Partei auch in klarer Abgrenzung zu CDU und FDP gegründet. Er wollte zurück zu der einst von der CDU unter Helmut Kohl propagierten „geistig-moralischen Wende“, zurück also zu einer Politik, die sich noch klar zur Vater-Mutter-Kind-Familie bekannte, vor einer Überfremdung der Gesellschaft warnte und sich dennoch zum Sozialstaat bekannte.
Von diesen Positionen ist die heutige CDU weit entfernt. Auch in der Euro-Politik zeichnet sich keine Annäherung ab. Und da Lucke und seine Anhänger mit den Grünen und den Linken rein gar nichts verbindet, bliebe in Deutschland nur noch eine einige politische Kraft, mit der eine wie auch immer geartete Kooperation denkbar wäre, nämlich mit den Freien Wählern.
Die hatten vor Jahren schon einmal einen Versuch mit Lucke gemacht. Damals kandidierte Lucke sogar auf der Liste der Freien Wähler in Niedersaschen. Doch dann scheiterte die weitere Zusammenarbeit am Verhältnis zwischen Lucke und dem Freie-Wähler-Vorsitzenden Hubert Aiwanger. Eine Wiederbelebung der Kooperation ist jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, wenngleich sie schwierig werden dürfte, denn Aiwanger sagte der „Welt“, er könne sich eine Zusammenarbeit mit Lucke nur schwer vorstellen. „Wir lehnen TTIP ab, und Lucke und Hans-Olaf Henkel waren bisher immer die großen Befürworter“, sagte Aiwanger.
4. Partei-Neugründung:
Lucke könnte mit den Mitgliedern seines „Weckrufs 2015“ aus der AfD austreten und eine neue Partei gründen. Das wäre die logische Konsequenz all dessen, was Lucke in den vergangenen Monaten vorbereitet hat. Der „Weckruf“ besitzt die Satzung einer Partei, der Aufbau von Partei ähnlichen Gliederungen in den Ländern ist weitgehend abgeschlossen. Organisatorisch stünde der Gründung der „Weckruf“-Partei also nichts mehr im Wege.
Da es Lucke in der Vergangenheit immer wieder gelungen ist, großzügige Spender aus der Wirtschaft für seine politische Arbeit zu finden, dürfte auch der „Weckruf“ nicht an finanziellen Problemen scheitern. Eventuell könnte Lucke sogar Geschäftsführungspersonal aus der AfD abziehen.
Die größte Schwierigkeit dieser neuen Partei wäre jedoch ihre inhaltliche Nähe zur AfD. Die beiden Parteien würden sich wohl nur in zwei Punkten unterscheiden: Eine Weckruf-Partei wäre für das US-Freihandelsabkommen TTIP und gegen eine Annäherung an Russland. Gesellschaftspolitisch wäre der Weckruf ebenso konservativ wie die AfD. Und wie die AfD stünde bei allen wirtschaftlichen und außenpolitischen Themen das nationale Interesse im Vordergrund. Das heißt, AfD und „Weckruf“ stünden in direkter Konkurrenz zueinander und würden sich gegenseitig die Wähler wegnehmen und so vermutlich beide unter der Fünf-Prozent-Hürden bleiben. In den Bundestag käme Lucke mit einer „Weckruf“-Partei also vermutlich so schnell nicht.
5. Rückzug aus der Politik:
Bernd Lucke könnte sich komplett aus der Politik zurückziehen. Als Beamter ist das für ihn überhaupt kein Problem. Er könnte sofort nach seinem Austritt aus der AfD auch sein Mandat als Europa-Abgeordneter abgeben, an die Universität Hamburg zurückkehren und dort seine Volkswirtschafts-Professur wieder aufnehmen. Damit aber würde er seine gesamte Lebensplanung über den Haufen werden, die er ganz auf die Politik abgestellt hat. Schließlich ist er mit seiner gesamten Familie nach Brüssel gezogen.