Einfluss der Türkei in Deutschland
Zunehmend infiltrieren türkische Parteien die deutsche Gesellschaft. Zur Parlamentswahl am 7. Juni nutzen sie gar sensible Personendaten. Woher haben sie die?
Was würden wohl die Spanier sagen, wenn deutsche Parteien zur Bundestagswahl auf Mallorca einfielen? Wenn sie Parteibüros eröffneten, Plakate klebten und das deutsche Konsulat in Palma zum Wahllokal umfunktionierten? Und schlimmer noch: Wenn Angela Merkel es wie der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in Deutschland machte, und regelmäßig auf Großveranstaltungen in Palma von ihren Landsleuten dafür umjubelt würde, dass sie die „Mallorca-Deutschen“ als „unsere Macht außerhalb des Landes“ bezeichnete? Die Antwort darauf erübrigt sich.
Und wie reagieren die Deutschen darauf, dass nicht nur der türkische Staatspräsident hier Wahlkampf macht und die hier lebenden Türken ganz selbstverständlich „unsere Macht außerhalb des Landes“ nennt, sondern die gesamten politischen Kräfte der Türkei derzeit ihren Raum in der deutschen Gesellschaft suchen und finden?
Hilfe vom Geheimdienst?
Inhaltsverzeichnis
Sie sagen, das sei ein legitimer Akt der Meinungsfreiheit. So jedenfalls heißt es im Bundesinnenministerium. Und auf die Frage, ob es nicht bedenklich sei, dass die türkischen Parteien von der islamistischen AKP über die von der SPD unterstützte CHP bis hin zu der von der Linkspartei protegierten pro-kurdischen HDP offenbar im Besitz personengeschützter Daten der in Deutschland lebender Türkei sei, gibt es nur ein Achselzucken.
Konkret geht es darum, dass der türkische Parlamentswahlkampf mit Vehemenz nach Deutschland schwappt und dabei ganz offensichtlich personengeschützte Daten der rund 1,5 Millionen in Deutschland lebenden wahlberechtigten Türken zum Einsatz kommen. So erfuhr GEOLITICO, dass die AKP SMS-Kurznachrichten an potenzielle Jungwähler verschickte. Woher hat die Parteien deren Mobilfunknummern? Etwa vom Geheimdienst? Oder von religiösen Institutionen, von Vereinen und Verbänden? Wenn ja, was sagt das über das Rechtsverständnis im Umgang mit personengeschützten Daten dieser Organisationen aus? Eine Nachfrage bei einem AKP-Vertreter in Deutschland blieb ergebnislos.
Die pro-kurdische HDP verschickt per Post und E-Mail Briefe an die Wähler in Deutschland, auf denen sie gleich eine Anleitung zur Wahl mitliefert. Woher hat sie die Adressen? Auch von der HDP war keine Auskunft zu erhalten, sie reagierte weder auf Anrufe noch auf eine Anfrage per E-Mail.
Wenn Erdogan ruft, kommen seine Anhänger
Antworten erhielten wir nur von Süleyman Celik, dem Vorstandsvorsitzenden des europäischen Hauptsitzes der Union Europäisch Türkischer Demokraten (UETD), die wiederholt in die Organisation von Erdogan-Auftritten in Deutschland eingebunden ist. „Staatspräsident Erdogan ist sehr beliebt unter den in Deutschland lebenden Türken“, sagte Celik.
Der Name Erdogans sei verbunden mit „wirtschaftlichem Aufschwung und einem friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien und Religionen in der Türkei“. Kein Wort davon, dass Erdogan die Anhänger der Gülen-Bewegung mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel diffamiert und verfolgt. Und als ob die Christen in der Türkei immer ein leichtes Los hätten!
Nach Informationen von GEOLITICO hatte sich Erdogan kurzfristig für seinen Auftritt in Karlsruhe[1] entschieden. Die Veranstalter sollen für die gesamte Organisation nur gut eine Woche Zeit gehabt haben. Auf die Frage, wie es gelingt, in so kurzer Zeit genügend Gäste für so eine Veranstaltung zu organisieren, sagte Celik: „Wir müssen den Menschen nur mitteilen, dass der Staatspräsident kommt.“ So seien auch Türken aus Belgien und anderen europäischen Länder angereist.
Infiltration türkischer Interessen
Organisiert worden sei der Auftritt in Karlsruhe quasi vom türkischen Staat „aus der Türkei heraus“. Geholfen hat unter anderem die islamistische Gruppierung Milli Görüs.
In türkischen Kreisen heißt es, Milli Görüs und auch die vom türkischen Staat gelenkte Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V (DITIB) hätten in den deutschen Moscheen für die Erdogan-Veranstaltung mobilisiert. Wenn dies so sein sollte, dann muss von einer strukturellen Verankerung türkischer Politik und damit auch türkischer Interessen in der deutschen Gesellschaft gesprochen werden.
Mit dieser Infiltration türkischer Politik in die deutsche Gesellschaft exportiert die Türkei auch ihre gewalttätigen Konflikte wie wiederholt blutige Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden gezeigt haben[2]. Doch außer die Türken selbst scheint das in Deutschland niemanden weiter zu interessieren.
Anmerkung
[1] Siehe Günther Lachmann, „Politisch und moralisch bankrott“, GEOLITICO vom 11. Mai 2015
[2] „Kurden gegen Türken – Schlachtfeld Kreuzberg“, Süddeutsche Zeitung vom 17. Mai 2010