Das Konsum-Märchen vom Ölpreis

Die Annahme, ein Ölpreisverfall entfalte dieselbe Wirkung wie sinkende Steuern, ist falsch. Warum ein niedriger Ölpreis die Konsumausgaben nicht erhöht.

Derzeit können Sie fast überall lesen, dass fallende Ölpreise einen ähnlich positiven Effekt für den Verbraucher und die gesamte Wirtschaft hätten wie eine Steuersenkung. In beiden Fällen hätten die Menschen mehr Geld für Konsumausgaben in der Tasche, so heißt es.

Klingt gut, ist aber leider falsch. Ich weiß zwar nicht, wie es sich bei durchschnittlichen Ökonomieprofessoren und Analysten verhält. Aber bei mir und meinen Freunden – darunter übrigens auch ein paar Ökonomieprofessoren – besteht ein ganz erheblicher Unterschied zwischen den Wirkungen einer Steuersenkung und den Folgen sinkender Energiepreise. Und ich bin der festen Überzeugung, dass es anderen genauso geht.

Gleichbleibende Einkommen

Bei einer Steuersenkung hat der Bürger tatsächlich mehr Geld zur Verfügung, das er entweder ausgeben oder sparen kann. Das ist ein rundum positiver Effekt für die Konsumenten und die gesamte Wirtschaft. Sie können mehr konsumieren und die Wirtschaft profitiert entweder direkt von Ihren zusätzlichen Ausgaben oder – über gewisse Umwege – von Ihrer höheren Sparquote.

Bei fallenden Energiepreisen tritt dieser Effekt allerdings nicht ein. Warum? Weil in diesem Fall die Einkommen ja gar nicht steigen. Der Konsument verfügt bei einem Ölpreis von 50 Dollar pro Barrel noch immer über dasselbe Einkommen wie bei einem Ölpreis von 100 Dollar. Das einzige, was sich verändert, ist der Mix der Konsum-Ausgaben und eventuell die Höhe der monatlichen Ersparnis.

Neuer Konsum-Mix

Zwar sinken die Konsumausgaben für Heizöl und Benzin. Das an dieser Stelle eingesparte Geld kann selbstverständlich für andere Zwecke verwendet werden, etwa zum Shoppen oder Essen gehen. Das freut den Verkäufer und den Wirt, und sicherlich auch den Konsumenten, weil ihm der Kauf eines neuen Spielzeugs oder eines leckeren Menüs wahrscheinlich mehr Freude bereitet als der Kauf von Heizöl und Benzin.

Aber die Summe seiner Konsumausgaben bleibt natürlich bestenfalls konstant. Und wenn er sich dafür entscheidet, einen Teil der niedrigeren Energierechnung nicht anderweitig zu verbraten, sondern im Hinblick auf das marode Rentensystem zu sparen, dann nehmen seine Konsumausgaben in der Summe sogar ab.

Kommen wir nun zum praktischen Teil dieses Artikels. Der folgende Chart zeigt die Ölpreisentwicklung der vergangenen Jahre und darunter einen Sentimentindikator. Unübersehbar ist die Stimmung der Ölmarktteilnehmer auf ein Niveau gefallen, das zuvor nur in der Endphase der großen Krise von 2008/09 zu sehen war.

Grafik von Claus Vogt

Grafik von Claus Vogt

Erholung des Öl-Preises

Vor diesem Hintergrund habe ich Anlegern in diesem Monat geraten, umgehend auf eine kurzfristige Erholung des Ölpreises zu setzen. Denn selbst wenn sich die US-Wirtschaft und mit ihr der Rest der Welt auf dem Weg in eine Rezession befinden sollten – und einige Frühindikatoren deuten darauf hin – sprechen Markttechnik, Sentimentindikatoren und die Positionierung der Terminmarktteilnehmer für eine bald beginnende Zwischenerholung des Ölpreises.

Tatsächlich ist der Ölpreis inzwischen um rund 15% gestiegen. Ich gehe davon aus, dass sich diese erst wenige Tage alte Rally noch etwas fortsetzen wird. Es ist also noch nicht zu spät, um von einer Zwischenerholung des Ölpreises zu profitieren.

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Über Claus Vogt

Claus Vogt ist Chefredakteur des Börsenbriefs „Krisensicher Investieren“. Zusammen mit Roland Leuschel schrieb er die Bücher „Das Greenspan-Dossier“, „Die Inflationsfalle“, „Bitcoin & Co. - Finte“ oder „Neugestaltung des Geldsystems?“. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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