Zeigt Video korruptes Athen?

Ein brisantes Video deckt angeblich auf, wie der Ex-Deutsche-Bank-Mitarbeiter Apostolopoulos einen griechischen Abgeordneten vor der Präsidentenwahl bestechen wollte.

Stavros Dimas (73), Ex-EU-Kommissar und Vize-Chef der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia von Premier Antonis Samaras, ist als Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten auch in der dritten Wahlrunde im griechischen Parlament durchgefallen. Dabei hatte die Regierung über Weihnachten alles getan, die erforderlichen Stimmen zusammenzubekommen.

Doch ihre Bemühungen wurden, was in Deutschland kaum jemand wahrnahm, durch den Vorwurf der versuchten Bestechung eines Abgeordneten der Partei „Unabhängige Griechen“ (ANEL) belastet, der deswegen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat.[1]

Der Fall hat in den letzten Tagen in Griechenland und vor allem im Parlament hohe Wellen geschlagen. Dazu beigetragen hat ein in Umlauf gebrachtes Video[2], das den angeblichen Bestechungsversuch zeigen soll und das auch der Staatsanwaltschaft zugeleitet wurde.[3] Die hat es jedoch inzwischen als zweifelhaft bewertet und deswegen keine weitergehenden Ermittlungen aufgenommen.

Ein zwielichtiger Banker

Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall damit abgeschlossen[4], für die Politik angesichts der Bedeutung der anstehenden Parlamentswahlen indes sicher nicht. Konkret ging es darum, dass dem Abgeordneten finanzielle Vorteile im Wert von 2-3 Millionen Euro angeboten worden sein sollen, wenn er für den Präsidentschaftskandidaten der Regierungskoalition stimme.[5]

Die besondere Brisanz des angeblichen Bestechungsversuchs resultiert aus dem beruflichen Hintergrund desjenigen, der ihn unternommen haben soll: Giorgos Apostolopoulos. Er war laut Zeitungsberichten bisher für die Deutsche Bank, verschiedene Investmentfonds und die Piraeus Bank tätig. Er war laut eigenen Aussagen daneben jedoch auch Berater von Giorgos Papandreou (PASOK) und von Antonis Samaras (ND), der Papandreou – nach der eingesetzten Interimsregierung von Lucas Papademos – als neuer gewählter Regierungschef ablöste.[6]

Beraten hat Apostolopoulos ferner den ehemaligen griechischen Finanzminister Giorgos Papakonstantinou (PASOK), der später im den Skandal um die sogenannte „Lagarde-Liste“ in die Schusslinie geriet. Bei der Lagarde-Liste handelt es sich um eine CD mit Namen von potenziellen griechischen Steuerhinterziehern, die von Christine Lagarde im Jahr 2010 an den damaligen Finanzminister Papakonstantinou weitergegeben worden war. Allerdings hatte dieser sowie auch sein Amtsnachfolger Evangelos Venizelos (PASOK) in dieser Sache nichts unternommen. Erst Ende 2012 wurde bekannt, dass eine solche CD überhaupt existierte, vorübergehend verschwunden und dann zunächst in einer manipulierten Version wieder aufgetaucht war.[7]

Apostolopoulos hat darüber hinaus auch den Parteichef der „Unabhängigen Griechen“, Panos Kammenos, beraten und damit jene Partei, die nun den Bestechungsskandal ins Rollen brachte. Außerdem sagte Apostopoulos in einem Prozess in Griechenland aus, in dem es um Wetten auf die Staatspleite Griechenlands ging. Seinerzeit waren griechische Politiker in den Verdacht geraten, mit Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps (CDS)) auf die Pleite Griechenlands zu wetten, um finanziell davon zu profitieren.

Lauter unbeantwortete Fragen

Apostolopoulos hat in seiner Aussage zu den Vorwürfen das Treffen mit dem Abgeordneten nicht geleugnet, aber den Verlauf anders dargestellt. Demnach soll der Abgeordnete die Initiative ergriffen und nach einer finanziellen Kompensation für seine Stimme gefragt haben.[8] Doch weil die Staatsanwaltschaft den Fall bereits geschlossen hat, spielt rechtlich die Frage, von wem die Initiative ausging, keine Rolle mehr.

Ungeklärt bleibt auch die Frage, was die Motivation von Apostolopoulos war. Gegenüber dem Staatsanwalt erklärte er, er habe vollkommen unabhängig und aus eigener Initiative gehandelt. Angesichts der Top-Beraterrolle, die er in der griechischen Politik in den zurückliegenden Jahren eingenommen hat, vor allem bei Giorgos Papandreou (PASOK) und Antonis Samaras (ND) und der Tatsache, dass er zeitgleich für Banken und Fonds tätig war, kann diese Aussage ganz sicher nicht jeden zufriedenstellen.

Gerade deswegen stellt der Skandal eine schwere Hypothek für die von Nea Dimokratia und PASOK gebildete Koalitionsregierung dar. Dies zeigte sich bereits bei der vergeblichen Suche nach einer Mehrheit für ihren Präsidentschaftskandidaten Stavros Dimas. Umso mehr gilt dies aber für die anstehenden Neuwahlen. Angeblich will Ex-Premier und PASOK-Mitglied Giorgos Papandreou nun die Gründung einer eigenen Partei ankündigen.

Anmerkungen

[1] Pavlos Zafiropoulos, „Was ANEL MP Pavlos Haikalis offered a bribe of 3 million euros?“, The TOC: http://www.thetoc.gr/eng/politics/article/was-anel-mp-pavlos-haikalis-offered-a-bribe-of-3-million-euros

[2] Entyposeis, Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=munqPEz_fzE

[3] Pavlos Zafiropoulos, „ Recording released of alleged bribery attempt of MP Chaikalis“. The TOC: http://www.thetoc.gr/eng/politics/article/recording-released-of-alleged-bribery-attempt-of-mp-chaikalis

[4] Theo Ioannou, „Prosecutor finds no evidence to alleged MPs bribery case“, The TOC: http://www.thetoc.gr/eng/news/article/prosecutor-finds-no-evidence-to-alleged-mps-bribery-case

[5] Anna Zarifi, „MP Chaikalis: I was offered 2-3 million Euros to vote for president!“, The TOC: http://www.thetoc.gr/eng/politics/article/mp-chaikalis-i-was-offered-2-3-million-euros-to-vote-for-president

[6] Theo Ioannou, „Giorgos Apostolopoulos: The alleged bribery go-between“, The TOC: http://www.thetoc.gr/eng/politics/article/giorgos-apostolopoulos-the-alleged-bribery-go-between

[7] Stefan L. Eichner, „Schwindende Stabilität der griechischen Regierung: Im Abwärtssog der „Lagarde Liste“: http://stefanleichnersblog.blogspot.de/2013/01/schwindende-stabilitat-der-griechischen.html

[8] „Apostolopoulos testifies over alleged bribery of MP Haikalis“, The TOC: http://www.thetoc.gr/eng/politics/article/apostolopoulos-testifies-over-alleged-bribery-of-mp-haikalis

Über Stefan L. Eichner

Als Ökonom beschäftigt sich Stefan L. Eichner seit 1990 mit den Themen: Europäische Integration, Wirtschafts- und Industriepolitik, Industrieökonomik und Wettbewerbstheorie. 2002 stellte er in einer Publikation eine neue Wettbewerbstheorie vort, die er "evolutorischer Wettbewerb" nennt. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel