Die Geiselnehmer der Demokratie
Staatliche Strukturen werden korrumpiert und gleichgeschaltet. Es ist niemand mehr da, der die Interessen der Allgemeinheit vertreten und verlässlich schützen kann.
Die Deutschen stellen dem Bundestag ein mieses Zeugnis aus. Die Große Koalition genehmigt (sich) neue Rekord-Gehälter. Das EU-Parlament wird als ausgeklügeltes “Feudalsystem” betrachtet. Die Zustimmung der 317 Millionen Amerikaner zur Arbeit im Kongress erreicht im Februar gerade einmal 12 Prozent.
Da sind so manche Tyrannen beliebter, weil sie ausreichend viele Höflinge und Apparatschicks versorgen und mit Privilegien überhäufen. – Ganz klar: Die Vertrauenskrise unserer Institutionen, allen voran Parlamente, Medien und Banken, erreicht neue Höhepunkte.
Straßenkehrer im eigenen Saustall
Der Absturz von TV-Moderator Markus Lanz im Sympathie-Ranking kommt – kein Zufall – zu einer Zeit, da das Vertrauen in die Mainstream-Medien ebenfalls kollabiert. Ganz zu schweigen vom Prunk-Bischof Tebartz-van Elst in Limburg. Im Oktober erst suspendiert, nimmt der in Ungnade gefallene Kirchen-Obere laut der FAZ aus dem Hintergrund schon wieder in seiner Diözese Einfluss. Wieviel von dem sowieso kräftig ramponierten Vertrauen der Gläubigen in die Kirche damit zusätzlich zerschlagen wird, kann man höchstens ahnen.
Kräftig zu der Vertrauenskrise beigetragen hat in Deutschland jetzt der ADAC. Die Palast-Revolte um den zurück getretenen ADAC-Chef Peter Meyer, der die schlimmste Krise des Auto-Vereins aussitzen wollte, erzürnt die Republik. Kein Mensch hat Verständnis für Manager und Funktionäre, die trotz so erbärmlicher Machenschaften an ihrem Stuhl kleben und uns weismachen wollen, dass sie jahrelang zwar das Problem waren, aber jetzt ganz plötzlich zum Straßenkehrer im eigenen Saustall mutieren.
Obama – der Vertrauenszerstörer
Wenn es um erodiertes Vertrauen in die politischen Institutionen geht, ist auch Barack Obama nie weit. Hier ist der erste schwarze Präsident der USA sogar mit Abstand am zuverlässigsten. Jetzt hat er sein Ranking in der Liste der Vertrauens-Zerstörer kräftig dadurch aufgemöbelt, indem er die Fristen für die Einführung seiner Gesundheits-Reform erneut verschoben hat, um den Firmen – die sich dagegen sträuben – mehr Zeit zu geben.
Der Washington Post-Kolumnist Robert Samuelson bringt die eskalierende Vertrauenskrise der US-Bürger in ihre Regierung so auf den Punkt: „Wir zahlen mehr und wir kriegen weniger.“ Im Original-Ton hört sich das so an:
„Das Paradoxe ist, dass die Regierungskompetenz systematisch abgebaut wird, während die Größe der Regierung, gemessen an ihrem Budget, zunimmt. Wir zahlen mehr und bekommen weniger, und – es sei denn, der gegenwärtige Trend würde umgekehrt – wird dies noch Jahre so weitergehen. Es droht das Ende der Politik, wie wir sie kennen.“
Desillusionierte Steuerzahler
Die Liste ließe sich beliebig verlängern: Korrumpierte Politiker, missachtete Wähler, ausgespähte Internet-Nutzer, manipulierte Zinsen und Wechselkurse, Kinderschänder in der Kirche, Betriebsräte, die mit Managern in den Puff gehen, Gewerkschafter, die wegen umstrittener Aktiengeschäfte zurücktreten, Firmenlenker, die Babys für Pensionskürzungen verantwortlich machen, Senatoren, die in Hypotheken-Betrug verwickelt sind.
Was bleibt, ist eine desillusionierte Schar von Steuerzahlern, Bürgern und Wählern, die hilflos zuschauen, wie sich vor ihren erröteten Augen die wichtigen Bindeglieder zwischen Individuen und dem Staat wie Rauch auflösen, wie staatliche Strukturen korrumpiert und gleichgeschaltet werden und keiner mehr da ist, der verlässlich die Interessen einzelner oder der Allgemeinheit vertreten und schützen kann, wenn wohl organisierte Gruppen das Gleichgewicht der Kräfte stören, Märkte manipulieren, Regeln verletzen und Gesetze brechen.
Aus Konsumenten wird am Ende leichte Beute, aus Bürgern politische Karikaturen, aus Wählern das Freiwild derer, die keine Hemmungen haben und sich zu Geiselnehmern des politischen Systems aufschwingen. Zum Abgrund, an dem jeder gegen jeden agiert und alle aufeinander einschlagen, ist der Weg nicht mehr weit.