Die politische Insolvenzerklärung der großen Industriestaaten
Ziel der G-8-Gipfel sind angeblich anhaltende wirtschaftliche Erholung und Abbau der Arbeitslosigkeit. Tatsächlich aber führen sie zu nichts und sind die Millionen nicht wert, die sie kosten. Schafft sie ab!
Das Luxushotel Lough Erne Resort im nordirischen Enniskillen ist der Tagungsort für den aktuellen G8-Gipfel. Kurz vor der Finanzkrise eröffnet, ist es ein Opfer derselben geworden und pleitegegangen. Ein Käufer wird gesucht.
Die Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industriestaaten verständigen sich dort über drängende Probleme, die gemeinsames Handeln erfordern, wie etwa die Staatsschuldenkrise, Steuerflucht und natürlich insbesondere auch der Syrien-Konflikt.
Peinlich für Cameron
Dass unmittelbar vor Beginn des Treffens die britische Zeitung „The Guardian“ neue Enthüllungen des NSA-Insiders Edward Snowden herausbrachte, die für den Gastgeber des Gipfels, Premier David Cameron, peinlicher nicht hätten sein können, war so etwas wie ein technischer Knockout für diese Veranstaltung.
Denn der Guardian legte detailliert dar, wie der britische Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) – das britische Pendant zur amerikanischen National Security Agency (NSA), die im Mittelpunkt des Enthüllungsskandals steht – die Teilnehmer von solchen Gipfeltreffen systematisch ausspioniert. Das geschah, wie die Zeitung berichtet, beispielsweise beim G20-Gipfel in London im Jahr 2009 auf Veranlassung der damaligen britischen Labour-Regierung von Gordon Brown, die bei den Gipfelgesprächen von diesen Informationen, die ihr praktisch in Echtzeit zugeführt wurden, unmittelbar profitierte.
Champions League und Essensmarken
Was beim Gipfeltreffen in Nordirland herausgekommen ist, lässt sich pointiert ausgedrückt wie folgt zusammenfassen: Jeder macht, was er will.
Nur zur Erinnerung: Das war auch schon das Ergebnis des G8-Gipfels in Camp David bei Washington vor einem Jahr, der nicht zuletzt durch Bilder der mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt in Erinnerung geblieben ist, die zeigen, wie diese fröhlich begeistert das Finale der Champions League zwischen Bayern München und Chelsea verfolgen, während das Millionenheer von bedingt durch die Krise arbeitslos gewordenen und auf Essensmarken angewiesenen Menschen auf Antworten wartete und noch immer wartet.
Man könnte es auch eine politische Insolvenzerklärung nennen, was unfreiwillig zu der geschäftlichen Bruchlandung passt, die das Tagungshotel hingelegt hat. Vielleicht war es aber auch tatsächlich echter britischer Humor, ausgerechnet dieses Hotel auszuwählen. Denn die Uneinigkeit in der Frage der Bekämpfung von Staatsschuldenkrise und anhaltender Wirtschaftsschwäche sowie die politischen Spannungen unter anderem in der Syrienfrage sind schon länger evident unüberbrückbar. Es war deswegen von vornherein klar, dass man von diesem G8-Treffen nicht allzu viel würde erwarten können.
Wackeliges Provisorium
Wirklich vernünftige, zupackende Lösungen für zentrale Probleme haben die Treffen der führenden Industrienationen aber auch schon in den letzten Krisenjahren nicht hervorgebracht. So ist die Finanzmarktstabilität nichts weiter als ein wackeliges Provisorium, für das die führenden Industrienationen neue Risiken auf sich genommen haben (und weiter auf sich nehmen). Sie haben sich inzwischen zu neuen ernsten Problemen ausgewachsen. Staatsverschuldung, Blasenbildung, Währungsstabilität sind hier die Stichworte.
Was die führenden Staats- und Regierungschefs dafür bekommen haben, ist – von der fragwürdigen Finanzmarktstabilität einmal abgesehen – nicht das, was sie haben wollten, nämlich anhaltende wirtschaftliche Erholung und Abbau der Arbeitslosigkeit. Es ist nichts anderes als die logische Quittung dafür, dass längst wieder überall auf der Welt fleißig mit protektionistischen Maßnahmen das zu schützen versucht wird, was man noch hat oder sicher zu haben glaubt, während ebenso fleißig das Gegenteil behauptet wird.
Wozu sind solche Treffen gut?
Das ist die wahre Bilanz der Gipfeltreffen der wichtigsten Industrienationen der letzten Jahre.
Wenn aber die Gipfeltreffen der führenden Industrienationen immer wieder nicht dazu führen, die drängendsten Probleme konstruktiv anzupacken und sich auf effektive Lösungen zu verständigen, sondern lediglich Gipfelkosmetika produzieren, wofür sind sie dann überhaupt noch gut?
Freilich ist es wichtig, im Gespräch miteinander zu bleiben. Aber dafür gibt es genügend andere Gelegenheiten. Diese Gipfeltreffen sind die Millionen an finanziellen Mitteln, die sie jedes Mal verschlingen, nicht wert. Schafft sie endlich ab.
Weitere Texte von Stefan L. Eichner gibt es hier!