Europa rüstet sich für das Balkan-Szenario
Weil die Staaten ihren Bürgern misstrauen, schaffen sie ein umfangreiches Instrumentarium von Zwangsvorschriften gegen sie. Öffentlich kaum beachtet, gibt es inzwischen jede Menge Notstandsgesetze, die sogar das Töten von Unruhestiftern erlauben.
Notstandsgesetze sind Regelwerke für den Kriegs- oder Verteidigungsfall, für Bürgerkriege oder während besonders schwerer Naturkatastrophen.
Sie enthalten typischerweise Vorschriften über Lebensmittel- und Energie-Rationierung, die Zwangsverpflichtung der Zivilbevölkerung zum Arbeitsdienst, die Beschlagnahme („Requirierung“) von Vermögensgegenständen durch staatliche Stellen oder die bevorrechtigte Belieferung des Staates mit Gütern und Leistungen.
Wer solche Vorschriften für Relikte des Kalten Krieges hält, der irrt gewaltig. Die folgenden Notstandsgesetze, alle geltendes Recht, sie dienen dem Schutz des mündigen Bürger’s oder vielleicht auch dem Machterhalt des Leviathan…
Die Wurzeln von einigen dieser Vorschriften sind in den berüchtigten Notstandsgesetzgebungen der 1960er Jahre zu finden; andere wurden dafür überhaupt erst in den letzten Jahren neu in Kraft gesetzt, beispielsweise erst im August 2004 die Verordnung über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft (WiSiV). Die letzten Änderungen dieser Gesetzgebung reichen bis ins Jahr 2007.
Interessierte Leser/Innen mögen sich in den nachfolgend verlinkten Quellen -ohne Anspruch auf Vollständigkeit- selbst davon überzeugen:
Quelle | Regelwerk |
ASG | Gesetz zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung |
BinSchSiV | Verordnung zur Sicherstellung des Binnenschiffsverkehrs |
EltLastV | Verordnung über die Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung |
ESG | Gesetz über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft |
EVerkSiV | Verordnung zur Sicherstellung des Eisenbahnverkehrs |
FpV | Verordnung zur Sicherstellung der Postversorgung der Bundeswehr durch eine Feldpost |
GaslLastV | Verordnung über die Sicherstellung der Gasversorgung |
LuftVerkSiV | Verordnung zur Sicherstellung des Luftverkehrs |
PSV | Verordnung zur Sicherstellung des Postwesens |
PTSG | Gesetz zur Sicherstellung des Postwesens und der Telekommunikation |
PTZSV | Verordnung zur Sicherstellung der Post- und Telekommunikationsversorgung durch Schutzvorkehrungen und Maßnahmen des Zivilschutzes |
SeeVerkSiV | Verordnung zur Sicherstellung des Seeverkehrs |
StrVerkSiV | Verordnung zur Sicherstellung des Straßenverkehrs |
TkSiV | Verordnung zur Sicherstellung von Telekommunikationsdienstleistungen sowie zur Einräumung von Vorrechten bei deren Inanspruchnahme |
VerkSiG | Gesetz zur Sicherstellung des Verkehrs |
WasSiG | Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft für Zwecke der Verteidigung |
WiSiG | Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs |
WiSiV | Verordnung über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft |
Glücklicherweise sind Naturkatastrophen in Deutschland recht selten zu beobachten. Somit erhebt sich die Frage, wofür wir mitten in der europäischen Friedensordnung solch drastische Rechtsvorschriften brauchen. Befürchtet man etwa, dass Europa wie Jugoslawien endet, und stellt sich pro-aktiv darauf ein?
Dafür würde sprechen, dass in Artikel 2 Abs. 2 des EU-Reformvertrages, der 2009 wirksam wurde, das Töten von „Unruhestiftern„ mit Waffengewalt ausdrücklich erlaubt, eine Definition dieser Begrifflichkeit allerdings nicht zu finden ist:
Hier ein Auszug aus der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Fassung des Protokolls Nr. 11:
„Abschnitt I – Rechte und Freiheiten Art
Artikel 2 – Recht auf Leben
- Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist.
- Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
- jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
- jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
- einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.“
Übrigens hat der ehemalige Bundesinnenminister und Terroristenanwalt Otto Schily (SPD) schon 2005 Schutzhaft für »gefährliche Personen« gefordert, während sein Nachfolger, Wolfgang Schäuble (CDU) im Jahre 2007 Sympathisanten solcher Leute wie Kombattanten behandeln, also gleich abknallen lassen wollte.
Schäuble verteidigte seine Linie im ZDF mit den Worten:
„Um der Freiheit willen muss man Risiken hinnehmen. Aber Risiken hinnehmen heißt nicht, dass man sich bequem in den Liegestuhl legt und sagt: Wir tun gar nichts.“
Natürlich kann es auch sein, dass man im Zuge des Atomausstieges eine temporär auftretende Energieversorgungs-Lücke nicht ausschließen mag, oder diese gar billigend in Kauf nimmt. Wird weiterhin Weizen verbrannt statt gegessen und werden Anbauflächen für schlechten Öko-Sprit anstatt zur Herstellung von Lebensmitteln zweckentfremdet, ist damit zu rechnen, dass Nahrungsmittel bald nicht „nur“ teurer werden, sondern faktisch fehlen. Um die denkbaren Folgen, etwa am Beispiel der Tortilla-Krise, nicht ausufern zu lassen, bieten einschlägige Notstands-Gesetze die gesetzliche Legitimation, hungernde Aufständische in die Schranken zu weisen!
Nimmt man auch das billigend in Kauf, oder plant man es gar bewusst und vorsätzlich? – Werden die grünen Lebensmittelkarten schon vorbereitet? Ist dies der Grund, warum derzeit jeder eine Personenkennziffer erhält, siehe §§ 139a – 139b – 139c – 139d der Abgabenordnung (AO)? Dienen die „Gebäudepässe“ in Wirklichkeit der Vorbereitung der allgemeinen Energierationierung?
Eines aber ist gewiss: Der Staat misstraut seinen Bürgern, denn sonst bräuchte er ja kein so umfangreiches Instrumentarium von Zwangsvorschriften gegen sie. Über die Gründe kann hier nur spekuliert werden. Dem Leser bleibt es unbenommen selbst im Bundesministerium der Justiz nachfragen, das ausweislich des öffentlichen Telefonbuches unter Telefon 030 18 58 00 erreichbar ist.
Weitere Beiträge vom Oeconomicus finden Sie hier!
_________________________________________________________________________________________
Ergänzende Hinweise:
Gesetz über die Rechtsstellung der Reservistinnen und Reservisten der Bundeswehr (Reservistinnen- und Reservistengesetz – ResG)A
Inhaltsverzeichnis
Auszug:
„Abschnitt 2 – Reservewehrdienstverhältnis
§ 4 Reservewehrdienstverhältnis
Reservistinnen und Reservisten, die sich freiwillig verpflichtet haben, ehrenamtlich eine Funktion in der Reserveorganisation der Bundeswehr wahrzunehmen, können längstens bis zum Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, in ein Wehrdienstverhältnis nach diesem Gesetz (Reservewehrdienstverhältnis) berufen werden. Die Regelungen des Soldatengesetzes und des Wehrpflichtgesetzes zur Begründung anderer Wehrdienstverhältnisse bleiben im Übrigen unberührt, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt.“
Prof. Schachtschneider: Todesstrafe durch Vertrag von Lissabon wieder möglich.
Schäuble erklärt den „Überwachungs-Staat“
Ernst Benda: Zur Notwendigkeit der Notstandsgesetze
Eva Demski: Reaktion auf die Notstandsgesetze
Gerd Koenen: Reaktionen auf Notstandsgesetze
Hans-Jürgen Krahl: Römerbergrede
Sternmarsch auf Bonn